Bergfest beim 15. Transalpine Run von Oberstdorf nach Sulden am Ortler. Mit der vierten Etappe von Landeck nach Samnaun haben die verbliebenen 566 Starter nicht nur mehr als die Hälfte der 273 Kilometer langen Alpenüberquerung geschafft, sie haben auch die „Königsetappe“ mit einer Länge von 46,3 Kilometern und 2.895 HM hinter sich gebracht. Und damit ist auch eine Vorentscheidung in Sachen Gesamtsieg gefallen.
Die Schweizer Martin und Stefan Lustenberger feierten in dem 1.845 m hoch gelegenen Schweizer Gebirgsort im Dreiländereck Italien-Österreich-Schweiz ihren vierten Tagessieg im vierten Rennen. Einzig verbliebene Konkurrenten sind die erneut auf Rang zwei platzierten Schweizer Gabriel Lombriser/Ramon Krebs (Salomon Running Schweiz) mit einem Rückstand von nunmehr 35:57 Minuten.
Ähnliches Bild bei den Frauen, wo die beiden jungen Deutschen Ida-Sophie Hegemann/Suse Spanheimer (Salomon Running Team Deutschland) von Erfolg zu Erfolg laufen. Die bisherigen Zweitplatzierten Susi Lell/Marie-Luise Mühlhuber erwischten dagegen einen schwarzen Tag.
Fazit zur Halbzeit: Die älteren Semester müssen sich beim TAR absolut nicht verstecken. Die Senior Master Men ist die am stärksten besetzte Kategorie überhaupt. Und der Zweikampf zwischen den Deutschen Anton Philipp/Seppi Neuhauser und den Italienern Anton Steiner/Oswald Wenin ist spannender denn je.
Als das Bruder-Paar Martin und Stefan Lustenberger am Dienstag nach 5:02:03,2 Stunden über die Ziellinie in Samnaun-Dorf liefen, hatten sie einen Tag hinter sich, der es in sich hatte. Die „Königsetappe“ ist berühmt berüchtigt. Hier gehen die Athleten*innen ans Limit und drüber hinaus. Mehr als 20 Kilometer lang führen die Trails auf einer Höhe zwischen 2000 und 2.800 m. Die Anspannung und der Respekt vor dieser extremen Herausforderung waren förmlich zu spüren – selten war es so ruhig in der Startzone. Vom Start morgens um 7 Uhr in Landeck ging es ansatzlos hoch durch die Wolkendecke hindurch bis zum Fisser Joch auf eine Höhe von 2.432 m. Eine Differenz von 1.600 HM. Einer der härtesten und längsten Anstiege des gesamten TAR. Dafür wurden die Teilnehmer mit einem exzellenten Bergpanorama bei besten Sichtbedingungen belohnt.
Fast hätten sich die Leader bei der ersten Zeitnahme noch verlaufen. Doch das Brüderpaar mit dem eigenwilligen Teamnamen („Willkommen im Sonnental“) fanden schnell wieder auf den rechten Weg zurück. Nach einem kurzen Abstieg auf 1.965 m zum Kölner Haus wurde es dann wieder hochalpin. Die Trails führten über das Arrezjoch mit der zweiten Verpflegungsstation zur legendären Ochsenscharte, mit 2.787 m die zweithöchste Erhebung des gesamten Transalpine Run. In diesem hochalpinen Gelände legten die Schweizer Leader die Grundlage für ihren vierten Tagessieg, bauten ihren Vorsprung auf mehr als acht Minuten auf Lombriser/Krebs aus. Und konnten auf den letzten acht Kilometern etwas an Tempo rausnehmen, was die Verfolger nutzten, um zumindest 90 Sekunden wieder gutzumachen. „Wir sind längst noch nicht durch. Erst wenn wir in Sulden im Ziel sind, können wir feiern. Es kann noch so viel passieren“, ließ sich das Brüder-Duo aus Krienz dennoch nicht aus der Reserve locken.
Ganz anders die beiden Italiener Anton Steiner und Oswald Wenin, die den Deutschen Anton Philipp/Seppi Neuhauser absolut nicht den Vortritt überlassen wollen. Wenn es eine Kategorie gibt, die in diesem Jahr an Spannung und Leistungsstärke kaum zu toppen ist, dann sind es die Senior Master Men. Die beiden Top-Teams sind so schnell unterwegs, dass das Podium greifbar ist. Diesmal liefen sie die viert- bzw. sechstschnellste Zeit und setzten damit ein weiteres sportliches Ausrufezeichen. Die Runde in Samnaun ging an die Südtiroler Steiner/Wenin.
