Nach 266 Kilometern und 15.565 Höhenmetern endete die Jubiläumsausgabe der legendären Alpenüberquerung für Zweier-Teams am Samstag mit dem verdienten Erfolg der beiden Schweizer Martin und Stefan Lustenberger, die damit die Nachfolge der Vorjahressieger Markus Mingo und Hannes Namberger antraten.
Das Brüder-Paar aus Krienz bei Luzern dominierte das Rennen über acht Etappen von Oberstdorf nach Sulden/Ortler vom ersten Tag an und setzte sich am Ende hochverdient mit 28:38:47,3 Stunden vor Gabriel Lombriser/Ramon Krebs (29:49:56,6 Stunden) und Adrian Zurbrügg/Mike Baumgartner (30:18:46,0 Stunden) durch. Auch Platz vier ging mit Remo Betschart/Ivan Zumbühl an ein Team aus der Schweiz. Bestes Deutsches Duo waren Andreas Thumm/Stephan Schwarz (Team #albtraum100) auf Rang sechs.
Bei den Frauen dominierten die beiden Deutschen Ida-Sophie Hegemann/Suse Spanheimer (Göttingen/Würzburg) mit ebenfalls acht Etappensiegen in 35:50:57,8 Stunden. „Ich bin wirklich zufrieden mit der Jubiläumsausgabe des TAR. Wir hatten weniger Ausfälle als in den Vorjahren. Sportlich haben die Schweizer Top-Teams ein echtes Ausrufezeichen gesetzt, die gelaufenen Zeiten waren weitaus schneller. Herausragend stark waren auch Ida-Sophie Hegemann und Suse Spanheimer bei den Frauen“, kommentierte Veranstaltungschef Heinrich Albrecht den Transalpine Run, der im Jahr 2005 seine Premiere feierte. 2020 führt die 16. Auflage des TAR vom 29. August bis 5. September von Garmisch- Partenkirchen nach Meransen/Gitschberg Jochtal.
Was für ein wunderbarer Zieleinlauf in der Tennishalle von Sulden am Ortler. Die Familienangehörigen sorgten für einen lautstarken Empfang, die Emotionen nach acht Tagen harter Arbeit kannten keine Grenzen mehr, es flossen Tränen der Erleichterung. Als die Brüder Lustenberger mit hocherhobenen Armen über die Ziellinie liefen, hatten sie nicht nur ihre achte Etappe gewonnen, sondern gleichzeitig auch ihren bislang wichtigsten Sieg in der Tasche.
„Wir können es einfach noch nicht glauben, dass wir es geschafft haben. Das ist definitiv der wichtigste Sieg in unserer Karriere“, waren die beiden Schweizer Ausnahmeathleten sichtlich gerührt. Wobei es am Ende noch mal eng wurde. „Wir hatten die Konkurrenz immer im Nacken. Und seit zwei Tagen schmerzt eine Sehne im Fuß. Gut, dass jetzt Schluss ist“, gestand Stefan Lustenberger.
Klug im Windschatten ihrer dominierenden Landsleute liefen die beiden Berner Lombriser/Krebs, die das Rennen bis zur 5. Etappe offen hielten, dann aber etwas nachließen und insgesamt 1:11:09 Stunden Rückstand aufwiesen.
Die finale Etappe über 25,8 Kilometer von Prad am Stilfserjoch nach Sulden am Ortler hatte es noch einmal in sich. Von den 592 Athleten*innen, die sich vor einer Woche in Oberstdorf auf den Weg gemacht hatten, waren noch 537 übrig geblieben, um die 25,8 finalen Kilometer und 2.006 Höhenmeter nach Sulden am Ortler anzugehen. Aufgrund der extremen Witterungsverhältnisse mit Schneefällen um die
2.000 Meter Grenze musste die 2.886 m hohe Tabarettascharte ausgelassen und stattdessen eine Alternativroute gelaufen werden. Neuschnee hatte eine Überquerung des höchsten Punkts des 15. Transalpine Run unmöglich gemacht.
