Schnee im Gebirge, Dauerregen im Ziel, tiefe, matschige Trails und empfindlich kühle Temperaturen. Am Freitag zeigte der 15. Transalpine Run auf der 7. Etappe von Scuol in der Schweiz nach Prad am Stilfserjoch in Italien sein anderes Gesicht.
Trotz des extrem unwirtlichen, fast winterlichen Bedingungen auf den 44,9 Kilometern vom Unterengadin ins Vinschgau nahmen es die 538 gestarteten Athleten*innen mit Humor. „Das gehört auch zum Trailrun dazu. Aber für die langsameren Läufer, die lange unterwegs sind, tut es mir schon leid“, so der Kommentar von Martin Lustenberger, der zusammen mit seinem Bruder Stefan am besten mit den miserablen Witterungsverhältnissen klar kam. Nach 3:53:38,9 Stunden erreichten sie das Ziel im wolkenverhangenen Prad am Stilfserjoch und feierten ihren siebten Sieg im siebten Rennen.
Gleiches Bild bei den Frauen. Trotz eines erneuten Sturzes von Suse Spanheimer erkämpfte sich das deutsche Duo Hegemann/Spanheimer ihren sieben Etappenerfolg. Das mitfavorisierte deutsche Frauen-Team Susi Lell/Marie-Luise Mühlhuber musste verletzungsbedingt an der ersten Verpflegungsstelle aufgeben.
Am Samstag steht die letzte von insgesamt acht Etappen in den Zielort Sulden/Ortler auf dem Programm. Aufgrund der heftigen Schneefälle ab einer Höhe von 1.700 m muss die Strecke verändert werden. Die Alternativroute ohne die legendäre Tabarettascharte ist 24,5 Kilometer lang mit 2001 HM im Aufstieg.
539 Athleten*innen waren am Freitagmorgen um 8 Uhr in Scuol gestartet. Es erwartete sie die einzigartige Querung der Uina-Schlucht, aber auch der Aufstieg auf den 2.310 m hoch gelegenen Schlinigpass. Wind, Regen, Schnee, Nebel und eine Rutschpartie im Abstieg waren die unfreundlichen Begleiter auf dieser siebten Etappe, die im Vorjahr noch bei besten Witterungsverhältnissen stattfand.
Interessant: Die Sieger des Vorjahres, das Master-Duo Holzinger/Holzner, benötigte 4:10:10 Stunden. Das unterstreicht die große Leistung der Schweizer Spitzenläufer, die sofort die Pace machten. Diesmal übernahmen die zweitplatzierten Gabriel Lombriser/Ramon Krebs die Führungsarbeit, lagen an der V1 gut zwei Minuten vorn, wurden aber am Schlinigpass von den Brüdern Lustenberger eingeholt. Im Abstieg hinunter vom Skigebiet Watles nach Glurns und auf den welligen Trails nach Prad am Stilfserjoch bauten die Leader ihren Vorsprung auf 11:29 Minuten aus und führen nun mit 1:02:49 Minuten die Gesamtwertung an. Der 15. Transalpine Run ist damit in der Männerkategorie quasi entschieden.
Am Ende ging nichts mehr bei Susi Lell und Marie-Luise Mühlhuber. Die beiden Deutschen waren als Mitfavoritinnen in Oberstdorf an den Start gegangen, hatte sich über Tage ein Duell mit Ida-Sophie Hegemann/Suse Spanheimer geliefert. Am Freitagmorgen vor dem Start kam dann die frustrierende Nachricht, die sich bereits einen Tag vorher angedeutet hatte. Susi Lell, die 31-Jährige aus Untermaiselstein im Allgäu, war völlig entkräftet, klagte über Wasser in den Unterschenkeln und heftige Schmerzen. „Ein typisches Überlastungssyndrom, nach zwei Tagen Ruhe geht es mir sicherlich schon wieder besser“, erklärte Lell. Bis zur ersten Verpflegung bei Kilometer 10,6 hielt die Allgäuerin noch durch, beendete dann aber das Rennen: „Es ging nichts mehr, ich habe gefroren, angesichts der Schneefälle wäre ein Weiterlaufen unverantwortlich gewesen.“ Marie-Luise Mühlhuber hatte sich bei einem Sturz einen Riss des Außenbands zugezogen, ging aber sichtbar eingeschränkt an den Start.
