Rennsteiggeschichte gefälscht
Am 17. April 2010 werden in Blankenstein an der Saale ca. 30 Männer und Frauen nach Neuhaus aufbrechen. Mit Unterstützung des Laufladens Jena haben der USV Jena und der GutsMuths-Rennsteiglaufverein e. V. diesen Lauf in Erinnerung an die Grenzöffnung von 1990 vorbereitet.
Bereits am 8. April 1990 gab es die erste Wanderung nach dem Fall der Mauer über den östlichen Rennsteig, der als Grenzgebiet spätestens seit dem Mauerbau 1961 hermetisch abgeriegelt war. In Ernsttal stand sogar in Verfälschung der Geschichte ein offizielles Schild mit der Aufschrift „Hier endet der Rennsteig“.
Bei der Wanderung am 8. April begleitete die etwa 50köpfige Wandergruppe ein Offizier der neu geschaffenen „DDR-Grenzpolizei“ in Zivil. Er war wohl weniger als Kontrollorgan gedacht, sondern als Koordinator für die Grenzpassagen, die zu dem Zeitpunkt noch nicht alle geöffnet waren. Dazu hatte er Werkzeug mit, um den z. T. noch unversehrten Streckgitterzaun zu öffnen. Da er in Zivil war, traute er sich auch die Passagen, insgesamt vielleicht 10km, die durch den „Westen“ führten, mitzulaufen. Er bat allerdings die Wanderer, ihn bei Kontrollen durch den Bundesgrenzschutz nicht zu enttarnen, da er sich nicht sicher war, ob er nicht einen Eintrag in der „zentralen Erfassungsstelle für DDR-Unrecht“ Salzgitter habe, wo viele Offiziere der ehemaligen Grenztruppen der DDR archiviert seien.
Der Bundesgrenzschutz tauchte aber während der gesamten Wanderung nicht auf. Die Rennsteiglauforganisatoren Rolf Becker, Jochen Heusing, Volker Kittel und Dr. Hans-Georg Kremer, die an der Wanderung teilnahmen, diskutierten mit ihm, ob es möglich wäre, diesen landschaftlich reizvollen Teil des Traditionswegs zukünftig mit in ihren Lauf einzubeziehen zu können. Im Prinzip stand dem ab Mitte Mai 1990 nichts mehr im Wege, da bis dahin alle Rennsteigübergänge offen sein würden.
Hinweise von Naturschützern auf besonders seltene Biotope und der Widerstand des Rennsteigvereins gegen eine „Vermarktung“ dieses Stücks des Rennsteigs, ließen dann die Idee reifen, am Vorabend des Rennsteiglaufs nur einen Gruppenlauf von Blankenstein bis Neuhaus zu starten. Organisiert wurde der Lauf von der BSG Wismut Gera, der HSG Uni Jena und den Rennsteiglauforganisatoren. Unterstützung wurde er u. a. von Hubert Becker aus Hof und Eberhard Minzenmay aus Frankfurt/M., die einheitliche T-Shirts für alle Teilnehmer zur Verfügung stellten, den Sportmedizinern um Prof. Dr. Jochen Scheibe und der Werbeagentur macona aus Frankfurt/M. Insgesamt 23 Läuferinnen und Läufer nahmen daran teil. Im Ziel gab es als Erinnerungsgeschenk ein Rennsteiglauf-R aus Original-Grenzzaun-Stacheldraht.
In den folgenden Jahren wurde aus diesem Lauf die noch heute bestehende 50km-Wanderung entwickelt. Verbindungen zum Rennsteigverein gab es dabei nicht. 1994 kam es sogar zwischen dem GutsMuths-Rennsteiglaufverein und dem Rennsteigverein zu „medialen“ Auseinandersetzungen, bei denen sich der Rennsteigverein als „Wahrer“ des klassischen Rennsteigwandergedankens, der jenseits einer kommerziellen Nutzung stand, verstanden wissen wollte.
Der Rennsteiglauf, dessen Organisatoren über Jahrzehnte viel Arbeit und auch Geld in die Erhaltung des Rennsteigs gesteckt hatte, bot einen geschlossenen Beitritt zum Rennsteigverein an, was dieser aber ablehnte. 1994 vermittelte der spätere bayrische Umweltminister, Werner Schnappauf, der als Landrat von Kronach im Präsidium des Rennsteiglaufvereins tätig war, ein Gespräch von Vorstandsmitgliedern beider Vereine, um die Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen. Im Ergebnis gab es eine gemeinsame Willenserklärung, die aber in der Praxis kaum Wirkung hatte. Nachdem sogar die Aufnahme des Präsidenten des GutsMuths-Rennsteiglaufvereins durch Rennsteigverein als Privatperson abgelehnt worden war, wurden die Beziehungen eingefroren.
Heute gibt es in Neustadt am Rennsteig einen eigenständigen „Thüringer Rennsteigverein“ und von den etwa 15 Ortsgruppen des Rennsteigvereins kommen 14 aus Thüringen. Diese arbeiten häufig mit den Organisatoren des Rennsteiglaufs zusammen. Der GutsMuths-Rennsteiglaufverein unterstütze bisher allein mit mehreren Gedenksteinen, so für Julius von Plänckner, die Traditionspflege auf dem Rennsteig.