Heute berichte ich von einem relativ jungen Marathon in einem der ältesten Städte Deutschlands. Hierbei handelt es sich um die sechste Ausgabe des Voralpen-Marathons in Kempten, wobei der Begriff „Marathon“ nicht so ganz richtig ist, sind doch 3 Kilometer mehr als die klassische Distanz zurückzulegen.
Kempten im Allgäu kann auf eine über 2000 Jahre alte, ereignisreiche Geschichte zurückblicken. Die heute etwa 60.000 Einwohnern zählende kreisfreie Stadt Kempten wurde um die Zeitenwende von römischen Truppen als die Stadt Cambodunum gegründet. Die junge Stadt befand sich zu Beginn auf dem Lindenberg, dem heutigen Kempten Ost, wurde aber, nachdem sie mehrfach zerstört und niedergebrannt wurde, im dritten Jahrhundert an den Fuß des Lindenbergs versetzt.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich Kempten zu einer Doppelstadt: Der Reichstadt und dem Stift. Während in der Reichsstadt die Reformation eingeführt wurde, behielt das Stift die katholische Konfession. Der schwelende Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken führte zu zahlreichen Angriffen mit etlichen Toten.
Mitte des siebzehnten Jahrhunderts raffte dann die Pest den Großteil der Kemptener Bevölkerung dahin. Anfang des 19. Jahrhundert erfolgte der Zusammenschluss zwischen Reichsstadt und Stift Kempten zu einer einzigen Stadt.
Genug der Geschichte, schließlich wollt Ihr ja was über den (Ultra-) Marathon lesen.
Der Voralpenmarathon ist ein Landschaftsmarathon über 45,3 km mit ca. 1350 Höhenmetern, die es zu bewältigen gilt. Zudem ist er Teil des LaufsportSaukel-Cups, der aus eben diesem Marathon, dem Halbmarathon im Sommer und dem Silvester-Lauf über 10 Kilometern besteht. Neben der Langdistanz wurden auch der 2/3-Marathon über 28 km und eine Nordic-Walking-Strecke über ca. 15 km angeboten.
Wer den langen Kanten nicht alleine bewältigen wollte oder konnte, hatte auch die Möglichkeit an einer Marathon-Staffel teilzunehmen, bei der sich 3 bis 10 Personen die Strecke teilen. Die Personenanzahl und Wechselpunkte der Staffeln waren frei wählbar, der Transport von und zu den Wechselpunkten musste von den Staffeln selbst organisiert werden. Einige Familien nutzten somit die Gelegenheit, ihren läuferischen Nachwuchs auf die letzten Meter des Parcours zu schicken, damit dieser das Erlebnis des Zieleinlaufes genießen konnte.
Mit der bereits am Vortag gepackten Tasche schwang ich mich in aller Herrgottsfrühe auf mein Motorrad und verließ das beschauliche Jagsttal in Richtung Berge. Die Wettervorhersage für diesen Tag war sehr vielversprechend wobei die Temperaturen bei meinem Start um 20 nach fünf noch frische 3-4 Grad waren. Im Verlaufe meiner Reise in den südlicheren Süden der Republik musste ich dann erkennen, dass es trotz einsetzendem Sonnenschein doch noch kälter geht. Zum Teil starker Nebel verhinderte, dass die Sonne die Temperaturen klettern ließ. Als dann der Atem im Helm kondensierte, waren die Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt.
Nach etwa 2 ½ Stunden Fahrt kam ich schließlich am CamboMare in Kempten an. Das Freizeitbad im Westen der Stadt war der Dreh- und Angelpunkt für diesen Lauf. Neben dem Haupteingang war ein Zelt aufgebaut, indem es die Startnummer in einem reichlich bestückten Papierbeutel gab. Neben der üblichen Werbung befanden sich einige Goodys mit dabei: Ein Gutschein für ein Paar Funktionssocken eines Sponsors, ein Duschgutschein für die Körperpflege nach dem Lauf im CamboMare, ein Nudelgutschein zum Auffüllen der Kohlehydratspeicher und ein Kaminanzünder-Feuerzeug, gesponsort von einem ortsansässigen Geldinstitut.