Die siebte Etappe ging wie schon in den Vortagen an Ida-Sophie Hegemann/Suse Spanheimer, die in Prad am Stilfserjoch ihren siebten Etappensieg feierten. Trotz eines erneuten Sturzes von Marathon-Läuferin Spanheimer.
Was lange währt wird endlich gut. Das trifft auf den Allgäuer Wolfgang Sieder zu, der in diesem Jahr bei seiner 13. Teilnahme ganz offensichtlich vor dem großen Wurf steht. An der Seite des Triathleten Andreas Helfenberger holte sich Sieder den siebten Etappensieg in der Kategorie Master Men. Es gibt wohl niemanden im Feld, der dem sympathischen Allgäuer diesen Sieg nicht gegönnt hätte.
Spät hatten sich Sieder und Helfenbergeer zusammengefunden, da Sieders regulärer Partner Uli Morgen kurzfristig ausgefallen war. Und es passte alles. „Das wichtigste ist, dass wir uns als Team verstehen. Am Freitag in Prad durfte der 44-Jährige übrigens ein kleines wie ebenso seltenes Jubiläum feiern. Er hatte die 100. Etappe absolviert. Andreas Helfenberger scheint der ideale Partner zu sein. Bereits 2008 war er am Start, 2009 erneut, musste aber bereits am ersten Tag mit einer Herzmuskelentzündung aufgeben. Der Triathlet, der 2019 in Roth in 9:07 Stunden finishte, sagte sofort zu, als Sieder anfrage. „Ich bin wohl vom TAR-Virus infiziert, auch nach zehn Jahren Pause.“
Die Erfolgswelle der beiden Österreicher Martin Kaschmann/Stephanie Kröll ging auch in Prad weiter. In guten 4:57:56,2 Stunden gewannen sie ihre siebte Etappe, der Gesamtsieg scheint ungefährdet. Die beiden Zillertaler, die in zwei Campingmobilen beim TAR unterwegs sind, um sich den Koffer- und Hotelstress zu ersparen, haben quasi durch ein Crowdfunding-Projekt ihre Teilnahme finanziert. In einem Camper übernachten Kaschmann/Kröll, in dem anderen ein Physiotherapeut und Koch, der auch gleichzeitig Filmemacher ist. Trotz der sieben Tagessiege erlebte Kröll ein stetes Auf und Ab beim TAR.
„Mal war ich völlig kaputt, mal lief es super.“ In Prad am Stilfserjoch musste Stephanie Kröll ans Limit gehen. Zurück zum Projekt TAR. Das Besondere an dem Objekt sind nicht nur die Campervans, sondern die beiden Betreuer. „Ich habe auf Instagram gepostet, Physiotherapeut für den Transalpine Run gesucht. Da hat sich sofort jemand gemeldet, der ganz tolle Arbeit leistet“, kommentiert Stephanie Kröll. Ganz billig ist das Projekt aber nicht für die beiden Athleten*innen aus dem Zillertal. Stephanie Kröll: „Mein Arbeitgeber, die Tiroler Klinik, hat etwas dazugetan, dazu auch unsere Eltern. Und den Rest haben wir von der Bank.“
Dieses Duell ist eines der spannendsten des gesamten TAR. Anton Steiner und Oswald Wenin, die beiden Südtiroler wollten es bei ihrer Ankunft in der Heimat wissen. In 4:22:34,7 Stunden liefen sie die viertschnellste Gesamtzeit. Einfach unglaublich.
Doch auch mit ihrem fünften Tagessieg haben sie die Führung in der Kategorie Senior Master Men noch nicht zurückerobert. 6:51 Minuten später liefen die Leader Anton Philipp/Seppi Neuhauser über die Ziellinie im verregneten Prad. Der Vorsprung auf Steiner/Wenig beträgt damit immer noch komfortable 22:17 Minuten. „Wir machen weiter bis zum letzten Meter, wir kämpfen, kämpfen, kämpfen“, wollte Anton Steiner noch nichts von einer Entscheidung in Sachen Gesamtsieg wissen. Zumal Anton Philipp im Downhill nicht seinen besten Tag erwischt hatte. Auf dem Schlinigpass hatten Philipp/Neuhauser drei Minuten Rückstand, im Tal dann sieben Minuten. Es bleibt also spannend bis zum letzten Meter.
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