Als die Sowjets 1989 mit ihrer „supertiefen Kola-Bohrung SG-3“ die sagenhafte Tiefe von 12.262 Metern erreichten, gerieten Gerüchte in Umlauf: die Bohrer drehen durch, als ob ein Hohlraum getroffen wäre.
Die Forscher hätten Temperaturen von 1100 Grad gemessen und verwirrt Messgeräte und hitzeresistente Mikrofone in den Schacht hinabgelassen. Die eigenartigen Klänge, die sie dort einfingen, hätten sie zunächst für Störgeräusche gehalten, dann, nach der Überarbeitung des Signals, aber eine grausige Entdeckung gemacht: Es waren menschliche Schreie, aus Tausenden gequälten Kehlen zugleich. Die Aufnahmen bei You Tube sind mittlerweile gelöscht. Zeitschriften wie „Christian Today“ und die renommierte „Birmingham News“ titelten: „Wir haben die Hölle angebohrt“.
In Bödefeld ist das Anbohren der Unterwelt nicht notwendig, die Eingänge sind sichtbar. Der Legende nach hielten die Wesen der Unterwelt, die Hollen, freundlichen Kontakt vor allem zu Kindern. Berichte dieser Art gibt es viele in Deutschland (siehe mein Bericht vom Schlaubetalmarathon). Vermutlich handelt es sich bei den kleinen, freundlichen Wesen, die im Verborgenen lebten, um Reste slawischen Bevölkerungsgruppen.
Auch in den Märchen von Frau Holle ergeht es der Stieftochter bei der „Alten mit den langen Zähnen“ besser als in der Oberwelt. Die Stieftochter muss in den Brunnen hinabsteigen um ein Spinnrad zu suchen. Die Brunnenwelt befindet sich gleichzeitig auch über den Wolken. Ganz einfach, weil Frau Holle (germanisch Holda) die Frau des Wodans ist, und damit zugleich die Mutter der Erde.
Mit dieser Recherche habe ich keine Angst vor dem Lauf. Wir sind ja auch nicht in Russland, sondern im Sauerland, in der Nähe von Winterberg. Und die Bezeichnung Hollenlauf bezieht sich eher auf die anspruchsvollen Steigungen. Doch es gibt da doch noch etwas Grausiges: Die „ Schwarze Hand von Bödefeld“!
Wer jetzt nicht mehr weiterlesen will: Hier die Kurzfassung: Der Hollenlauf ist eine super Entdeckung, ein erstklassiges Sahnestückchen und kommt ad hoc in die Rubrik „Meine Lieblingsläufe“.
Ich bin noch nicht richtig angekommen, da haut es mich schon um: Das Frühstücksbuffet ist im Startpreis (20-25 €) inbegriffen. Nicht so ein Jugenherbergen-Allerlei, sondern von der gehobeneren Sorte. Spitze! Übernachtung in der Turnhalle (5 € ).
Start ist um 9 Uhr an der Schule. Das ganze Dorf hilft mit, sehr familiäre Stimmung. Der Lauf wird nach den DLV Richtlinien durchgeführt, ist ein richtiger Wettkampf. Zeitnahme mit Sport-Ident.chip, den man geschenkt bekommt. Entgegen meiner Vorsätze laufe ich heute eine „Unterdistanz“, nämlich die 42 km, aber mit happigen 1146 Höhenmetern!
Ein Mann namens Buddo war fälschlicherweise grausam hingerichtet worden, weil er vom Sachsenkönig Widukind als Pferdedieb beschuldigt wurde. Als Bischof Ludgerus davon erfuhr, erweckte er den Mann wieder zum Leben, und aus Dankbarkeit nannte man diesen Ort Buodevelden (Boedefeld). Sorry, ich wollte ja schon längst losgelaufen sein. Interessanterweise war Boedefeld Mitglied der Hanse, da es reich an Eisen und Wolle war. So es reicht wirklich!
Die 101-km-Läufer, die auch auf 67 km verkürzen können, sind schon um 6:30 Uhr gestartet, die Marschierer (67 km +101km) am Vorabend um 19 Uhr, also mit ein bisschen „Biel-Feeling“.
Es gibt noch eine 13km- und eine 21km-Strecke, die aber auch nicht zu unterschätzen sind. Es gibt kein Gedränge, die Startzeiten sind stark versetzt. Knapp 40 Läufer beim Marathon, knapp 50 bei den 67 km und knapp 70 bei den 101 km. Dazu die Marschierer und Wanderer, macht zusammen ca. 700 Sportler. Die Website ist einmalig und erklärt jede Disziplin detailliert.
Die ersten 1,5 Km fährt ein Führungsfahrzeug voran, damit wir den Weg durch das sympathische Bödefeld auf die Naturlaufstrecke finden.
Die ersten 13 km sind zum Warmlaufen, wunderschöne Landschaft, super Luft, tolle Aussichten, die Sonne wärmt, der Ginster duftet und jede Menge Verpflegungsstände. Es gibt auch mein bevorzugtes isotonisches Getränk. Irgendwie sind wir auch am Hollenhaus vorbeigekommen, dort wo die Hollen in den mit grünen Flechten bedeckten Schiefergesteinen hausen, aber die sind schon lange nicht mehr gesehen worden. Was ich jetzt sehe sind hübsche Fachwerkhäuser, die sich in den steilen Tälern ducken, grüne Wiesen und Blumen.
