trailrunning.de

 
 
 

26.09.20 -

Mit Goethe, Schiller und Shakespeare um den See

Ob die vier Berühmtheiten jemals an diesem See waren, möchte ich bezweifeln. Aber sie haben uns bei der Runde um den viertgrößten See begleitet. Die Literaten mit sinnhaften Sprüchen, Störtebeker aber ganz konkret als isotonisches – wie üblich - Braukunstwerk. Das hilft.

Wer die deutschen Seen in ihrer Größen-Rangfolge nicht aufzählen können sollte, hier der Tipp: Es ist der Schweriner See gemeint. 61,5 qkm Fläche mit 61 km Rundherum-Trail. Als Eiszeitrelikt ist er umgeben von teils flachen, teils hohen Ufern mit recht sandigem Untergrund. Ein paar kleinere Inseln liegen mitten drin – er ist nicht besonders tief- und ein künstlicher Damm, der Paulsdamm, teilt ihn in einen Innen-  und einen Außensee. Ganz praktisch für uns, denn wer sich für die 61 km noch nicht so recht fit fühlt, kann eine 33 km Runde über den Damm laufen.

Jaa, eigentlich wäre das ja im März gewesen. Aber da war ja Meck-Pomm noch von der Außenwelt abgeschlossen. Immerhin konnte dank des unermüdlichen Einsatzes der Orga mit Frederick und Toralf der Lauf auf den September verlegt werden. Und es hat sich gelohnt! Jeweils 150 Starter für die lange und die kurze Runde wurden auf die Strecke gelassen. Zum 4. Mal. Im März 21‘, am 20., wäre es schon das 5. Mal. So langsam werden die Startplätze knapp… Denn dieser Event mausert sich zum Norddeutschen Kult-Ereignis!

 

 
© trailrunning.de 11 Bilder

 

Gemäß den Hygienevorgaben benehmen sich alle ganz folgsam und vorsichtig. In der Halle, in den Umkleiden und auf der Strecke. Klar – auch im Ziel und unter der Dusche! Alles bleibt in einem vernünftigen Rahmen. Der Start ist besonders: Alle 20 sec  bewegen sich 3 Läufer vom Zielbogen zum Schloss. Da liegt die Messmatte und ab da wird’s heiß. Unterwegs kann man genügend Eindrücke von Schwerins schöner Altstadt sammeln, vorbei an Kirchen und am Dom, über den Marktplatz, an diversen Regierungsgebäuden vorbei. Ist ja schließlich Landeshauptstadt. Das übliche Gruppenfoto fällt flach, mit dem Abstand zwischen uns schafft das ja kein Weitwinkel. Ganz unspektakulär traben wir gegen 8:30 über die Matte. Schön aufgelockert – Abstand!- am Schloss vorbei, in einen Park und am Seeufer längs.

Hier ist das Ufer allerdings teils bebaut oder abgesperrt, erst nach 1-2 km sind wir auf dem asphaltierten/geschotterten Radweg. Links der stille See, rechts noble Villen,  mit viel Kohle und Liebe zum Detail sehr ansehnlich hergerichtet. Wo bleibt nur der Trail? Kaum hat man sich die Frage gestellt, ist er da: Rauf zum Hochufer.  Ganz unvermittelt wird es schmal, steil und kurvig. Rauf und runter geht‘s, wie wir es lieben. Leider nicht so lange, denn es geht wieder auf den Radweg zurück. Schöne Blicke über den See tun sich auf. In Mueß mit seinen schönen alten Katen müssen wir das Ufer verlassen und einem Stück Straße folgen. Am Freilichtmuseum vorbei, dann über die hohe Störbrücke. Hier hat der See nämlich seinen Abfluss Richtung Elbe.

 

 
© trailrunning.de 23 Bilder

 

Da steht auch VP1 mit seinem Programm zur Stärkung. Unsere Laufrichtung ändert sich nun, ab hier grob nach Norden. Und nun fängt der Trail an, aber richtig. Zwei können anfangs unten am See oder oben am Hochufer noch nebeneinander traben. Schöner, weicher Boden federt die Schritte ab, gelegentliche Baumhindernisse halten die Biker fern. An einer Stelle ist sowieso Schluss für sie, da geht’s nur noch zu Fuß weiter.

Es ist so richtig fordernd, was nun kommt. Der schmale Pfad schlängelt sich durchs Gestrüpp, dann mal hoch, mal runter. Über nasse Gräben, am Steilhang längs. Hangeln an Bäumen und Ästen, denn – der See lädt zum Bade! Wer nicht aufpasst, wird nass. Und das über viele Kilometer. So wird Kult gemacht.

So besonders schnell komme ich nicht voran und sehne mich bereits nach VP2. Erst noch an alten Bootshäusern vorbei, noch ein paar kmchen, dann – Labsal für Körper und Geist. Wie sich zeigt, sind wohl alle schon durch. Das wirft mich nicht um, aber in den Lehnstuhl. So ein Pech, es ist schwierig, da wieder rauszukommen. Aber die netten Gespräche mit der VP-Mannschaft machen es möglich.