Zum Aufwärmen und Umziehen begab ich mich ins bereits geöffnete CamboMare, indem ich mich dann auch bis kurz vor dem Start um 9 Uhr aufhielt. Nach dem Anlegen der kurzen Laufgarnitur mit Startnummernband und Taschengürtel für Fotoapparat, Gelpackungen und Salztabletten brachte ich meine Sporttasche ins unbeheizte Umkleidezelt, welches sich hinter dem Kassenhäuschen für das benachbarte Freibad befand. Die Temperaturen waren noch nicht wesentlich weiter nach oben geklettert und somit ging es geradewegs wieder zurück ins Warme.
Bekannte Läufer wie Michael Barz, Tobias Brack und viele andere bereiteten sich auf den Start vor. Auch die bekannten Ultraläufer Claudia Weber und Thomas Wenning nahmen die Strecke in Angriff.
Ohne viel Vorgeplänkel und Reden erfolgte um 9 Uhr durch den Oberbürgermeister Dr. Ulrich Netzer der Startschuss. Da das Läuferfeld überschaubar war, kamen wir von Beginn an sehr gut voran.
Auf den ersten vier Kilometern konnten wir uns auf nahezu flachem Terrain einlaufen. Nach der ersten von insgesamt 11 Verpflegungsstellen beim Heiligenkreuz wartete die erste von zahlreichen Steigungen auf uns. Waren die ersten Kilometer noch Asphaltstraßen, so wechselte jetzt zum nicht letzten Mal im Verlaufe dieses Laufes der Untergrund und es ging zunächst auf einem Single-Trail durch eine Wiese und über eine schmale Brücke durch den Wald auf einen Cross-Parcours.
Ab hier ging es über Stock, Stein und Wurzelwerk, wobei man auf jeden seiner Schritte achten musste.
Sanft ansteigend führte uns der Streckenverlauf über einige kleinere Weiler zur Ortschaft Wiggensbach. Nach einer erneuten Erfrischung ging es abermals zur Sache. Durch einen Hohlweg im Wald ging es hinauf zum Blender. Auf der Höhe fand neben der Laufstrecke ein Gottesdienst (oder war es eine Messe?) statt. Leider ist mir nicht bekannt, ob die Gebete auch uns galten.
Zunächst über einen Single-Trail ging es über ein ausgewaschenen Feldweg und einer Asphaltstraße den Berg hinunter in Richtung Pflaumenmühle. Nachdem hier wieder Flüssigkeit und Essen konsumiert werden konnte, ging es wieder den Berg hinauf nach Eschach zur Marathon-Weiche bei Kilometer 16. „Marathonis rechts und 2/3 links“ schallt es mir entgegen.
Und wieder geht’s über einen Schotterweg den Berg hinauf bis zum höchsten Punkt der Strecke bei Halbmarathon-Distanz. Beim Weiler Wenger Egg, früherer Wendepunkt, folgte ein etwa zwei Kilometer langer Streckenabschnitt mit Begegnungsverkehr und führte uns zum heutigen Wendepunkt auf dem Schwarzen Grat. Eine Ehrenrunde rund um den Aussichtsturm auf dem Schwarzen Grat brachte uns zur Kontrollstelle, wo mit einem wasserfesten Stift die Startnummer gekennzeichnet wurde, als Beweis dafür, dass auch die volle Distanz zurückgelegt worden ist. Schummeln war also, zumindest hier, nicht möglich.
Schon vor der Wende ist mir ein Läufer aufgefallen, der eine gelbe Startnummer trug, die eigentlich für die 2/3-Marathonis vorgesehen war. Er habe sich kurzfristig umentschieden und sei in Eschach einfach rechts abgebogen, so seine Antwort. Leider zeigt ihn die Ergebnisliste noch bei den 2/3-Läufern. Ich hoffe mal für ihn, dass das noch geändert und seine Leistung so honoriert wird.