In einer Nische des Kirchenturms von Bödefeld fand man bei Bauarbeiten im Jahre 1722 die Schwarze Hand! Es handelt sich hierbei um die mumifizierte rechte Hand eines Mädchens. Die Schwarze Hand ist scharf abgetrennt worden ...... Schluss jetzt! Mann! Die Leser wollen etwas über den Hollenlauf hören.
Zurück in Bödefeld beginnt der Ernst des Laufes. Es geht steil nach oben auf die Hunau, wie der 818 m hohe Berg genannt wird. Im Hintergrund ist der Kahle Asten (841) zu sehen, den die Langstreckler erklimmen müssen. Aber die Verpflegungsstellen sind schon der Hit! Die Hollen, die dort aushelfen, haben genausoviel Spass wie ich, hahaha.
Im Naturschutzgebiet liegen zwei eindrucksvolle Hochmoore, die rund 8000 Jahre alt sind. Da sind bestimmt auch schwarze Hände drin .... Aber ich ergattere erst mal ein Gläschen Sekt, es ist so stressfrei hier, ein Lauf wie ich ihn liebe.
Hier oben kommen uns jetzt die Langstreckler entgegen. Witzigerweise treffe ich Martin. Deswegen witzig, weil wir jetzt ausgiebig die Menuefolge für nächstes Wochenende in Hamburg besprechen können. Martin ist gestern um 19 Uhr für den 101 km Marsch gestartet, und sieht trotz der 2200 Hm recht frisch aus.
Dann verlässt die Marathonstecke in einem großen Bogen die Ultra-Strecke. Es wird einsam, sehr einsam im Hochwald.
Anscheinend wurde das Mädchen, dem die Schwarze Hand gehörte, ermordet. Das wird mehr als 300 Jahre her gewesen sein. Eine Prozeßordnung des Mittelalters sah vor, dass man, wenn ein Ermordeter gefunden wurde und dem mutmaßlichen Täter die Tat nicht nachtweisen konnte, sich auf eine "Gottesurteil" verließ. Man führte den vermeintlichen Täter zur Leiche des Ermordeten. Wenn nun die Wunden des Toten von neuem bluteten, dann galt der Angeschuldigte als überführt. Falls aber die Leiche bereits beerdigt war, so grub man sie wieder aus, schnitt die rechte Hand ab prüfte an ihr, ob sie beim Nahen des mutmaßlichen Mörders blutete oder nicht. Ja, so könnte es gewesen sein, aber warum hat man dann die Hand im Kirchturm versteckt?
Steil geht es hinunter ins Sorpetal. Der Sachenkönig Widukind hat der Sage nach - nee, Leute, jetzt wird es heftig! Es geht wieder hinauf auf die Hunau. Aber mal sowas von steil! Wenn da nicht zwei Wanderer hinter mir gewesen wären .... So habe ich mich zusammengerissen und bin doch da hoch.
Oben, vor dem Fernsehturm (km 30 sind geschaftt, ich auch) erstmal was Isotonisches, wenn ihr wisst was ich meine. „Wann kommt der Koks?“ werde ich gefragt. Ja, der Koks kommt um 18 Uhr, heisst eigentlich Patrik Cox und hat früher bei den Schürzenjägern gespielt, der heizt heute Abend im Ziel ein. Bis dahin werde ich angekommen sein.
Irgendwie kämpfe ich mich zur Nassen Wiese durch, ein Kasten Isotonisches im Schatten der Bäume ist die Rettung. Ich sehe die Hollen! Zwei Schmalzbrote, und mit lockerem Lauf geht es hoch zum Kreuzberg.
Wie? Km 38? Das ging flott. Die Verpflegungsstation Kreuzberg benötige ich nicht, ein Foto von den Helfern und runter geht´s - aber hallo! Es geht mal sowas von runter, da ist der Abstieg vom Inselsberg nichts dagegen. Ich hatte mal richtig Schmerzen in den Beinen, bin vielleicht auch seitlich gelaufen.
Dann sehe ich wieder ein paar holde Hollen, mache ein paar Fotos (soviel Zeit muss sein, der Leser will ja informiert sein), einen guten Eindruck und düse ins Ziel. Naja, der Hansi sitzt schon im Auto, der hat mal wieder irgendwie gewonnen und ich mache eine Pause in der Düserei, weil wir haben ja noch soviel zu besprechen. Die schwarze Hand hat er aber nicht gesehen. Dann mache ich mich gemütlich die Steigung hinauf zum Ziel.
Es soll ja jemanden an diesem Wochenende gegeben haben, der kam nicht zum Helgolandmarathon, weil keine Fähre ging. Hahahaha. Ich dagegen hatte einen wunderbar entspannten, wohl organisierten Lauf, mit Rundum-Verpflegung für 23 Euro und sehr viel Spaß. Das Gemeinsame zwischen all den Disziplinen (Läufer, Marschierer, Wanderer) hat mir sehr gefallen. Mann, ich wäre ja noch gerne geblieben, denn jetzt kommt der Koks und macht Bödefeld zu Schmiedefeld!
Ich bin dann aber zur Kirche, die 50 Meter habe ich noch geschafft. Die Kirche war offen. Schöne Kirche. Gucke links und rechts, will wieder raus. Und da sehe ich sie: Die Schwarze Hand! Ist schon makaber.
Alles super alles perfekt. Medaille und Urkunde, und vom Blitzgerät in Meschede noch ein scharfes Foto mit Handy in der Hand. Ich komm wieder! Einfach perfekt!
19.05.12 | Auch der Marathon: Ein echter Brocken |
Peter Ickert |