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23.06.18 - Achensee Trail Hero

Revier für einsame Helden

17 Uhr. Ich stehe oben am Steinernen Tor im Rofangebirge. Noch 1000 Höhenmeter Abstieg, dann werde ich rechtzeitig das Ziel erreichen, um pünktlich zum Anpfiff des WM-Spiel Deutschland-Schweden im Hotel zu sein. Vor zehn Stunden hätte ich nicht damit gerechnet, heute etwas vom Fußball zu sehen, doch nun bin ich zwei Stunden früher hier oben als erwartet. Aber obwohl ich heute schneller gelaufen bin als gewohnt, liegt dies nicht an meinem Tempo. Enttäuschung über neun fehlende Kilometer und Freude über einen interessanten Trail-Tag halten sich in mir die Waage. Doch jetzt genieße ich zuerst den schönsten Teil der Strecke und renne mit Begeisterung den Trail hinab.

Bei der Premiere dieser Veranstaltung stehen 15 km mit 700 hm, 35 km mit 2100 hm und 68 km mit 4100 hm zur Wahl. Ich will die lange Distanz laufen, die mit fünf großen Auf- und Abstiegen rund um Tirols größten See führt. Insgesamt haben sich 200 Leute angemeldet, aber um 7 Uhr stehen am Start des Ultramarathons nur 30. Da sich viele von denen vermutlich angemeldet haben, weil es ein Qualifikationslauf für die Skyrunning World Championships ist, sind die meisten sicherlich  schnelle Läufer.

Außer dem Trail Hero waren hier für dieses Wochenende auch eine 12-Stunden und eine 24-Stunden Wanderung angekündigt. Diese mussten aber aufgrund zu weniger Anmeldungen abgesagt werden.  


 
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Schon wenige hundert Meter nach unserem Start vor der Mehrzweckhalle in Achenkirch geht es steil bergauf. Vor mir rennen sie alle los, als wäre dies ein kurzer Bergsprint. Schon nach fünf Minuten sehe ich auf dem steilen Trail vor mir nur noch einen einzigen Läufer. Und als dieser nach dem ersten, sehr anstrengenden Aufstieg zur Zöhreralm auf einem breiten Forstweg bergab Gas gibt, bin ich ganz alleine unterwegs. Nur einmal werde ich ihn später noch für kurze Zeit sehen, auf dem Rest der Strecke umgibt mich nur die Stille der Berge.  

 

 
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 Am Ortsrand von Achenkirch ist schon die erste Verpflegungsstelle. Die Abstände zwischen den VPs sind für einen Ultratrail recht gering. Die Streckenmarkierung ist hervorragend. Mit leichtem Auf und Ab geht es nun auf breiten Wegen nordwärts, dann auf der anderen Seite des Tales bergauf, mal auf breiten Wegen, mal auf Trails. Bei der Falkenmoosalm genieße ich das kühle, aber sonnige Wetter und laufe frohgemut weiter. Schon geht es wieder bergab.

 

 
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Bald  bin ich wieder unten am Ortsrand von Achenkirch. Nun führt ein teilweise sehr steiler, aber wunderschöner Trail durch den Wald bergauf. Ich bin froh, hier meine Stöcke nutzen zu können! Auch mein Training zahlt sich aus und ich komme für meine Verhältnisse recht gut voran. Endlich endet die Anstrengung. Mit einem steten Wechsel zwischen Auf- und Ab braucht man für den Weg zur Feichtenalm deutlich länger als erwartet. Bald geht es einen rasanten Trail hinab, später folgen wieder einige Kilometer auf einem breiten Forstweg, wo ich in hohem Tempo hinab sause.

Ein weiterer, recht steiler Trail führt nun wieder bergauf. Technisch ist die Strecke heute nicht allzu schwer, da gibt es in den Alpen ganz andere Kaliber, aber die steilen Aufstiege kosten Kraft. Der Pfad gefällt mir ausgesprochen gut. Noch mache ich mir wegen dem Zeitlimit keine Gedanken, denn ich fühle mich prima.  


 
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 Nach der Steilstufe im Wald wird es am Eingang eines Hochtales etwas entspannter, dann aber geht es links wieder steil hinauf. Schon von weitem sehe ich die beiden Helferinnen oben an der Verpflegungsstelle winken und höre auch ihre aufmunternden Rufe.  

Nur kurz halte ich mich oben auf. Eine Weile geht es wieder recht bequem über einen welligen, nicht zu schweren Trail. Dann folgen schöne Trails bergab.

Kurz durchquere ich das Skigebiet der Christlum-Lifte, dann geht es schnell zum Ufer des Achensee. Ein Wegweiser zeigt mir an, dass es für Wanderer zwei Stunden bis Pertisau sind. Dies erschreckt mich ein wenig, denn nun merke ich, dass die Zeit für mich knapp wird. Und wer glaubt, auf dem Weg entlang des Sees in hohem Tempo laufen zu können, liegt völlig falsch.  Schon am Eingang des Gaisalmsteig zeigen Warnschilder an, dass man hier Trittsicherheit braucht. Fünf Kilometer weit kann ich zwischendurch immer mal wieder kurz laufen, vor allem geht es aber häufig steil bergauf oder bergab, oft über Treppenstufen. Die hohe Zahl an Wanderern auf dem schmalen Weg bremst mich immer wieder. Aber schön ist es hier. Sehr schön! Jetzt verstehe ich, warum der Achenseelauf, der hier vorbei führt, so beliebt ist.  


