Die zweite Etappe am Dienstag (12. Juli 2011) führt von Alhama de Granada nach Jatar und geht über insgesamt 45 Kilometer. Das Streckenprofil ist heute um einiges anspruchsvoller gegenüber der ersten Etappe. Über 1300 Höhenmeter gilt es heute zu überwinden.
Zehn Läufer scheiden auf dieser schwierigen Etappe aus. Schon nach den ersten gelaufenen Kilometern wartet der erste Höhepunkt auf uns Läufer: die Schlucht von Alhama. Rauf und runter geht es, über Stock und Stein, immer der spektakulären Schlucht entlang. Hier macht der Einsatz von Trekkingstöcken definitiv Sinn, die einige Läufer einsetzen.
Spannend und abwechslungsreich geht es weiter Richtung Sierra Almijara, einer imposanten Gebirgslandschaft. Ein schmaler Singletrail führt zunächst nach oben, über Geröll, Felsen und Wurzeln. Der Charakter eines Ultra Trails kommt nun ganz klar zum Vorschein. Grandiose Ausblicke bekommt man hier geboten. Dichte Wälder, endlos erscheinende Felder und verlassene Plantagen lassen sich von hier oben ausmachen. Oben angekommen, schlängelt sich der schmale Pfad steil nach unten. Höchste Konzentration ist stellenweise gefordert.
Auch auf der heutigen Etappe sorgen sich die Motorradfahrer um die Sicherheit der Läufer. In regelmäßigen Abständen wirst du von einem überholt beziehungsweise kommt dir nach einiger Zeit wieder einer entgegen. Mit einem ausgestreckten Daumen erkundigen sie sich im Vorbeifahren, ob bei einem alles in Ordnung ist. Das Thema Sicherheit wird bei diesem Rennen groß geschrieben. Durch dichten Wald, der schon dschungelähnliche Züge aufweist, geht es wieder auf einen breiten, gut zu laufenden Weg. Ein letzter steiler Anstieg nach Jatar steht noch an und dann erreiche ich das Ziel an der El Nacimiento Campsite. Ein wunderschöner Campingplatz, der von zahlreichen Bäumen gesäumt ist und durch den ein eiskalter Bach fließt.
Der Bach fungiert als Dusche, Kühlschrank sowie Waschbecken gleichermaßen. Tische, Bänke und heißes Wasser stehen bereit für das Abendessen. Einen Höhepunkt bei diesem Rennen und generell bei Mehrtagesläufen stellen die Teilnehmer und die vielen bereichernden Gespräche dar. Ich sitze zusammen mit OJ aus Kanada, Vaughn aus England, Christine aus Island, Tina aus Schweden und Maria aus Mexiko an einem Tisch. Die persönliche und familiäre Atmosphäre fasziniert mich immer wieder bei Etappenrennen und motiviert mich zur Teilnahme. Du erhältst einfach einen intensiveren Kontakt zu deinen Mitläufern als bei anonymen Großveranstaltungen. Insbesondere die persönlichen Lebensgeschichten und der Austausch von Erfahrungen tragen zum besonderen Flair beim Al Andalus Ultra Trail bei. Es sind die Menschen, die solch ein Rennen zu einem besonderen Erlebnis machen. Dazu zählen nicht nur die Teilnehmer, sondern vor allem auch das Orgateam des Rennens.
Unglaublich hilfsbereit, sehr freundlich und zuvorkommend wirst du als Läufer bei diesem Rennen behandelt. Paul, der Renndirektor, Michelle, Eric und das gesamte Team von Axarsport sind fast rund um die Uhr für die Läufer da und nehmen sich sehr viel Zeit für sie, obwohl sie definitiv noch diverse andere Aufgaben zu erledigen haben. Ich fühle mich einfach sauwohl und sehr gut aufgehoben bei diesem Rennen.
Auf der dritten Etappe (13. Juli 2011) gibt es erstmals zwei Startgruppen. Die Läufer im Mittelfeld und hinteren Bereich starten um 9 Uhr, die schnellen Läufer um 9:30 Uhr.
Beim morgendlichen Briefing spricht Paul von einem „easy day“, von einer im Vergleich zum Vortag einfachen Etappe. Und die ersten zehn von insgesamt 43 Kilometern bestätigen seine Ankündigung. Denn dieser erste Streckenabschnitt verläuft komplett auf einer breiten, asphaltierten Strasse. Autos sind fast keine zu sehen. Es ist einfach eine sehr abgelegene Region in Andalusien, in der nur wenig Menschen wohnen und auch kaum Touristen auszumachen sind. Umso schöner ist es hier laufen zu dürfen.
Der Bermejales See, der einen herrlichen Kontrast zu den kleinen Ortschaften und großen Feldern darstellt, bildet eine traumhafte Kulisse auf diesen ersten Kilometern. Nach 35 gelaufenen Kilometern werde ich von Dariusz Strychalski aus Polen überholt, der erst dreißig Minuten nach mir gestartet ist. Dariusz ist für mich ein Phänomen. Er hatte vor ein paar Jahren einen schweren Autounfall. Seitdem ist er im Hüftbereich gelähmt. Wenn man ihn sieht, kann man nur schwer glauben, dass er länger laufen kann. Und vor allem schnell laufen kann. Er erzählt mir, dass er vor zwei Jahren den Spartathlon, eines der anspruchsvollsten Nonstoprennen der Welt, erfolgreich beendet hat. Ich ziehe den Hut vor ihm und habe einen riesengroßen Respekt vor seiner Leistung.
Die heutige Etappe vergeht wie im Flug und ich erreiche schon kurz vor 14 Uhr das Ziel an der El Bacal Campsite in Jayena. Am Abend wird den Läufern für wenig Geld leckere Paella angeboten.