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09.05.15 - GutsMuths-Rennsteiglauf

Auf die nächsten 43 Jahre

„Wo finden Sie sportliche Herausforderung, Abenteuer, Natur und Volksfest in einem? Sie wissen es längst: Der traditionsreiche GutsMuths-Rennsteiglauf bietet alles, was das Sportlerherz begehrt.“ So beginnt das offizielle Grußwort von Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow an die Läufer. Weiter meint er: “Unterwegs kämpfen die Sportlerinnen und Sportler mit Wind und Wetter, wechselnder Bodenbeschaffenheit und vor allem einem schwierigen Streckenprofil mit zahlreichen Steigungen, die nur trainierte Beine mit hohem Tempo durchhalten können. All dies macht den Lauf zu einem Wettkampf für unerschrockene, ambitionierte Läuferinnen und Läufer, die gewillt sind, sich bis an die Grenzen ihrer körperlichen Belastbarkeit zu verausgaben oder – wie weniger gut trainierte Menschen sagen würden – zu quälen.“

Ich weiß zwar nicht, wie sportaffin Herr Ramelow tatsächlich ist, aber besser hätte ich es auch nicht formulieren können.

15 000 Voranmeldungen, davon 2.500 allein beim Supermarathon – wie kann das sein? In diesem Jahr findet der Rennsteiglauf zum 43. Mal statt. Das allein sorgt ja schon für einen gewissen Bekanntheitsgrad. Aber es steckt noch mehr dahinter. Am 12. Mai 1973 fand in Gedenken an den Lehrer Johann GutsMuths der erste offizielle Lauf statt. Die vier Initiatoren liefen damals 100 Kilometer in unter 10 Stunden. Zwei Jahre später gab es dann den ersten Wettkampf mit zwei Strecken, bei dem bereits 811 Läufer das Ziel erreichten. Eine Massenveranstaltung diesen Ausmaßes war der Sportführung in der damaligen DDR natürlich ein Dorn im Auge. Es kam zwar nie zu einem Verbot, aber eine restriktive Politik verbot ausländischen Sportlern den Start. Dies führte wiederum zu einem besonderen Reiz, vor allem für BRD Läufer, wie z.B. dem Journalisten Werner Sonntag, der dann, nach seiner Teilnahme unter falschem Namen, einen im Westen vielbeachteten Artikel über den Lauf verfasste.

Die Geschichte des Partisanenlaufs zog nach der Grenzöffnung jeden an, der in der Laufszene einen Namen hatte. Durch kluges Management konnte die Gratwanderung zwischen Massenveranstaltung und Tradition bravourös gemeistert werden. Mit dem Halbmarathon und Marathon sind attraktive Strecken im Angebot, die auch für den normalen Breitensportler zu meistern sind. Trotzdem ist mit der Kloßparty am Vorabend, dem legendären Schleim samt Schmalzbrot und Bier als Verpflegung der rustikale Charakter der Veranstaltung erhalten geblieben.

Obwohl 1975 beim ersten großen Rennsteiglauf der Altersdurchschnitt über 35 Jahre lag, gibt es heute noch etliche aus der ersten Generation, die jedes Jahr wieder am Start sind. Insgesamt knapp 900 Läuferinnen und Läufer haben bereits mindestens 25 Mal erfolgreich am Rennsteiglauf teilgenommen.

Norbert und ich reisen wie immer am Freitag an. Das Zimmer in unserer kleinen Pension, 10 Gehminuten vom Marktplatz entfernt, ist schnell bezogen. Seit letztem Jahr ist die Startnummernausgabe für den Supermarathon im Gebäude der Stadtverwaltung untergebracht. Hier herrscht geschäftiges Treiben, ohne aber in Stress auszuarten. Die Helferin versieht meine Startertasche gleich mit der Startnummer. Diese kann dann als wasserdichter Kleiderbeutel am Start abgegeben werden.