 
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Trailrunning ist für den Tourismus in der Region Achensee inzwischen ein wichtiges Thema. 23 ausgeschilderte, teilweise auch kombinierbare Routen mit insgesamt 183 km Länge bieten gute Trainingsmöglichkeiten.

 Der letzte Kilometer bis Pertisau ist jetzt eine kinderleichte Sprint-Strecke. Pertisau kenne ich bereits vom Karwendelmarsch. Drei Mal kam ich hier schon ans Ziel. Und auch heute endet für mich der Wettkampf hier.

In der Ausschreibung stand, dass es unterwegs keine Cut-Off-Zeiten gibt. Jeder Läufer sollte sich die Strecke frei einteilen können, nur zum Zielschluss um 22 Uhr muss er rechtzeitig ankommen. Dies ist vor allem für mich gut, da ich während der ersten Stunden lieber langsamer laufe, um am Schluss noch genug Kraft zu haben. 15 Stunden für 68 km mit 4100 Höhenmetern  - ich bin überzeugt, dass ich es schaffe.

Aber dann verkündet man zehn Minuten vor dem Start, dass man jetzt doch in Pertisau eine für mich äußerst ungünstige Zwischenzeit  fordert . Hätte ich das vorher gewusst,  wäre ich nicht zum Achensee gefahren. Ich schaffe die 46 km mit etwa 3000 Höhenmetern bis Pertisau in 8:15 Stunden. Das ist ein Schnitt von 5,57 Kilometern pro Stunde. Damit bin ich angesichts der anspruchsvollen Strecke äußerst zufrieden. Für die restlichen 22 km mit nur noch 1100 Höhenmetern hätte ich jetzt eigentlich noch 6:45 Stunden Zeit bis zum angekündigten Zielschluss. Ich fühle mich aber noch gut und könnte deutlich schneller laufen. Aber Cut Off war hier schon nach 7:30 Stunden. Der Schlussläufer, der die Markierungen abhängt, ist schon weg.  

Ich komme mir trotz des verpassten Cut Off nicht wie eine Schnecke vor, mir bleibt aber trotzdem nichts anderes übrig, als meine Startnummer abzugeben, mit den beiden Helferinnen im Auto zur Talstation der Rofanseilbahn zu fahren, mit der Gondel hinauf, 30 Minuten über einen Höhenweg zur Dalfazalm, wo ich wieder die Trailstrecke erreiche. 9 km und 770 Höhenmeter fehlen mir dadurch.

Hier setze ich mich erst einmal auf die Terrasse und trinke ein alkoholfreies Bier. Zeit genug habe ich ja. Ich blicke über den See hinüber ins Karwendelgebirge. Als ich aufbreche, sehe ich unter mir gerade den Schlussläufer auf steigen. Also habe ich durch meinen "Abkürzungs-Umweg” eine dreiviertel Stunde aufgeholt.

 2,5 Stunden lang laufe ich bis zum Ziel ohne Wertung den schönsten Streckenabschnitt des Tages und kann in aller Ruhe die Landschaft und die Trails genießen. Beim den knapp 300 Höhenmetern Aufstieg bis zum Steinernen Tor fühle ich mich pudelwohl.  


 
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 Oben erreiche ich auf 1953 m den höchsten Punkt der Strecke. Da der Lauf immer unterhalb von 2000 m bleibt, verringert sich die Gefahr von Schnee.  Auch der herrliche Downhill-Trail auf der anderen Seite macht mir sehr viel Spaß. Kurze Gegenaufstiege bremsen mich etwas aus, aber die Strecke gefällt mir. Fast der gesamte Abstieg führt über Trails, nur ganz kurz geht es auf einem breiten Weg weiter. Zuletzt kommt auch wieder der Achensee ins Blickfeld.  


 
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Schon liegt Achenkirch zum Greifen nah vor mir. Doch drei Kilometer vor dem Ziel muss ich wieder ein Stück bergauf stapfen. Endlich wieder abwärts! Noch einmal kurz hinauf! Dann  erst folgt der letzte Sprint. Gegen 19:15 Uhr erreiche ich die Mehrzweckhalle, vor der gerade die Siegerehrung stattfindet. Bald nach mir kommt dann auch der Schlussläufer an. Ganz klar - die mir fehlenden 9 km hätte ich in den fast drei Stunden auf jeden Fall geschafft. Aber das Argument der Veranstalter, dass langsame, erschöpfte Läufer beim Abschnitt über das Steinerne Tor, wo man unterwegs nirgends vorzeitig absteigen kann, vielleicht am Abend Probleme bekommen hätten, zählt natürlich auch.  

Es bleibt zu hoffen, dass sich nächstes Jahr auch für die Ultradistanz mehr Läufer anmelden. Für schnelle Trailrunner, die eine anstrengende, aber technisch nicht allzu schwere Strecke suchen, ist der Trail Hero auf jeden Fall eine interessante Wahl. 

 

Informationen: Achensee Trail Hero
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