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11.08.19 - Allgäu Panorama Marathon

Schnell wie nie

Ein Klassiker steht auf unserem Programm: Der Allgäu Panorama Ultra Trail mit Start und Ziel in Sonthofen findet dieses Jahr zum 13. Mal statt und zieht viele Läufer an, darunter etliche „Wiederholungstäter“, die ab zehn Teilnahmen in den „Allgäu Legends Club“ aufgenommen werden. Zusätzlich angeboten werden die Marathondistanz, der 2018 eingeführte „Hörnerlauf“ über eine 18 km lange Strecke sowie ein eher flacher Halbmarathon.

Ich möchte nach 2016 zum zweiten Mal den Ultra in Angriff nehmen. Damals hatte ich mich mit dem Tempo etwas verrechnet und musste nach 40 Kilometern abreißen lassen. Im Ziel war Judith 56 Minuten vor mir und ich absolut fertig. Damit steht auch meine Zeitvorgabe fest: Unter 11:14:37, der Zeit von Judith aus dem Jahr 2016. Noch besser wäre natürlich ein gleich großer Abstand in die andere Richtung, also 10:18:00. Aber man sollte die Erwartungen nicht zu hoch schrauben, denn der Lauf mit seinen gut 69 Kilometern Länge und 3.300 Höhenmetern auf und ab ist immer für eine Überraschung gut.

Judith und ich benötigen von München aus zwei Stunden für die Autofahrt in die gut 21.000 Einwohner zählende Kreisstadt am Nordrand der Allgäuer Alpen. Sportler aus dem Norden, welche die A7 nutzen, geraten an diesem Samstag in den großen Urlaubsverkehr und werden von diversen Staus berichten können. Die Startunterlagen erhalten wir in der Baumit-Arena. Einfach zu finden, wenn man den Hinweisschildern zum Wonnemar-Bad folgt. Die Sporthalle liegt gleich dahinter. Dort finden am Samstag noch ein 5-km-Lauf und ein Kinderlauf statt.

Im Teilnahmepreis enthalten ist eine Pasta-Party mit Nachschlagmöglichkeit. Zusätzlich zur Startnummer gibt es viele schöne Sachen, darunter ein Rucksack, eine Schirmmütze, Socken, ein Big-Mac-Gutschein, der freie Eintritt ins „Wonnemar“ sowie eine Rabattkarte vom allgäu-outlet, dem Hauptsponsor seit mehr als zehn Jahren. Für 17:30 Uhr ist eine Informationsveranstaltung angesetzt. Nahezu alles Wissenswerte war auch dem schönen Infoheft zu entnehmen.

Einige Läufer, die sonst oft als Marathon-Pacer fungieren, haben sich hier zu einem ausnahmsweise „privaten“ Lauf versammelt. Dirk und Volker, die wir schon öfter getroffen haben, decken im deutschlandweiten Einsatz oft unsere Zielzeiten um die vier Stunden ab. Und wir lernen Harald kennen, der meist als Fünf-Stunden-Pacer unterwegs ist, aber natürlich mehr drauf hat und beim APUT in der Altersklasse punkten möchte.

 

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Eine kleine Besonderheit gibt es am Lauftag: Der Start findet diesmal nicht am allgäu-outlet statt, sondern am Gymnasium auf der anderen Seite der Schnellstraße. Die Unterführung ist zurzeit wegen Sanierung gesperrt.  Nachmeldungen wären zur frühen Stunde noch möglich. Taschen für den Zielbereich und für den Wechselbereich am Hörnlepass bei km 32 können abgegeben werden. Viele Teilnehmer haben ihr Fahrzeug jedoch zwischen Start und Ziel abgestellt und können so auf den Taschentransport verzichten. Eine ausreichende Anzahl von Toilettenhäuschen steht gleich am Start zur Verfügung. Schon um fünf Uhr früh ist es ausreichend mild. Es dürfte sehr warm werden und Regenschauer werden frühestens am Abend erwartet. So stehe ich luftig gekleidet im Startbereich, während andere Sportler anscheinend dem Wetterbericht nicht trauen und schon jetzt sehr schwitzen müssen.