Auch wenn die Alternativroute mit 2.006 Höhenmeter zumindest auf dem Papier nicht zu den härtesten gehörte, sie verlangte den Athleten bei schlechten Wetterverhältnissen noch einmal alles ab und bestach durch herausfordernde technische Passagen.
Grandiose Landschaften, beste Trails und spektakuläre Downhills sorgten trotz großer Anstrengungen für beste Stimmung im Feld. Die Etappenorte Oberstdorf, Lech am Arlberg, St. Anton am Arlberg, Landeck, Samnaun, Scuol, Prad am Stilfserjoch und Sulden am Ortler präsentierten sich als starke Gastgeber. Das Wetter zeigte sich allerdings etwas launisch. Die ersten fünf Etappen waren fast ideal, am sechsten Tag in Scuol setzte Regen ein. Und die letzten beiden Etappen waren geprägt von Dauerregen, Kälte und Schneefall.
Die Sportler*innen erwiesen sich als äußerst zäh. Wobei besonders die Frauen in diesem Jahr hervorstachen. Mit knapp 35 Prozent lag die Frauenquote in diesem Jahr höher als zuvor. 167 Frauen waren in Oberstdorf gestartet, 152 erreichten das Ziel in Sulden/Ortler. Von den 425 gestarteten Männern liefen 387 in Sulden über die Ziellinie.
Jüngste Teilnehmerin war Frauen-Siegerin Ida-Sophie Hegemann mit 22 Jahren, älteste Maria Madueno mit 63 Jahren. Bei den Männern war der Deutsche Lancelot Gentz mit 19 Jahren der jüngste Teilnehmer, während Georg Schneider auch mit 68 Jahren noch den kompletten Transalpine Run meisterte. Das Durchschnittsalter aller Teilnehmer*innen betrug 41,9 Jahre. Beim RUN2, dem Lauf über die ersten beiden Etappen des TAR, betrug der Altersschnitt 38 Jahre. Absoluter Rekordteilnehmer ist der Münchner Holger Schulze. An der Seite von Jürgen Kurapkat beendete er seinen 15. Transalpine Run und kommt auf 116 Etappen.
Men: Der komplette Schweizer Triumph
Die Schweizer Brüder Martin und Stefan Lustenberger waren unglaublich flott unterwegs, schneller als die Sieger der Vorjahre. In den ersten Tagen des TAR galten ihre Siege noch als große Überraschung. Was sich schnell änderte. Denn in der Schweiz gehören Stefan und Martin Lustenberer aus Krienz längst zu den bekanntesten Trailrunnern überhaupt, sind seit zehn Jahren in den Top Ten vertreten, gehören zur Trailrun-Nationalmannschaft und wurden zweimal Schweizer Meister. Beim TAR starteten sie zum ersten Mal. Am Ende standen acht Etappensiege und der souveräne Gesamtsieg. „Wir wollten einfach mal zusammen als Bruderpaar solch ein langes Etappenrennen bestreiten, das war unsere Motivation“, erklärten beide.
Frauen:
Die erst 22 Jahre alte Ida-Sophie Hegemann (jüngste Teilnehmerin überhaupt) und die 30-jährige Suse Spanheimer aus Würzburg waren eine Klasse für sich. Vom ersten Tag an hatte die Konkurrenz so gut wie keine Chance. Am Ende standen acht Etappensiege und ein Vorsprung von 4:02:29 Stunden zu Buche. „Das ist unfassbar, beim ersten Start sofort zu gewinnen. Glauben kann ich das noch nicht wirklich“, so Hegemann.
