Aus Sicherheitsgründen musste die Erstaustragung des von Pontresina nach Chur führenden Swiss Irontrail in der Nacht auf gestern abgebrochen werden. Die Extremsituation verlangte von den Laufveranstaltern alles ab.
Die Situation spitzte sich zu. Der Regen und der Wind verstärkten sich, dichter Nebel kam auf, in höheren Lagen sank die Temperatur auf die Nullgradgrenze. Die Läufer waren stark mit sich beschäftigt, nahmen die massive Wetterverschlechterung gar nicht so richtig wahr. „Ich erlebte an Wettkämpfen schon misslichere Bedingungen mit Blitz, Hagel und Donner“, sagte beispielsweise Marco Gazzola, der das Rennen bis zum Abbruch kurz nach Mitternacht angeführt hatte. Zu jenem Zeitpunkt befand er sich bei der Ela-Hütte – wo es leicht schneite –, die Langsamsten waren im Aufstieg zum Piz Nair, der mit seinen 3022 Metern Meereshöhe das Dach des Swiss Irontrail bildet, unterwegs.
Auf Grund drohender Unterkühlung der Teilnehmenden (trotz mitgeführter Pflichtausrüstung) sahen die Verantwortlichen zwingend Handlungsbedarf, besprachen sich und entschieden letztlich, den Wettkampf vorzeitig zu beenden. „Das tödliche Unglück am Zugspitze-Berglauf vor vier Jahren, als die Organisatoren zu spät handelten, steckt noch immer tief in unseren Knochen“, sagte Rennarzt Walter Kistler. Und OK-Präsident Andrea Tuffli meinte: „Als Veranstalter stehen wir in der Pflicht, alles zu unternehmen, um Schaden abzuwehren und die Sicherheit zu gewährleisten.“
Im negativ gefärbten Beschluss sah der Organisationschef auch eine positive Seite: „Wir brachten die ungefähr 520 T201- und T141-Läufer aus 33 Ländern schnell und kontrolliert aus dem Gefahrenbereich.“ Er nennt die sofortige Rückkehr der Sportler ins Tal, die wo möglich mit der Bergbahn (Corviglia) oder Geländefahrzeugen (Val Bever) erfolgte. Anschliessend wurden sie mit Bussen nach St. Moritz und Bergün transportiert. Das Tenniscenter und das Mehrzweckgebäude wurden zu Schlafstellen umfunktioniert, zudem konnten sich die Athleten ausreichend verpflegen.
Nach dem Rennabbruch musste Tuffli auch Kritik zur Kenntnis nehmen. Insbesondere die ungenügende Markierung der – ebenfalls aus Wettergründen – von 201 auf 154 Kilometer verkürzten Strecke. Einerseits fehlte sie nach Auskunft mehrerer Läufer an kritischen Stellen gänzlich, anderseits reflektierten die rot-weissen Bänder nicht. „Dieses Material wird ebenfalls im Strassenverkehr eingesetzt; offenbar hat eine Stirnlampe aber eine andere Wirkung als das Abblendlicht eines Fahrzeuges“, so Tuffli. „Ich war froh ums GPS-Gerät“, sagte Denise Zimmermann, die Führende im Frauenrennen, „sonst wäre ich wohl mehrmals falsch gelaufen.“
Die Meinungen der Teilnehmenden über den Abbruch des Wettkampfes waren kontrovers. „Der Entscheid ist ärgerlich und enttäuschend. Ich erachte ihn aber als richtig, weil es zu gefährlich gewesen wäre, die Athleten weiterlaufen zu lassen – nicht zuletzt wegen zunehmender Müdigkeit“, sagte zum Beispiel Daniel Zünd aus Egnach. „Wegen mir hätte der Wettkampf nicht abgebrochen werden müssen“, so Adrian Brennwald, der den Abstieg von der Ela-Hütte zusammen mit Gazzola unter die Füsse nahm. „Ich war entsprechend ausgerüstet.“
Wie auch immer: Für Tuffli war es nicht nur eine bitterkalte, sondern auch eine extrem harte Nacht. Im Hochgebirge, wo Wetterextreme keine Seltenheit sind, organisierte er schon fast 40 Anlässe (Kesch-Stafette, Swissalpine, Alpinathlon). „Doch so eine Situation gab es noch nie.“
Vom Abbruch des T201 und des T141 am Swiss Irontrail waren auch die beiden kürzeren Bewerbe betroffen: Der T71 und der T21, deren Starts gestern um 8.00 respektive 10.30 Uhr erfolgt wären, wurden abgesagt. Dies, weil eine verantwortbare Durchführung unmöglich erschien. „In der intensiven Nacht stiessen wir personell an unsere Grenzen“, erklärte OK-Präsident Andrea Tuffli.
Nach dem Rennabbruch wurden sämtliche in den Sanitätsdienst Involvierten – auch jene aus Savognin, Lenzerheide und Arosa – vorsorglich nach Bergün beordert, wo sie sich für den Rest der Nacht und in den frühen Morgenstunden pausenlos um die Läufer kümmerten. Teilweise standen sie bis 16 Stunden pausenlos im Einsatz. „Wir konnten es ihnen nicht zumuten, nochmals mehr als 40 Stunden in Bereitschaft zu stehen“, so der Organisationschef.