 

 
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Eine spezielle Ausrüstung ist nicht vorgeschrieben, wenn auch der Veranstalter freundlich-zurückhaltend zu Trailschuhen rät. Tatsächlich stellt sich am Ende heraus, dass der eine oder andere die Strecke in Straßenlaufschuhen zurückgelegt hat. Zur Nachahmung würde ich dies aber nicht empfehlen, zumal doch die eine oder andere rutschige Passage zu bewältigen ist. Obwohl unterwegs etliche Verpflegungsstellen warten, habe ich eine leere Flasche dabei, da ich vom letzten Mal weiß, dass in der Hitze im hinteren Teil ein Notfall-Getränk wichtig für mich ist. Da werde ich dann auffüllen. Die Ultraläufer erhalten diesmal übrigens wiederverwendbare Becher aus leichtem, flexiblem Kunststoff, um den Müll an den Verpflegungspunkten einzudämmen.

Pünktlich um 6:00 Uhr geht es los. Ausreichend hell ist es bereits und nach wenigen hundert Metern queren wir die Iller und kommen zum Sonthofener Baggersee. Ab Kilometer 2 geht es schon nach oben. Kilometer drei mit Getränken bei der Hüttenberger Feuerwehr, dann ab in die Wiese und weiter nach oben. Ein paar hundert Meter durch den dunklen Wald samt vielen Wurzeln vermitteln ein erstes, leider auch etwas glattes Trail-Feeling. Aber nur kurz: Dann sind wir wieder auf Teer, fast bis km sieben. Einige schöne Hütten und Hotels gibt es hier oben auf dem Kamm. Judith und ich unterhalten uns mit Friedhelm, der uns schon bei anderen Veranstaltungen begegnet ist und in etwa unser Tempo läuft. Er ist meiner Meinung nach eher ein Langstreckler, was er wohl anders sieht. Merke: Es gibt Ultraläufer, die erst Distanzen ab 250 Kilometern als besonders umfangreich empfinden. Ich halte mich da lieber an die Regel: „Lang“ ist alles über 42,195 km.

 

 
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Ein großer VP ist an der Liftstation Weltcuphütte. Links führt eine Abfahrtspiste nach Ofterschwang. Und deshalb betreut uns auch der Skiclub Sonthofen („mach mit … bleib fit!“) an mehreren Stellen. Ein Läufer ist mit Hund unterwegs. Erst bei km 40 wird er mir entschwinden. Ein anderer Läufer trägt einen großen Baumstamm. Und zwar einen echten, nicht etwa einen aufblasbaren. Ob er unter diesen Bedingungen die volle Distanz schaffen wird? Später zeigt ein Blick in die Ergebnisliste, dass „Barfuß- und Baumstammläufer“ Mehmet „Mamo“ Topyürek nach knapp neun Stunden die 49-km-Marke in Oberstdorf erreicht hat, für ihn die Endstation. Eine respektable Leistung für jemanden, der nach eigener Aussage im Sport immer wieder neue und originelle Herausforderungen sucht.

Wunderschön werden die Hänge vor uns von der aufgehenden Sonne beleuchtet. Immer am Hang entlang erarbeiten wir uns weitere Höhenmeter, bevor wir nach km 12 den Weiherkopf erreichen, die wie ein UFO anmutende Bergstation der Hörnerbahn. Einige Zuschauer empfangen uns. Das Gipfelkreuz auf 1665 Metern Höhe ist auch bei Läufern ein viel fotografiertes Motiv. Dahinter dann der Blick Richtung Süden auf die Spitzen der höheren Berge.

Weiter geht es ein wenig bergab und dann noch über einen Kamm, immer verfolgt von unzähligen Kühen. Ich komme gut durch. Manchmal verstellen ganze Gruppen der schwergewichtigen Milchlieferanten die Gatter, die man nur einzeln passieren kann.  Da möchte ich nicht wissen, was abgeht, wenn die schnelleren Läufer auf diese Weise ausgebremst werden.

 

 
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Grasgehren, das nächste Etappenziel bei km 18, kündigt sich schon vom Kamm aus an. Steil geht es über Schotter und später Teer hinab. Viele Wanderer kommen uns entgegen. Wir fliegen geradezu durch die Zeitnahme. Hier befindet sich das Ziel des später gestarteten Hörnerlaufs. Ich finde mich sofort am Kuchenbuffet wieder, ohne über die langen Diskussionen in den Läuferforen zur Ernährung bei Ultras nachzudenken. Mir schmeckt es, und was nachher meine Bauchspeicheldrüse so treiben wird, werde ich ja noch erfahren - oder besser nicht.

