Kurz vor der Hochgratbergstation ist noch ein ca. zweihundert Meter langes Steilstück zu unserem Wendepunkt auf der Aussichtsterrasse zu erklimmen. Hier an der Weggabelung würde unsere Laufstrecke bereits links runter gehen. Sollte jetzt jemand auf den Gedanken kommen abzukürzen, um sich diesen üblen steilen Anstieg zu ersparen, der wäre schlecht beraten. Hier steht ein Aufpasser und macht von jedem der die Strecke ordnungsgemäß absolviert, zur Beweissicherung ein Foto. Aber wer will sich auch schon das kühlende Nass und die wieder hervorragend sortierte Verpflegungsstelle auf der Sonnenterrasse in 1.800 m Höhe entgehen lassen?
22 Kilometer und den größten Teil der positiven Höhenmeter haben wir hinter uns und leider müssen wir jetzt auch die Nagelfluhkette verlassen. Wir haben von ihren Gesamt 24 Kilometern etwa 4 km des westlichen Teils genießen dürfen. Wer mehr möchte, kann entweder ein anderes Mal noch den Gutschein für die Hochgratbahn einlösen und ein Stück weiterlaufen, oder aber an einem weiteren Marathon im August von Immenstadt her teilnehmen, der den Großteil der restlichen Nagelfluhkette abdeckt, was mir im Moment sehr reizvoll erscheint.
Eine der härtesten Prüfungen der kompletten Strecke liegt jetzt vor uns: Der 6 km lange, mit 850 negativen Höhenmetern verbundene Abstieg zur Talstation der Hochgratbahn. „Leider“ weiß ich was uns bevorsteht, vor einigen Jahren bin ich schon einmal den jährlich, Ende August stattfindenden Hochgratlauf herauf gelaufen. Viele Wanderer, die auch gerade über die Stahltreppe den Aussichtspunkt verlassen, verschaffen Jan und mir aber noch eine kleine zusätzliche Erholungspause, aber dann können wir doch los.
Der erste Downhill-Abschnitt auf der Schotterpiste ist derart steil und rutschig, da ist höchste Konzentration von Nöten. Es ist eigentlich kein richtiges Laufen mehr, ich würde es eher als Bremsen bezeichnen. Aber Jan kennt keine Gnade und legt vor, obwohl ich ja am Berg sofort immer viele Meter gegen ihn verliere, kann er auf den ersten drei Kilometern nichts rauslaufen, weil er auch nur versucht sich überhaupt auf den Beinen zu halten. Es ist wirklich brutal, wenn man es mit höherem Tempo versucht. Wir schaffen es aber dennoch einige zu überholen, aber wirklich alle sind am Stöhnen. Nach etwas mehr als der Hälfte wird die Steigung etwas moderater und im Nu ist mir Jan enteilt. Wie immer fährt er seine Flügel aus und lässt es laufen, ich will mir das aber nicht antun, mein Oberschenkel sind eh fast am bersten. An der Versorgungsstelle vor der Hochgratbahn ist von ihm nichts mehr zu sehen, auf drei Kilometern hat er ca. 10 Minuten rausgelaufen. Ein paar Meter daneben ist auch eine wunderbar erfrischende Dusche aufgebaut. Die Mädels an der Station brauchen mich nicht zweimal dazu einladen, nix wie darunter.
Mein Kopf ist für kurze Zeit wieder erfrischt, von meinen Oberschenkeln kann ich das aber nicht behaupten. Nach der Talstation geht es links ab über die Weißach, wie schön wäre jetzt doch ein kühles Fußbad. Ich bin froh, dass ich nach der Brücke in den schattigen Wald einbiegen kann. In der Sonne hat es bestimmt über 30 Grad. Dabei haben wir ja noch Glück, in anderen Landesteilen werden bis 37º gemessen. Zwei Kilometer laufen wir entlang der Weißach bis zum sogenannten „Tarzansteg“. Ja, warum heißt er eigentlich so? Der hätte sich hier doch mit der Liane locker darüber geschwungen. Beim überqueren kann ich wieder einen sehnsüchtigen Blick in die kühlen Fluten werfen. Der Weg durch den Wald ist wunderschön, meist schattig und moderat hügelig.
Mittlerweile machen mir die hohen Ozonwerte doch richtig zu schaffen, in meinem Schädel sitzt einer mit einem Hämmerchen und fängt an zu klopfen. Bis Steibis geht es immer auf oder ab, flache Abschnitte sind Fehlanzeige. Neben der Hauptstraße hat die Feuerwehr einen Schlauch ausgelegt mit einer eiskalten, sprudelnden Wasserfontäne. Das verdient wirklich ein Sonderlob – Einfach herrlich bei über 30 Grad. Das Lob verdienen aber alle die uns hier betreuen und versorgen. So viele Erfrischungsmöglichkeiten in Form von Wasserschläuchen oder einfach nur Wannen mit kaltem Wasser, sei es vom Veranstalter, Feuerwehr oder Privatleuten erlebt man auch sehr selten.
Den Abschnitt Steibis – Weißach durften wir schon heute Morgen laufen, jetzt geht es in die andere Richtung, aber abwärts. Michael aus Hannover läuft hier auf mich auf, gemeinsam legen wir die restlichen fast 10 km zurück. Mit Unterhaltung vergehen die letzten Kilometer doch etwas schneller. So ganz nebenbei erzählt er mir dass er gestern in Oberstaufen seine Liebste geheiratet hat und dass das heute sein Hochzeitslauf ist. Da kann man ihm nur gratulieren …zur Eheschließung und zur sportbegeisterten Gattin, die ihn dann auch unterwegs immer wieder anfeuert.
Nach dem fast 4 km langen Anstieg aus dem Weißachtal erreichen wir Oberstaufen, die restlichen drei, sowie die beiden Anfangskilometer sind heute auch so ziemlich die einzigen Flachabstücke des gesamten Kurses. Den Abschluss bildet eine Ehrenrunde in der Kalzhofer Sportanlage. Die Strecke war wirklich hart aber herrlich und was will man eigentlich mehr. Ich benötige jetzt erst einmal ein Schattenplätzchen um mich vom Ozon zu erholen. Die letzten die heute innerhalb der Sollzeit von 7 Stunden bleiben sind Brigitte und Sascha, dazu kommen noch drei, die knapp darüber liegen und auch noch in die Wertung aufgenommen werden, macht summa summarum 161 Marathon Finisher. Jeder bekommt noch ein schönes Finishershirt im Ziel.
Während oben im Stadion die Siegerehrung stattfindet, haben wir uns und viele andere etwas unterhalb im Public Viewing-Bereich eingefunden um das WM-Viertelfinale zu sehen. Der Veranstalter hat im Schatten einer Halle eine große Leinwand für die Übertragung aufgebaut. Nach dem ersten Torjubel verabschieden sich ganz schnell, noch einige an der Siegerehrung beiwohnende und stürmen zu uns herunter. Die „Argentischen Steaks“ auf dem Grill will sich keiner entgehen lassen. Damit wird der eh schon herrliche Tag noch getoppt.
Marathonsieger
Frauen
1. Ildikó Wermescher, Ungarn 4.32,59 Std.
2. Barbara Guranti, Kempten 4.33,00 Std.
3. Monika Zappe, Germaringen 4.45,21 Std.
Männer:
1. Anton Philipp, Haglöfs 3.30,56 Std.
2. Meinrad Briechle, Maierhöfen-Grünenbach 3.48,42 Std.
3. Wolfram Bömer, Waldenbuch 3.58,50 Std.
161 Finisher
03.07.10 | Warum denn in die Ferne … |
Klaus Klein |