Die West-Bürgerin Gisela hörte ein kleines Kätzchen hinter der Mauer miauen. Sie nahm kurzerhand eine Leiter und ließ einen Korb mit Fleisch hinunter. Das Kätzchen wurde so unter den Augen der Grenzer, die auf dem Turm das Geschehen beobachteten, eine West-Katze.
Die Grenze bog im rechten Winkel nach Norden ab. Hier war zwischen 1973 und 1977 ein großes Loch in der Mauer. Es wurde für den Transport von West-Berliner Abfällen über eine eingezäunte Straße eingerichtet. Als Stadt ohne Umland war Westberlin auf die Abfallbeseitigungs-Verträge mit der DDR angewiesen. Ein Stück Straße (Kölner Damm) zeugt von dem ehemaligen Durchlass.
Bei km 25 Gedenkstein an die „gewaltlose Öffnung der Grenzanlagen. Gedenkkreuz für Horst Kullack (23), erschossen 1971.
Am Kirchenhainer Damm ist km 32 und der VP3 erreicht. Direkt an der Bahnstrecke, die damals stillgelegt war, kam 1966 Eduard Wroblewski (33) im Kugelhagel zu Tode.
Der nächste Abschnitt des Mauerwegs gehört landschaftlich zu den schönsten und trostlosesten. Keine Grenzanlagen mehr, aber ein krasser Übergang von der Stadtkante (West-Berlin) und freiem Feld (Ostberlin), unterbrochen von dem 12 Kilometer langen geteerten Mauerweg, deutet immer noch auf die gewaltsame Teilung hin. Sehr bizarr: Ein Foto der Gropiusstadt, welches die Trennung von Ost und West verdeutlicht.
Der Grenzstreifen ist stark zugewachsen. Zwischen den Birken Pilzsucher. Auffallend die vielen Bäume der Traubenkirsche. Ich koste einige der Früchte, mir reißt es den Magen weg und dann von den Füßen. Der Mauerweg ist holprig, Nahtstellen im Asphalt und Wurzeln machen das Laufen nicht einfach.
Ein Schrei, die Kamera fliegt in hohem Bogen weg. Die Uhr zerschmettert, Ellbogen ramponiert und Knie blutig. Dazu starke Magenschmerzen, unwichtig in diesem Bericht. Bis zum vierten Verpflegungspunkt puhle ich mir die Steinchen aus den blutenden Handballen und versuche die Kamera zu reparieren. Ersatzkamera.
Links, in Brandenburg, sprengte die DDR das Gut Osdorf in die Luft. Es stand zu nahe an der Grenze.
Dann das Areal der Geisterstadt. Bis Anfang 1990 wurde das militärische Sperrgebiet von der US Armee als Truppenübungsplatz genutzt.“Park Range“ wurde 1994 verlassen und ist nicht zugänglich.
Am Teltowkanal entlang bis zur Knesebeckbrücke führt der alte Postenweg schnurgerade entlang. Rechts das Wasser, links steht noch der dichte, metallene Grenzzaun. Nun trennt der Zaun Privatgrundbesitzer von Joggern, Radlern und Wanderern.
Ein Gedenkstein „für ein unbekanntes Maueropfer“. Ein Opfer ist Roland Hoff (27), der 1961 durch den Kanal nach Westberlin schwimmen wollte. DDR-Grenzsoldaten gaben 30 Schüsse auf den Flüchtenden ab, er versank im Wasser.
Auch Peter Maedler (20) versuchte 1963 hier durchzuschwimmen. Die West-Feuerwehr barg seinen Leichnam auf DDR-Territorium. Zahlreiche Fluchtversuche führten über den Teltowkanal, die meisten endeten tödlich.
West-Berliner Kontrollpunkt Dreilinden. Alte Fotos, von der Königswegbrücke, guter Blick.