300 Meter geht es über Deutschlands höchste Passstraße, den Riedbergpass (1401 m). Darüber können die Läufer aus der Schweiz und Österreich vermutlich nur müde lächeln. Interessanter ist, dass wir hier an der Wasserscheide zwischen Rhein und Donau sind. Der Bodensee ist gar nicht so weit entfernt. Ich glaube, wir bleiben aber auf der Seite von Isar und Donau.

Ich freue mich auf die folgenden Kilometer unterhalb der dunklen Wände des Schafkopfs. Eine wunderbare Stimmung. Danach Trennung für die später startenden Marathonis. Wir stürzen uns erst über einen Wurzelweg bergab, dann auch einen steilen Wiesenhang. Ich versuche mitzuhalten, aber viele andere sind noch verwegener. Getränkestelle im Weiler Rohrmoos, dann geht es auf eine lange ansteigende Teerstraße. Am Straßenrand liegt eine tote Schlange. Es ist das erste Mal in meiner langen Bergwanderkarriere, dass ich eine heimische Schlange sehe.

Beim Hörnlepass überqueren wir zwei Mal kurz und unspektakulär die Staatsgrenze, bevor uns  neben einem bayerischen Grenzstein von 1844 ganz offiziell ein Schild in der Republik Österreich „herzlich willkommen“ heißt. So einfach geht das in Zeiten der EU. Kurz danach am VP das nächste Kuchenbuffet. Zuvor werde ich mit einem „336“ laut begrüßt. Das ist meine Startnummer. Ich weise noch kurz darauf hin, dass ich eigentlich „Andreas“ heiße und lasse es mir gut gehen.

 

 
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Hier auf der Ultrastrecke stehen erstmalig keine Becher mehr bereit und wir können unseren schicken Gummibecher aus dem Starterkit einsetzen. Außer Kuchen gibt es noch verschiedenes Obst, Brot mit Wurst und Käse und auch Gels. Perfekt, und die Standbesatzung ist gut gelaunt. Hierher wurden übrigens auch die Kleidersäcke für einen möglichen Ausrüstungswechsel gebracht. Ich rufe der ankommenden Judith ein „Griaß di“ entgegen und gebe Fersengeld. Heute bestimme ich das Tempo.

Auf gut 2,5 km geht es jetzt 150 Höhenmeter über eine Teerstraße hinunter. Da kann man mal richtig Zeit gutmachen. Viele Ausflügler kommen uns entgegen. Die immer mal wieder mit orangeroter Farbe auf den  Boden gesprühte liegende „5“ gibt Rätsel auf. Erst später wird mir klar, dass es sich um die Kurzschreibweise für „ut“, also Ultra Trail, handelt.

Ziel ist das Kleinwalsertal, oder besser, die große Schwendebrücke 80 Meter über der Breitach. Irgendwo auf der anderen Talseite werden wir wieder hinauf müssen. Wir queren die Hauptstraße L201 des Tals und beginnen mit dem schweißtreibenden Aufstieg. Die L201 ist übrigens am Wochenende nicht gesperrt, da sie nicht als Autobahnumfahrung taugt. Als Sackgasse bringt sie die deutschen Urlauber ins Kleinwalsertal und zurück.

Der Blick zurück ist sehr schön. Einerseits sehe ich Judith auf der Brücke, andererseits liegt im Westen ein Tafelberg, der es locker mit dem in Kapstadt aufnehmen kann. Ein gutes Stück weiter oben sehe ich die Berghütte, an der vor drei Jahren ein Gartenschlauch für die notwendige Flüssigkeit und Abkühlung sorgte. Heute leider Fehlanzeige. Etwas weiter dann aber eine Hütte mit einem Brunnen davor. Außerdem gibt es hier auch mehrere Einkehrmöglichkeiten. Bis zum nächsten VP bei km 40 am Söllereck müssen wir noch lange durchhalten.

Der breite Weg strebt langsam nach oben. Unzählige Wanderer kommen uns entgegen. Anscheinend ist das eine Standardtour: Mit der Bergbahn von Oberstdorf auf das Söllereck. Dann ein schöner Spaziergang ca. 6 km nach Riezlern im Kleinwalsertal und mit dem Bus im 10-Minuten-Takt zurück zum Ausgangspunkt.

