Liebt Ihr die Natur und möchtet sie auch schützen? Seid Ihr mit Freude zu Fuß unterwegs, gerne auch laufend? Wollt Ihr einmal etwas ganz Besonderes erleben? Dann seid Ihr beim Urwaldlauf in der Nähe von Saarbrücken genau richtig.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) regte 1995 an, großflächige Waldschutzgebiete im Deutschland auszuweisen. Weil der Braunkohleabbau im Saarland zu dieser Zeit schon rückläufig war, traf die NABU-Initiative hier sofort auf fruchtbaren Boden. Eingebettet in den Saarkohlewald wuchs das Projekt "Urwald vor den Toren der Stadt“. Gemeint ist die Saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken.
Seit 1997 wird dort, im "Urwald" auf eine wirtschaftliche Nutzung des Rohstoffes Holz verzichtet. Dadurch kann sich die Natur in der ihr eigenen Weise entfalten. Umgefallene Bäume, ausgewaschene Wege, Baummoose, farbenprächtige Pilze, Blüten und bizarre Flechten überwuchern die Zeichen der Zivilisation, verloren geglaubte Arten ursprünglicher Wälder und Auen kehren zurück.
Aber der Urwald soll kein menschenfeindlicher Ort werden. Im Gegenteil: die Bevölkerung ist eingeladen, an diesem Veränderungsprozess teilzuhaben. Mit Schautafeln und Erlebnisstationen werden die ablaufenden Prozesse verdeutlicht und vor allem Kinder sollen dabei mit allen Sinnen den Urwald erleben dürfen.
Dazu passt es auch, in diesem einmaligen Schutzgebiet eine Laufveranstaltung anzubieten. Doch hier steht nicht nur der Läufer mit seiner sportlichen Leistung im Vordergrund, sondern genauso der Schutz der Natur. Für winziges Startgeld, das eigentlich eine Spende darstellt, bekommt man eine personalisierte Startnummer, den Chip für die elektronische Rundenzählung, der später wieder zurückgegeben wird, eine stilechte Medaille aus Holz und eine Urkunde, die vor Ort ausgedruckt wird. Die Verpflegung ist phänomenal; dafür sollte man aber seinen eigenen Becher mitbringen. Das Wegwerfen von Abfall ist bei diesem Lauf strengstens verboten.
Die Sieger bekommen eine Baumpatenschaft im Rahmen des Projektes „Wertvoller Wald durch Alt- und Totholz“ des NABU Saarland. Und zu guter Letzt erfolgt auch noch eine Kompensation des CO2-Verbrauchs für die Anreise der Teilnehmer und die Veranstaltung.
Das Besondere dieses Laufes ist, dass man während der 6 Stunden, die die Veranstaltung dauert, seine Startzeit und die individuellen Laufzeit frei wählen kann. Motto ist hier: „Mach doch was Du willst!“ Man braucht sich also nicht zu wundern, wenn nach 4 Stunden frische Läufer an einem vorbeiziehen.
Norbert und ich sind schon vorab vom Konzept begeistert und können es kaum erwarten, bei diesen netten Lauf dabei zu sein. Wie angekündigt gibt es genügend Parkplätze bei der Urwaldscheune Neuhaus mit Zentrum für Wildnis und Waldkultur des NABU. Die Startnummer und einen Stoffbeutel bekommt man drinnen. Auf dem großen Vorplatz ist das Starttor mit Zeitmessung im abgesperrten Laufkanal bereits aufgebaut. Daneben sind die Helfer dabei die Verpflegung vorzubereiten. Ich sehe Schmalzbrot, diverses Obst, Studentenfutter, Salzbrezeln und Honigkuchen. Wir haben die obligatorischen Becher zu Hause vergessen. Bereitwillig wird uns mit einem Kunststoffbecher ausgeholfen, der mit der Startnummer beschriftet wird.
Kurz vor 10 Uhr ruft Hendrik Dörr, offizieller Ansprechpartner des Laufs, zum Briefing. Danach eröffnet der jüngste Läufer Liam (ich schätze mal, er ist noch keine 6 Jahre alt) unter dem Applaus der Zuschauer mit einer kleinen Runde das Event. Punkt 10 erfolgt dann der offizielle Startschuss.
Zunächst geht es auf einem hoch mit Hächselschnitt bedecktem Weg im Zickzack bergab. Große, futuristisch anmutende, weiße und braune „Eier“ entlang des Weges sind begehbar und beherbergen unterschiedliche Themen zum Verweilen und Staunen. Dafür haben wir natürlich keine Zeit. Scharf links kreuzen wir die Zufahrt zur Urwaldscheune, der Weg ist nun leicht geschottert und führt immer noch bergab. Bei der geschnitzten Wildsau geht es über einen Baumstamm scharf rechts auf einen wurzeligen Singletrail. Plötzlich biegt dieser scharf links ab und der Trail mündet auf einen breiten, aber sehr unwegsamen Schotterweg. Da das Gefälle etwas stärker wird, lassen wir es laufen. Noch ist das Feld zusammen, wenn auch durch den hinter uns liegenden Single-Pfad bereits leicht entzerrt.