Nun ging es meistens abwärts mit einigen kurzen aber teils gemeinen Anstiegen vorbei am Eschacher Weiher, der normalerweise von Anglern und Badegästen genutzt wird. Heute war niemand auf dem See unterwegs, wohl ein Tribut an die Jahreszeit und den weniger milden Temperaturen der letzten Zeit. Oder waren alle zum Anfeuern der Läufer hier auf der Strecke verteilt?
Weiter bergab laufend, immer wieder durch Waldstücke mit den bereits geschilderten potentiellen Stolper-Steinen und Wurzeln, erreichten wir bei Kilometer 38 Buchenberg, welches uns mit einem kurzen Gegenanstieg willkommen hieß. Vor der letzten Herausforderung des Tages, dem Mariaberg, ging es, wie sollte es anders sein, wieder über Wurzeln, Stock und Stein bergab.
Nach einem kurzen Stück auf der Ebene begann der letzte und auch heftige Anstieg auf den Mariaberg. Auf der Höhe war dann unser Start- und Zielort Kempten in Sicht. Ein letztes Mal ging es durch ein Waldstück den Mariaberg hinunter, bevor wir auf Asphaltstraßen die restlichen Meter dieses Laufes in Angriff nehmen konnten.
Der Zielbogen war nun schon groß in Sicht- und Reichweite. Allerdings wurden wir nicht nach rechts direkt zum Ziel sondern nach links noch um zwei große Wohnblocks herum geführt. Im Ziel angekommen, wurde mir durch eine nette Helferin eine Medaille umgehängt und ein weiterer Helfer befreite mich vom Transponder-Chip, der am Knöchel getragen wurde.
Gegen eine weitere Markierung meiner Startnummer erhielt ich auch noch ein Finisher-Shirt aus atmungsaktivem Funktionsstoff. Als Zielerfrischung gab es neben den üblichen Getränken wie Wasser, Tee, Iso und Cola auch eine alkoholfreie Pils-Variante, allerdings nicht aus bayerischen Landen.
Kurz nach mir trafen auch zunächst Claudia Weber und ein paar Minuten später Thomas Wenning ein, der an die 200 Bilder während dieses Laufes geschossen hat. Nach einem kurzen Schnack mit den beiden begab ich mich zum Duschen ins CamboMare und genoss anschließend die üppige Nudelportion.
Noch eine Erfrischung, dann ging es auf meinem Stahlroß wieder in Richtung heimatlicher Gefilde.
Mein Fazit: Ein reizvoller Landschaftslauf in den Allgäuer Bergen mit familiärem Charakter. Die Wege um das CamoMare sind kurz gehalten. Infotäfelchen weisen einem den Weg und zur Not wird einem von einem der zahlreichen und stets hilfsbereiten Helfern geholfen. Vermisst habe ich lediglich ein Heizgebläse im großen Zelt der Startnummernausgabe und im Umkleidezelt, um die morgendliche Frische zu vertreiben. Denn nicht nur ich habe gefroren, auch den Damen bei der Ausgabe der Startnummern war es sichtlich kalt. Ebenso fehlte mir vor dem Start ein Stand mit Tee und Wasser. Aber vielleicht habe ich diesen nur nicht bemerkt. Zwei Punkte einer ansonsten tadellosen Veranstaltung, die mir als verbesserungswürdig aufgefallen sind.
Mein Dank gilt den Organisatoren, allen zahlreichen Helfern, Ordnungs- und Sanitätskräften und der Feuerwehr, die zur Streckensicherung und dem Wohle der Läufer beitrugen. Kempten hat mich sicherlich nicht das letzte Mal gesehen.
Ergebnisse Marathon
Männer
1 BRACK, Tobias BLT Laufsport Saukel-Haglöfs 3:05:52
2 PHILIPP, Anton BLT Laufsport Saukel-Haglöfs 3:09:23
3 BOURGUIGNON, Harald TV Jahn Kempten 3:23:59
Frauen
1 OTT, Gerti TV Memmingen 3:48:49 e
2 HENSCHEID, Melanie TSV Moosbach 3:53:23
3 KRAUS, Sabiene TV Memmingen 3:54:06