An einem Gatter verlassen wir die Nachbarrepublik. Die vielen wartenden Kühe werden wohl heute nicht mehr nach Deutschland einreisen dürfen. Viel Trubel und Kinderbelustigung an der Bergstation der Söllerereckbahn. Ich tanke am VP auf und marschiere weiter. Von einem Aussichtspunkt sieht man schon Oberstdorf, unser nächstes Etappenziel. Aber immer mit der Ruhe. Über ein Hochmoor geht es dahin.

Der Abstieg ist sehr abwechslungsreich gestaltet. „Highlight“ ist ein über 100 Höhenmeter zählender stufengesicherter Pfad. Ganz vorsichtig taste ich mich hinunter. Die Kanten sind aus glattem Metall, also besteht zumindest für mich akute Rutschgefahr. Andere Läufer überholen mich schwungvoll. Belohnt werden wir später mit wunderbaren Ausblicken auf den dunkelgrünen Freibergsee. Deutschlands südlichster Badesee soll im Sommer bis zu 25 Grad warm werden.

Dahinter ist die Heini-Klopfer-Skiflugschanze, genannt der „schiefe Turm von Oberstdorf“ und mit einer „Hillsize“ von 235 m zur Zeit die weltweit drittgrößte Anlage ihrer Art. Sie ist benannt nach dem Architekten und Skispringer Heini Klopfer, der den Entwurf für die erste Holzkonstruktion an dieser Stelle lieferte und 1950 auch den ersten Flug auf der Schanze absolvierte. Bis heute gilt die architektonisch einmalige Schanze, die ausschließlich in Höhe des Absprungtischs mit Felsankern im Berg gehalten wird, als statische Meisterleistung. Architekt war der Oberstdorfer Claus-Peter Horle. Der heutige Anlaufturm stammt aus dem Jahr 1973. Nach diversen Modernisierungsmaßnahmen wurde die Schanze im Vorfeld der Skiflug-WM 2018 erneut umgebaut und auf den neuesten Stand der FIS-Regularien gebracht.

Das Strandbad lassen wir bei km 45 rechts liegen und streben weiter talwärts, angefeuert von vielen Badegästen auf dem Weg zum See. Unten angekommen, geht es auf flacher Strecke drei Kilometer an Oberstdorf entlang, leider nicht durch das Zentrum. Der knapp 10 000 Einwohner zählende heilklimatische Kur- und Kneippkurort am Fuß von Fell-  und Nebelhorn ist bei Wintersportlern im alpinen und nordischen Bereich sowie bei Bergsteigern sehr beliebt. Unser Ziel ist die „Erdinger Arena“, bis 2004 bekannt als „Skisprungstadion am Schattenberg“ und seit 1953 Schauplatz des Auftaktspringens der Vierschanzentournee. Hier erwarten uns Zeitnahme und beste Verpflegung. Natürlich auch mit kühlem Erdinger Alkoholfrei, von dem ich  mir zwei Gläser genehmige. Hier könnte man nach 49 km mit Wertung aussteigen. Wer bis zum großzügigen Cutoff um 14:30 Uhr nach achteinhalb Stunden hier ankommt, kann die letzten 20 Kilometer noch angehen und hat dafür viereinhalb Stunden Zeit. Massagen gäbe es hier auch, samt Ausblick auf eine große Baustelle vor den Skisprungtürmen.

 

 
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Ich fasse mich kurz und ziehe von dannen. 2.000 der ca. 3.200 Höhenmeter haben wir schon erklommen. Der nun folgende Höhenweg ist so zu verstehen, dass es die ganze Zeit nach oben geht. Und zwar um 270 Meter, verteilt auf drei Kilometer,  immer mit schönen Ausblicken auf Oberstdorf und das Tal. Der Weg ist hier nach Max Wallraf (1859 - 1941) benannt. Der langjährige Oberbürgermeister von Kölnverbrachte seinen Urlaub oft in Oberstdorf. Von ihm stammt der Vorschlag, einen Höhenweg auf der Westseite des Rubihorns anzulegen. Die Berge rechts von uns erheben sich auf über 2.000 Meter.