Suse Spanheimer hatte während der acht Tage bei Halbzeit eine kleine Krise zu überstehen: „Die 3.000 Höhenmeter auf der vierten Etappe nach Samnaun waren heftig, dazu bin ich noch gestürzt, am Ende war alles nur noch Kopfsache.“ Marathon-Läuferin Spanheimer war die eigentliche Überraschung des Transalpine Run, hatte sie doch erst vor 18 Monaten ihren ersten Trail bestritten.
Für Ida-Sophie Hegemann beginnt in der kommenden Woche ein neuer Lebensabschnitt. Sie beginnt in Hannover ein Architektur-Studium: „Ich könnte eigentlich nochmal einen TAR laufen, schade, dass es schon vorbei ist“, schmunzelte Hegemann, die im kommenden Jahr im Mixed zusammen mit Matthias Baur antreten will.
Rang zwei und drei ging die Russinnen Elena Anasova/Nataliya Mamaeva (39:53:27,7 Stunden) und die Deutschen Lisa Marie Wilmsmann/Ricarda Ida Gümmer (40:27:48,8 Stunden). Pech hatten indes die beiden Mitfavoritinnen Susi Lell/Marie-Luise Mühlbauer. Die Allgäuerin Lell schied am vorletzten Tag krankheitsbedingt aus. Mühlbauer hielt trotz eines Außenbandriss bis ins Ziel durch.
Master Men:
Sie hatten sich erst wenige Monate vor dem Start in Oberstdorf zusammengefunden, der erfahrene Trailrunner Wolfgang Sieder und er erfolgreiche Triathlet Andreas Helfenberger. An der Seite von Helfenberger holte sich Sieder nicht nur sieben Etappensiege, sondern zum ersten Mal den Gesamterfolg nach 33:41:31,8 Stunden in der Kategorie Master Men. „Das wichtigste ist, dass wir uns als Team verstehen“, so Helfenberger. In Prad durfte der 44-jährige Sieder übrigens ein kleines wie ebenso seltenes Jubiläum feiern. Er hatte bei seiner 13. Teilnahme die 100. Etappe absolviert. Andreas Helfenberger war bereits 2008 zum ersten Mal am Start, 2009 erneut, musste aber bereits am ersten Tag mit einer Herzmuskelentzündung aufgeben. „Ich bin wohl vom TAR-Virus infiziert, auch nach zehn Jahren Pause“, so der 37-Jährige. Auf der Schlussetappe mussten sie indes den beiden Briten Ken Sutor/Mark Davies den Vortritt lassen, die mit 48:09 Minuten Rückstand Gesamtzweite wurden vor Tell Wollert/Steven Günther (Deutschland, 2:50:13 Stunden zurück).
Master Women:
Nach dem verletzungsbedingten Ausfall auf der 5. Etappe der bis dahin führenden Deutschen Stephanie Gil und Sonja Herbst war der Weg frei für Sandra Schmid und Pia Winkelblech (Orthomol Sport Perform Team). „Wir waren über acht Tage absolut konstant, haben bis zum Schluss durchgehalten, das war unsere Stärke und unser Erfolgsgeheimnis“, freute sich die 37-jährige Schwarzwälderin Schmid über ihren zweiten Gesamtsieg in dieser Kategorie in 40:23:25,3 Stunden. Auf Rang zwei kamen Rene Unser/Carrie Karsgaard (Salomon Canada, 1:25:01 Stunden zurück), auf Rang drei die Rumäninnen Florina Vasatiu/Patrizia Sini (3:17:35 Stunden zurück).
Mixed:
Acht Etappen, acht Siege. Damit hätten die beiden Österreicher Martin Kaschmann und Stephanie Kröll absolut nicht gerechnet. Immerhin fing Stephanie Kröll erst 2018 mit dem Trailrun an. Und dann folgte eine atemberaubende Laufbahn. Im Juli 2019 wurde die 29-Jährige neue Österreichische Meisterin im Skyrun. Besonders ihr dynamischer Laufstil sorgte für Aufsehen.