Ganz bitter, wie der 15monatige Holger H. 1972 starb: Holger sollte nicht in der Enge aufwachsen, in der seine Eltern ihre Kindheit verbringen mussten und unter der sie als junge Erwachsene litten. In der Januarnacht hielt der Lastwagen eines West-Berliner Bekannten auf einem Parkplatz der Transitautobahn. Das Ehepaar bestieg mit dem 15 Monate alten Sohn die Ladefläche und wurde in geräumigen Kisten versteckt. Der 23-jährige Vater in einer, die 20jährige Mutter und das Kind in einer anderen Kiste. Die Nerven des Flüchtlingspaares waren dem Zerreißen nahe, als der Junge während der Kontrollen am Grenzübergang Drewitz zu weinen begann. Vergeblich versuchte die Mutter, ihren Sohn zu beruhigen, und hielt ihm in ihrer Panik den Mund zu. Der kleine Holger hatte eine Mittelohrentzündung und eine Bronchitis.... Mir ist schlecht.
Wie sagte der Ost-Berliner im Zug: „Es war alles nicht so schlimm.“
Am Königsweg, der barocken Achse der preußischen Könige von Potsdam nach Berlin, starb Willi Marzahn(21) im Feuergefecht. Der Unteroffizier der NVA wollte 1966 mit einem Kollegen fliehen. Dieser erreichte auch West Berlin. Der Berliner Forst ist hier dicht und dunkel, wie damals.
Dann folgt „Checkpoint Bravo“, er musste von den West-Alliierten auf ihrem Weg von Helmstedt (Bundesrepublik, „Checkpoint Alpha“) genutzt werden. Etwa einen Kilometer hin und einen wieder zurück laufen wir, um zum VP 6 am Checkpoint Bravo zu gelangen. Hier an der alten Autobahn war der Grenzübergang Drewitz. Die Raststätte und Reste des Kontrollpunktes sind noch erhalten. In der Nähe wurde 1965 der Westberliner Hermann Döbler (42) erschossen, als er versehentlich mit seinem Sportboot in das DDR-Grenzgewässer geriet. Er wusste nicht, dass die Grenze schon 100 Meter vor der Wassersperre beginnt.
Carsten steht am Weg, hält eiskaltes Bier hoch. Mann! Vielen Dank. In Bierlaune quatsche ich einen Bewohner an. Ja, wir sind auf der Ostseite der ehemaligen Mauer. Hier vor seiner Haustür, direkt davor, war dieses Monstrum. Jede Wochen kamen “DIE“ und kontrollierten seinen Keller, ob dort gegraben wird. Besucher mussten sich eine langwierige Genehmigung einholen.“Scheiße war´s“ sagt er, „die haben meine Jugend zerstört!“
Pumuckl, Ihr wisst, wen ich meine, und ich, wir sind beide keine Trauerbeutel in der Gemeinde. Es ist schon bitter - wir laufen aus Freude und dann triffst du jemanden, der seiner ersten Freundin nach Monate langen Verhandlungen einen Passierschein von der DDR Regierung besorgte, um sie zu knutschen.
VP 5, km 48 ist erreicht. Ersatzkamera, kein Akku mehr. Während des Laufens habe ich 1 Std mit der anderen Kamera gekämpft. Gott sei Dank, sie funktioniert wieder.
Grenz-und Hafenanlagen der DDR-Wasserkontrollstelle, ein gesprengter Brückenkopf und alte Schleifen von BVG Bus-Endhaltestellen erinnern immer noch an die Teilung.
Gedenkkreuz für Karl-Heinz Kube (17), durch einen Kopfschuss getötet. Sein Fluchtkumpel Detlef S. wurde unverletzt verhaftet.
Viele Menschen wussten nicht, dass die Mauer nicht die Grenze zur DDR war. Die eigentliche Grenzlinie verlief einige Meter davor. So wurden mindestens 12 Menschen hinter der unsichtbaren Grenze, auf der West-Berliner Seite der Mauer erschossen. Das ahnungslose Parken des Autos an der Mauer führte manchmal dazu, dass der Halter bei der nächsten Transitstreckenfahrt einen saftigen Strafzettel erhielt, oder dass das Auto beschlagnahmt wurde und gegen Westgeld zurückgekauft werden musste.