„Was tun gegen Hitze?“ Die Frage meines liebsten Radiosenders ist falsch gestellt. „Gegen“ die Hitze lässt sich kaum was machen. Wohl aber „in“ oder „trotz“ der Hitze. Mein Tipp, einen Marathon in den Bergen zu laufen, nimmt man nicht ernst und man stellt mich nicht zum Moderator durch. Ich bin beleidigt, setze mich ins Auto und fahre ins Allgäu.
„Das Schlimmste bei Hitze? Untätig in der Sonne liegen!“ Wer solche Sprüche drauf hat, ist mein Freund. In Sonthofen treffe ich sie dieses Wochenende scharenweise. Zumindest gefühlt sind die Ultras in der Überzahl. Für meine Marathon-Startnummer ist zigfache Rechtfertigung erforderlich.
Das Problem ist mein rechtes Knie. Nach Davos (K42) konnte ich eine Woche nicht laufen. Aber am Freitag, kaum in Sonthofen angekommen, musste ich auf den Grünten (1738 m, Bilder im Anschluss an diesen Bericht). Nach dem Abstieg hätte ich gleich wieder heimfahren können. Die ärztlich verordnete Bandage ist bei Hitze mehr lästig als nützlich. Sie juckt, beißt und scheuert und ist eher was für den Liegestuhl. Da bekommt man aber keine Knieprobleme.
Rabea und Andy, die ihre Dienste (unter anderem individuelle Trailrunning-Touren) auf der kleinen Messe in der Werbe Blank Sports Arena vorstellen, wissen Rat. Kinesiotaping! Jeder hat doch schon mal die neumodischen bunten Klebestreifen an strammen Läuferbeinen gesehen. Normalerweise renne ich nicht gleich jeder Neuheit hinterher. Nur mal so als Beispiel: Nach fast 45 Jahren Führerschein habe ich mir jetzt zum ersten Mal ein Auto mit Automatik gekauft.
Zum Glück wird Kinesiotaping auf der Messe angeboten. Gleich liege ich bei Barbara und Andreas auf der Pritsche und schildere mein Problem. Die fragen nur: „Welche Farbe?“ Die kennen mich offenbar, wissen, mir ist das nicht egal. Ich sehe aber kein orange, verlange trotzdem danach. Schon zaubert Andreas aus der Kiste ein Klebeband in meiner Lieblingsfarbe und nimmt Maß. In ein paar Minuten bin ich getapt. „Wie fühlt es sich an?“ „Angenehm!“ „Ok, so soll es sein. Alles Gute für morgen.“ Das nächste Tape lasse ich mir nur wegen der Optik machen. Aber dann mit dem m4y-Logo drauf, denn alle schauen jetzt auf mein Knie.
Nach der Bergtour am Freitag, dem Power-Shopping im Allgäu-Outlet, dem geilen Läuferrucksack als Startergeschenk und dem Tape in Firmenfarbe fehlt jetzt zur optimalen Vorbereitung nur noch eine Ladung Kohlehydrate. Die hole ich mir nebenan, wo im Rahmen der Pastaparty OK-Chef Axel Reusch vom Laufladen dem Läufervolk die letzten Informationen mitteilt.
Als sich die Ultras am Sonntagmorgen um 6.00 Uhr auf ihren 69 km langen Weg machen, sitze ich beim Frühstück und kämpfe mit meinem Marmeladebrötchen. Richtigen Appetit bekomme ich dann um 8.00 Uhr, aber da muss ich auf die Strecke.
Wenn ich den Streckenplan richtig gelesen habe, gibt es beim Marathon 10 Verpflegungsstellen, teilweise auch mit Obst und Kuchen. Hört sich gut an, ist es auch. Aber ist es auch für jeden ausreichend? Ich rate dringend, nicht nur hier, sondern bei allen Läufen im Gebirge, eine Trinkflasche und je nach Vorliebe Riegel und Gel dabei zu haben. Das ist mindestens genau so einfach, wie hinterher auf den Veranstalter zu schimpfen, weil etwas vermisst wurde. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Erst recht, wenn der Veranstalter die Modalitäten bekannt macht.
Selbstverständlich ist der, der solche Ratschläge gibt, entsprechend ausgestattet. Nur auf den sonst obligatorischen Wind- und Regenschutz verzichte ich und, das aber letztmalig, auf die manchmal als „Gehhilfen“ verspotteten Stöcke. Hier sind sie nämlich offensichtlich erlaubt, denn ich sehe einige, die sich damit gleich beim ersten Anstieg Vorteile verschaffen. Ich erinnere mich an die erste Teilnahme am UTMB 2006, als Eberhard und ich die Stöcke schamhaft im Auto versteckten und wir dann auf der Strecke die so ziemlich einzigen Stocklosen waren.
Viel Zeit zum Einlaufen hat man nicht. Zudem scheint es die Taktik er meisten Läufer zu sein, bei jetzt noch einigermaßen angenehmen Temperaturen so viele Kilometer wie nur möglich zu absolvieren. Jedenfalls geht es auf dem Illerdamm und am Sonthofener See vorbei recht zügig zur Sache. Beim ersten Blick zurück stelle ich fest, dass ungefähr bereits 95 % des Feldes vor mir ist. Denn hinter mir sind nur noch eine fast geschlossene, ungefähr 10köpfige Gruppe und der „Besenbiker“. Das kann mich nicht davon abhalten, diesen herrlichen Sonntagmorgen weiter zu genießen. Ungewöhnlich für einen heißen Sommertag ist die phantastische, schier unendliche Sicht.
Unübersehbar ist der majestätische Grünten, der den Allgäuer Bergen vorgelagert ist. „Wächter des Allgäu“ nennt man ihn deshalb auch. Unübersehbar ist auch der 94 m hohe Sendeturm des Bayerischen Rundfunks. Von Rettenberg aus gibt es zur Versorgung der Sendeanlage eine Seilbahn, die im Sommer immer am Donnerstag für die Öffentlichkeit geöffnet ist. Allerdings werden nur max. 200 Leute befördert. Schöner ist Laufen oder Wandern. Ab Burgberg (Parkplatz Alpenblick) braucht man ungefähr 90 Minuten. Eine andere Möglichkeit hat sich der Augsburger Fürstbischof Clemens Wenzelslaus 1773 einfallen lassen. Er ließ sich auf einem Sessel von 56 Bauern auf den Gipfel tragen.