Viele Wanderer feuern uns nun an. Wahrscheinlich wirken wir nicht mehr besonders frisch. Inzwischen hat sich ein Grüppchen zusammengefunden, das sich ziemlich schweigsam immer mal wieder mit der Führungsarbeit ablöst. Die Strecke ist stellenweise geteert, dann wieder ein breiter Wanderweg. Ein Stück geht es bergab, bevor wir das kleine Seitental mit dem Gaisalpbach überqueren. Nach anstrengendem kurzem Aufwärtsstück erreichen wir wieder einen Erfrischungspunkt. Die Besucher der Gaststätte „Gaisalpe“ mustern uns interessiert.

Hinter der Hütte zur Abwechslung mal ein richtig steiler Abschnitt über einen Zickzackkurs durch den Wald und dann über einen schönen Wiesenpfad. Einige kurze Abschnitte sind leicht ausgesetzt und bereiten mir mit meinen schwammigen Beinen etwas Unbehagen.

Der Weg wird wieder einfacher und wir erreichen den VP Entschen-Alpe bei km 58, wegen der dort erhältlichen Süßigkeit auch Schokoladen-VP genannt. Wer möchte, bekommt eine Dusche aus der Gießkanne. Ich halte mich an die Getränke und befülle zusätzlich meine Flasche mit Cola. Das werde ich brauchen. Eine überdimensionale Kuhglocke wird geschwungen. Dank Uhr mit barometrischem Höhenmesser weiß ich, dass bis zum Sonnenkopf, dem höchsten Punkt,  „nur“ noch 320 Höhenmeter fehlen. Walid aus Tuttlingen weiß es bis jetzt noch nicht. Wir steigen in die „Wand“ ein. 1,2 km haben wir vor uns. Im Schatten des Waldes geht es Stufe um Stufe hinauf.

Links ab und zu Ausblicke auf Sonthofen und weiter nach Immenstadt. Wir kämpfen, haben aber mit einem dritten Läufer viel Spaß. Jetzt könnte ich Stöcke gut gebrauchen. Meine Armmuskeln strotzen vor Kraft, die Beinmuskeln nicht so sehr. Ich sehe schwarze Beeren an Sträuchern, ich kenne ich sonst nur in Konfitürenform. Schlagartig lichtet sich der Wald und wir sehen das strahlende Gipfelkreuz wenige Meter entfernt. 34 Minuten haben wir für den krassen Aufstieg auf 1712 m gebraucht. Der Blick auf die hohen Gipfel entschädigt für die Strapazen. Später wird Judith berichten, dass sie den Abschnitt in unter 30 Minuten geschafft hat.

Zeit für eine kurze Pause, auch wenn es den Verpflegungspunkt mit Getränken und Salzstangen in diesem Jahr leider nicht mehr gibt. Mit Elisabeth, die ein ähnliches Tempo läuft wie ich, beratschlage ich, ob wir unter 11 Stunden bleiben können: gute 10 km, 1.000 Höhenmeter hinunter, nahezu keine Gegenanstiege und 80 Minuten Zeit. Das könnte zu schaffen sein. Auf geht‘s

Über eine Weide mit allerlei Vieh laufen wir stetig bergab. Vor dem Gatter gibt es Ärger zwischen Elisabeth und einer von den „Zweibeinern“ genervten Kuh, die schon bedrohlich den Kopf senkt. Unter lautem Muhen lassen uns die Tiere schließlich vorbei. Kurze Passagen auf einem Wanderpfad, dann ein grober Fahrweg. Der nächste VP wartet auf mich. Ein Bierchen ist immer drin. Ich rufe Walid, der mir als guter Bergabläufer aufgefallen ist, noch einige Aufmunterungen zu, bevor er entschwindet.

Jeder Kilometer ist jetzt markiert. Es geht abwechslungsreich nach unten, nur etwas zu langsam. Die Pfade und Pausen kosten zu viel Zeit. Um unter elf Stunden zu bleiben, muss ich einen Pace von 7:00 Minuten pro Kilometer laufen. Auf einmal stehe ich an einer Weggabelung und weiß nicht wohin. Ich höre lautes Rufen von hinten. Der nachfolgende Läufer hat bemerkt, dass ich die falsche Richtung eingeschlagen habe. Also zurück.