Mit 10 Minuten Vorsprung auf Philipp/Neuhauser holten sie sich ihren zweiten Tagessieg und verringerten ihren Rückstand auf 34:59 Minuten. „Wir geben nicht auf, wir wollen das Unmögliche möglich machen, wir greifen jeden Tag an, erst wenn der rote Teppich in Sulden ausgerollt wird, ist das Rennen beendet“, gab sich der Vinschgauer Anton Steiner extrem angriffslustig. Dafür ging der 54-Jährige ans Limit. Vollkommen erschöpft sank er im Ziel zusammen. Sein Teamkamerad Wenin („die letzten vier Kilometer waren mörderisch“) erinnerte sich an das Jahr 2015. Vor vier Jahren lief er mit seinem Bruder Richard ebenfalls lange hinterher, nachdem sie auf der ersten Etappe eine Stunde Rückstand kassiert hatten. „Da haben wir auch gewonnen, es ist also möglich“, wollte Wenin nichts von einer Vorentscheidung wissen.
Und die Leader? Die gaben sich zumindest äußerlich gelassen. „Klar sind die beiden Südtiroler stark, aber wir laufen konstant unser Rennen“, meinte der Allgäuer Anton Philipp. Andererseits kann noch viel passieren und man dürfe die Südtiroler nicht zu früh abschreiben. „Den Vorsprung zu verwalten ist nicht so einfach. Wir haben gedacht, wir hätten 15 Minuten Rückstand, jetzt waren es nur 10 Minuten“, freute sich der Kleinwalsertaler Seppi Neuhauser über die „gewonnenen fünf Minuten“.
Sie widersprachen immer wieder vehement. Doch seit der 4. Etappe ist klar. Der Gesamtsieg in der Kategorie Women kann nur über Ida-Sophie Hegemann und Suse Spanheimer führen. In Samnaun feierte das Duo aus Göttingen und Würzburg seinen vierten Tagessieg in der Zeit von 6:09:37,1 Stunden. Die bisherigen Zweitplatzierten Susi Lell/Marie-Luise Mühlhuber (Salomon Running) erwischten einen schwarzen Tag, verloren rund 50 Minuten und liegen nunmehr über eine Stunde zurück. Da geht normalerweise nichts mehr.
Morgens hatten Hegemann/Spanheimer noch eine motivierende Mail von den beiden Schwedinnen Lina und Sanna El Kott Helander erhalten, die die Frauen-Kategorie in den vergangenen beiden Jahren dominiert hatten, diesmal aber verletzungsbedingt passen mussten. Die Etappe und das Panorama sei noch schöner gewesen als gedacht, ein absoluter Bilderbuchtag, zeigte sich das führende Frauenteam von der Atmosphäre am Berg restlos begeistert. Während Insider das Potenzial der erst 22 Jahre alten Göttingerin Ida-Sophie Hegemann bereits vor dem Start sehr hoch eingeschätzt hatten und ihr eine Favoritenrolle zugesprochen hatten, ist die 30-jährige Würzburgerin Suse Spanheimer die eigentliche Überraschung des TAR. Vor genau zwölf Monaten bestritt sie ihren ersten Trail. Spanheimer lief früher 800 m-Rennen, 2018 ihren ersten großen Marathon in Boston, Anfang März dann den Tokio-Marathon in guten 2:57 Stunden. „Das will ich auf jeden Fall beibehalten, ich werde mich auf Trailrun konzentrieren, aber auch Marathons wegen der Grundschnelligkeit laufen“, erklärte die zierliche Athletin, die neben dem Gesamtsieg beim TAR noch ein anderes Ziel hat: „Ich will die großen Sechs laufen, also die Marathons in London, Boston, Tokio, Chicago, New York und Berlin.“
Gut, ganz so viele Zuschauer wie auf einer Bergetappe der Tour de France werden am Mittwoch beim Bergsprint nicht an der Strecke stehen und die Trailrunner*innen unterstützen. Doch für Stimmung ist gesorgt, wenn es am Mittwoch los geht. Von Samnaun-Dorf hinauf zur Bergstation Alp Trida. 7,8 Kilometer und 834 Höhenmeter gilt es zu bewältigen. Im 15 Sekunden Abstand wird ab 10 Uhr gestartet. Und oben auf der 2.500 m hoch gelegenen Bergstation wird anschließend kräftig gefeiert. „Hier kannst du den TAR nicht gewinnen, aber durchaus verlieren, wenn es nicht läuft“, zeigte sich Routinier Anton Philipp noch immer beeindruckt.
15.09.24 | TAR 2024: Sieben auf einen Streich - auf dem Highway to... |
Hendrik Dörr | ||
11.09.11 | Ein Drama braucht gefallene „Helden“ |
Andrea Helmuth | ||
11.09.10 | ... ein Missverständnis |
Eberhard Ostertag |