In der irrigen Annahme, das Schlimmste sei geschafft, folge ich nun einer Spur am Waldrand. Rechts der Acker, links der Abhang, immer nur berghoch. Und aufpassen muss ich, wo ich hintrete: ein Jäger hat in der Nacht ein Wildschwein aufgebrochen und – gar nicht jagdgerecht- das ganze Geschlünze einfach am Weg liegenlassen. Der Fuchs freut sich, keine Frage. Uns zartbesaiteten Läufern kommen da schon andere Gedanken…

Oben auf dem Berg ist die Halbmarathon-Marke erreicht. Über drei Stunden bis hierher, so richtig gut geht’s mir gerade nicht. Irgendwie seekrank fühle ich mich. Erstmal runter an den See. Dort befindet sich die Streckenteilung: Nach Norden am Seeufer auf gutem Weg oder an der B104 über den Damm zurück. Laut und ungemütlich. Egal, das lange Stück traue ich mir nicht mehr zu. Ich biege ab und bereue es sofort. Lärm und Gestank von der 104, über 2 km. Nach dem kultigen Trail ein herber Kontrast. Aber so ist das nun. Es gibt zwei Brücken, die über schiffbare Kanäle führen, mit denen Außen -und Innensee verbunden sind.

 

 
© trailrunning.de 23 Bilder

 

Ein kurzes Straßenstück noch, an einem Hotel vorbei, zum VP6. Da holt mich der Sieger der 33km ein, flitzt vorbei, nimmt gnädig unseren Applaus entgegen.1 ¾ Stunde hat er weg. Ich fast 5. Jaja, die Jugend von heute…

Störtebeker hilft mir aus der Depression wieder raus. Versteckt steht der Kasten unter dem Tisch. Und sieh mal an, gewisse Lebensgeister kommen wieder ins Spiel. Es flitzen mit Abstand noch ein paar 33er vorbei, einer trinkt sogar was. Das hätte ich nicht gedacht, aber er hat auch 5 Min Rückstand. Da muss man was tun.

Auf geschottertem Weg geht’s bergauf weiter, der führende 61er trabt munter vorüber. Oben biegt der Weg scharf links ab, wieder mal geht’s am Feldrand längs, dann runter in einen Wald. Einen richtig dunklen,  kaum kann man den Weg erkennen. Schließlich durch Gestrüpp und hohes Unkraut und letztendlich steil einen kleinen Hügel hoch. Aufpassen, scharf links geht’s wieder runter zum See, nicht etwa oben gemütlich weiter geradeaus. Obwohl das so schön wäre.

Unten, am Waldrand, laufen wir über schönes Gras, wellen wir uns die kleinen, sanften Hügel rauf und runter.  Die Schafe schauen uns etwas irritiert zu. Berg hoch und wir sind wieder auf dem Schotterweg. Und der bleibt uns erhalten bis ins Ziel. Es sind noch einige Passagen bergauf, nicht technisch, aber es drückt doch den Schnitt runter. Wenigstens kann man es bergab rollen lassen, wenn denn die Körnchen noch reichen. Alternative: Würdig schreiten und Shakespeare zitieren!

Wir folgen dem Ziegelsee, einem Arm des Innensees. Die Häuser sind alle modern, das bleibt bis zur Werdervorstadt auch so. Es ist eine schöne Uferpromenade.  Gegenüber kann man den blauen Kran sehen, das Ziel. Eine Straßenbrücke zum anderen Ufer und dann- die Zielgerade! Auf dem Rasen unter dem Kran durch. Mit begeisterndem Applaus von allen Fans. Jeder wird persönlich begrüßt, es gibt die Medaille und eine Lauf-Maske. Für die eiligen wohl auch die Urkunde. Meine phänomenale Laufzeit mit 5:12 wird leider für die 33er Strecke gewertet- ich stehe also als Tiefflieger da! An der Korrektur arbeite ich aber noch.

 

Fazit

 

Ein wirklich außergewöhnlich schöner Traillauf mit höchst abwechslungsreichen Strecken wird den verdienten Kultstatus erhalten, da bin ich ganz sicher. Für die Austragung im März muss man wohl zusätzlich mit verschärften Wetterbedingungen rechnen, Frost und Schnee sind möglich. Also: Der ausführlichen Ausschreibung ruhig glauben. Das stimmt alles. Der guten Orga sei es gedankt! Und nicht vergessen, Schwerin verdient auch noch eine ausführliche Besichtigung.

 


 
Zurück zur Übersicht
 
 
 
 
 

Kontakt

Trailrunning.de
Klaus Duwe
Buchenweg 49
76532 Baden-Baden

07221 65485

07221 801621

office@trailrunning.de