Die beiden Zillertaler, die in zwei Campingmobilen beim TAR unterwegs waren, um sich den Koffer- und Hotelstress zu ersparen, hatten quasi durch ein Crowdfunding-Projekt ihre Teilnahme finanziert. Immer dabei ein Physiotherapeut und ein Koch, der auch gleichzeitig Filmemacher war.
Trotz der acht Tagessiege erlebte Kröll ein stetes Auf und Ab beim TAR: „Mal war ich völlig kaputt, mal lief es super.“ Hinter dem Duo aus dem Zillertal erreichten Christina Sautner und Patric Hörhager (Österreich) mit einem Rückstand von 1:42:41 Stunden das Ziel in Sulden am Ortler. Rang drei ging an Kathrin Schichtl/Mathias Galler (Deutschland, 3:37:26 Stunden zurück). Für Schichtl war es der zehnte Start beim Transalpine Run.
Master Mixed
Wer anders als Irene Senfter und Lord Jens Kramer? Das Duo aus Südtirol holte sich fünf von acht Etappensiege und gewann zum zweiten Mal zusammen die Kategorie Master Mixed. Der Lord, der den Titel für seine Verdienste um die schottischen Highland Games erhalten hat, war sich bis zum Schluss nicht sicher, ob der Vorsprung reichen würde: „Aber an der Seite von der TAR-Königin Irene Senfter kann ja nichts passieren. „Langsam wird’s mir unheimlich“, gestand Senfter nach ihrem insgesamt sechsten Triumph. Rang zwei ging an die Österreicher Klemens Huemer/Angelika Huemer-Toff (29:22 Minuten zurück), an drei an Henrik Lange/Bianca Beyer (Running Company, 1:15:45 Stunden zurück).
Senior Master Men
Diese Kategorie war geradezu sensationell stark besetzt. Anton Steiner und Oswald Wenin, die beiden Südtiroler, hatten am ersten Tag einen Rückstand von 45 Minuten kassiert. Und starteten dann eine spektakuläre Aufholjagd. Doch die beiden Deutschen Anton Philipp/Seppi Neuhauser behielten die Nerven, verteidigten klug ihren Vorsprung und zeigten dann auf der Schlussetappe nochmals ihre ganze Klasse. Mit dem Etappensieg in Sulden holten sie sich auch gleichzeitig den Gesamtsieg in der Kategorie Senior Master Men vor Steiner/Wenin, die in Prad am Stilfserjoch mit ihrem fünften Tageserfolg bis auf 22 Minuten an die Leader herangekommen waren. Wie stark die Männer im gestanden Alter von über 50 Jahren unterwegs waren, zeigen die gelaufenen Zeiten:
In Sulden kamen Philipp/Neuhauser mit der viertbesten Gesamtzeit ins Ziel. Unterm Strich stand eine Zeit von 32:02:14,0 Stunden, Steiner/Wenin hatten 25:16 Minuten Rückstand, die Deutschen Stefan Lang/Dr. Thomas Miksch lagen 2:33:58 Stunden zurück auf Rang drei.
Senior Master Mixed
Es war ein acht Tage lang anhaltender Zweikampf zwischen den Schweizern Daniel und Marianne Wittwer sowie den Österreichern Reinhard Wohlfarter und Stephanie Lieb. Während die beiden Eidgenossen die ersten drei Etappen gewannen und damit die Grundlage zu ihrem Gesamtsieg legten, holten die Österreicher mit vier Etappensiegen mächtig auf. Trotz einer Energieleistung blieb für sie aber noch ein Rückstand von 35:24 Minuten auf das Schweizer Paar. Rang drei holte sich Andreas Schneidewind/Gaby Marek-Schmidt (Deutschland, 2:16:24 Stunden zurück.)
Der 16. Transalpine Run findet vom 29. August bis 5. September 2020 statt und führt von Garmisch- Partenkirchen nach Meransen/Gitschberg Jochtal.
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