Man hört schon die großen Kuhglocken vom Sonthofer Hof. Auf der Weide grasen auch einige Esel. Noch einmal etwas trinken und dann schnell weiter. Eine Straßenpassage verhilft mir zu einem 5:20-Schnitt. Yeah.  Ich habe noch gut vier Kilometer vor mir. Noch ein paar üble Wegeinlagen über groben Schotter,  kurze Gegenanstiege und noch mal der freundliche Schlachtenbummler, den ich schon öfter gesehen habe und der auf seine Freundin wartet.

Wir kommen in den Ortsteil Hofen. Es ist drückend heiß, aber glücklicherweise führt der Weg jetzt nach rechts in ein kleines verwunschenes und vor allem schattiges Tal. Am Schwarzenbach entlang geht es weiter bergab. Kneippkur gefällig? Jetzt nicht, im Becken tummeln sich ohnehin schon viele Leute. Auch die hier angebotene Regendusche brauche ich nicht. Eine kleine Radfahrerin liegt nach einem Sturz am Boden. Gut, dass Papi schon auf dem Weg zu ihr ist. Das 69-km-Schild  -  mein Gott, wie weit noch?

 

 
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Beim Bahnübergang sind die Schranken offen, einen Stopp samt Zeitgutschrift braucht es also nicht. Dafür sehe ich den sehr nahen Zielbogen. Viele Finisher feuern mich an. Im Ziel überreicht mir Veranstalter Axel Reusch mit Glückwünschen die Allgäu-Panoramalauf-Medaille mit APUT-2019-Band. Später kann ich mir das den „Ultras“ vorbehaltene Steinmännle, eine Läuferfigur aus Stahl auf einem Stein, abholen. Elisabeth schafft es eine Minute nach mir auch noch unter elf Stunden.

Die Zielverpflegung besteht aus Getränken, verschiedenen Obstsorten, Riegeln und Kuchen. Am Bierstand erfahre ich, dass die Brauerei um 18.00 Uhr abbauen muss, dass aber auf die Finisher der letzten Stunde ausreichend viele Bierkisten in der Wonnemar-Cafeteria warten. Silke trifft ein, begleitet von ihrem Freund, der auch mich heute oft angefeuert hat. Er hat letzte Woche an einem Ironman teilgenommen und deshalb hier auf einen Start verzichtet. Silke wird Dritte in ihrer Altersklasse.

Dann ist auch Judith im Ziel. Bei der Siegerehrung stellen wir fest, dass meine Begleiterin Elisabeth Erste der AK wurde und Judith recht knapp den zweiten Platz verpasst hat. Aber auch sie bekommt ein Spezialsteinmännchen, genauso wie Harald, der in der AK65 Rang 2 erreichte.

Danach entspannen Judith und ich noch im Wonnemar. Die Warmwasser-Whirlpools warten auf unsere müden Beine und sollen den sich vehement ankündigenden Muskelkater lindern. Ein schöner Tag geht zu Ende. Und Glück mit dem Wetter hatten wir auch, denn der Montag bringt einen Temperatursturz und fällt buchstäblich ins Wasser.

Fazit:

Der APUT ist ein Panoramalauf mit einem guten Streckenmix und einer überschaubaren Anzahl an herausfordernden Wegstellen auf einem gemäßigten Höhenniveau. Mit großzügigen Cutoff Zeiten ist er eine gute Möglichkeit für Bergmarathonis, sich an der Herausforderungsstufe „Ultra“ zu wagen.

Das Gesamtpaket überzeugt, eventuelle Schwachstellen werden jedes Jahr weiter optimiert. Für den erfahrenen Bergläufer besteht aufgrund eines relativ hohen Anteils an geteerten Wegen die Möglichkeit, schnelle Zeiten zu laufen.

Siegerinnen
1.    Sandra Schmid    GER    07:38:40
2.    Leonie Eisebraun    GER    08:32:02
3.    Katharina Grießemer    GER    08:35:49

Sieger
1.    Piet Wiersma        NED    06:31:50        
2.    Sebastian Kraus    GER    06:34:44    
3.    Timo Striegel        GER    06:37:49

254 Finisher Ultra, darunter auch eine Handvoll Österreicher

1.500 Finisher über alle Disziplinen

 
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