Auf dem Marktplatz vor der Kirche ist wie immer ein Festzelt aufgebaut. Bei dem schönen Wetter heute haben es sich die Läufer auf den Bierbänken davor bequem gemacht. Uns zieht es in das Cafe daneben. Hier ist ein beliebter Treffpunkt für Freunde und Bekannte, die ein gutes Eis zu schätzen wissen. In diesem Jahr scheint der Eisenbahner-Streik einige Reisepläne durcheinander gebracht zu haben. Ein paar der üblichen Verdächtigen bleiben aus, aber dafür können wir neue Bekanntschaften schließen. Die Startertasche weist den Träger als Gleichgesinnten aus und ein Gespräch ist schnell im Gange.

Um 17 Uhr wechseln wir zu den Bierbänken. Die Kloßparty ist eröffnet. Das Essen ist im Startgeld inbegriffen. Die Klöße sind locker, das Fleisch zart und der Rotkohl angenehm gewürzt. Die Läufer am Tisch sind alle guter Stimmung. Neben mir sitzt eine interessante Frau. Als über Laufzeiten gesprochen wird, werde ich hellhörig. Die drahtige Person muss wohl richtig schnell sein. Sie wird, wie wir später feststellen, beim Supermarathon den zweiten Platz belegen.

Am nächsten Morgen heißt es zeitig aufstehen. Start ist um 6 Uhr. Wegen einer Baustelle ist die öffentliche Toilette hinter der Kirche geschlossen. An den Containern mit den Toiletten sind lange Schlangen. Irgendwo muss es noch Dixies geben. Aber bis ich diese gefunden hätte, wäre es vielleicht zu spät.

 
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Da Norbert immer noch keine langen Strecken laufen kann, muss ich mich wenigstens nicht um mein Gepäck kümmern. Er gibt die Tasche bei den gelben Lkw's des Sponsors ab. So wird sie nach Schmiedefeld gefahren und liegen dann im Ziel nach Startnummern geordnet zur Abholung bereit.

Der Hubschrauber mit Fernsehteam an Bord kreist schon eine Weile über uns. Ob er die Toilettenschlange filmt? Wir rechnen anhand der Personen vor uns aus, ob es noch reichen wird. Mit dem Champion Chip am Schuh, wäre ein verspäteter Start kein Zeitverlust. Trotzdem bin ich froh, dass ich es rechtzeitig schaffe.

Pünktlich um 6 Uhr wird gestartet. So weit hinten war ich noch nie. Ich genieße den Jubel der Fans, die rechts und links die gesamte Karlstraße entlang stehen. Schnell erreichen wir den Karlsplatz und laufen am Luther-Denkmal vorbei durch das Nikolaitor auf die Bahnhofstraße. Einmal scharf rechts auf die Wartburgallee und dann scharf links auf die Dr.-Moritz-Mitzenheimstraße. Jetzt führen Serpentinen nach oben.

Die meisten fallen ins Gehen. Zu steil ist die Straße und zu groß der Respekt vor der Strecke, die noch vor uns liegt. Wir verlassen die Straße und biegen auf einen Waldweg ein. Normalerweise ist an der Engstelle ein langer Stau. Da ich heute so spät gestartet bin, muss ich nur kurz abbremsen, dann geht es schon weiter.

 
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Plötzlich lichtet sich der Wald und Eisenach liegt zu unseren Füßen. Auf der anderen Seite des Weges thront das monumentale 33 Meter hohe Burschenschaftsdenkmal. Es ist jenen gewidmet, die im 19. Jahrhundert unter Einsatz ihres Lebens für Einheit und Freiheit in Deutschland eintraten. Hier steht auch eine kleine Fangruppe. Ich habe den Verdacht, dass es in jedem Jahr dieselben sind, die sich zu früher Stunde aufmachen, um die Läuferschar hier oben zu begrüßen.

Am Waldsportplatz bei km 6,4 liegt die erste Getränkestation. Die vorderen Tische sind bereits leergeräumt. Trotzdem gibt es noch ausreichend Tee und Wasser. Auch diverses Obst wird schon angeboten. 500 m weiter an der Hohen Sonne streifen wir kurz die B19 um dann aber sofort wieder im Wald zu verschwinden. Ab jetzt laufen wir offiziell auf dem Rennsteig und haben seit dem Start bereits 200 Hm geschafft.

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