Ein steiniger recht abrupter Abzweig führt uns nach rechts auf einen weiteren Singletrail. Hier gibt es keine Wurzeln und das leichte Gefälle gibt zusätzlichen Schwung. Aber Vorsicht, der Weg endet an einem weiten Graben und einem scharfen Abzweig nach links. Auf einem weiteren breiten Schotterweg rollen wir immer noch bergab.
Aber es kommt wie es kommen muss: hinter dem nächsten Abzweig geht es dann bergauf. Die meisten laufen diesen Abschnitt hinauf, denn die Steigung ist noch moderat und nicht allzu lang. Nach einem kurzen Flachstück führt uns der Weg weiter hinauf. Ich falle ins Gehen. Hinter der nächsten Rechtskurve traben wir auf breitem Schotterweg nochmal leicht bergab, bevor es dann richtig zu Sache geht.
Wir springen einen steilen wurzeligen Hang hinauf, wo es ebenso unwegsam, wenn auch nicht ganz so steil, weitergeht. Teilweise hinter Gebüsch verborgen liegen die beiden Neuhausener Waschweiher, wo wohl zu Zeiten des Neuhauser Hofes von Fürst Wilhelm Heinrich, Wäsche gewaschen wurde. Ein schmaler Pfad führt hier durch den lauschigen Forst. Dann geht es über eine kleine Holzbrücke. Etwas zickzack und über einen Baustamm, dann liegt das größte Hindernis des Laufs vor uns: eine etwa 8 Meter hohe Rampe. Es gibt tatsächlich Läufer, die während der gesamten Zeit hier hinauf gelaufen sind. Viele waren das aber nicht.
Oben geht es auf den Weg der Liebenden, einem gemütlichen schmalen Schotterweg, am Waldrand entlang. Dann folgt der einzige asphaltierte Abschnitt Richtung zweiter Zufahrt zur Urwaldscheune und dort hinauf. Oben angekommen, geht es in den Hof der Urwaldscheune, wo sich Start und Ziel, sowie die Verpflegung befindet. Die gesamte Runde hat ca 1,9 km und 46 Höhenmeter. Wer also einen Marathon laufen will, muss mit über 1000 Höhenmetern rechnen. Das ist kein Pappenstiel.
Schnell merke ich, dass mir die Runde liegt. Die erste Hälfte geht bergab, da kann ich‘s rollen lassen. Bergauf mach ich es mir gemütlich. So vergehen die ersten 5 Runden wie im Flug. Eine erste Pause habe ich mir nun redlich verdient. Ich stärke mich mit Wasser und Schmalzbrot. Obwohl die Sonne scheint, ist es im Schatten recht kühl. Trotzdem brauche ich keine Jacke mehr. Die Anstiege treiben den Puls in Höhe und mir ist schnell warm. Ich nehme Tempo raus.
Im Laufe der 6 Stunden erkenne ich viele verschiedene Läufertypen. Da sind natürlich die Cracks, die von Anfang bis Ende ihr Tempo durchziehen. Dann die Ambitionierten, die für irgendetwas trainieren und hier unter Wettkampfbedingungen eine lange Laufeinheit einlegen. Sie halten gerne mal ein Schwätzchen, sind aber flott unterwegs. Die Normalos kommen später und/oder hören früher auf, wollen laufen, solange es Laune macht und die Atmosphäre genießen. Und sogar ein paar eigentlich Unsportliche laufen für ihre Mannschaft ein oder zwei Runden und haben ihren Spaß.
Meine besondere Bewunderung gilt denen, die hier ihren ersten Marathon laufen. Für so ein Vorhaben gibt es sicherlich einfachere Strecken, aber vermutlich keine, auf denen man mehr Spaß haben kann.
Für die letzte Runde bekommen die Läufer einen kleinen Holzklotz, welcher am Ende der 6 Stunden auf den Boden gelegt wird. So muss man nicht warten, bis die Restmeter vermessen sind und kann sofort das hart erarbeitete Zielbier genießen.
Fazit: Ich bin von diesem Lauf restlos begeistert und habe keine Kritik. Die Strecke ist anspruchsvoll aber nicht schwer zu laufen. Die Verpflegung wird durch Mitglieder des NABU gestemmt und könnte nicht besser sein. Das Konzept ist genial durchdacht und ebenso ausgeführt.
Übrigens: Neben dem Hartfüsslertrail und ein paar abgefahrenen Utraveranstaltungen ist unter der Regie von Hendrik Dörr ein neuer Lauf mit Halbmarathon und Marathon für Mai 2019 in Planung. Zielgruppe sollen Traileinsteiger sowie ambitionierte Alpentrailer und alle Laufliebhaber dazwischen sein. Sobald die Genehmigungen stehen, wird die Ausschreibung online gehen.