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16.07.16 - Andorra Ultra Trail

Hola món, avui sóc el Casamanya (42,5km)

Der in den östlichen Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich gelegene gebirgige Kleinstaat Andorra mit nur  467,6 km²und ca. 80.000 Einwohnern gilt als Eldorado für Bergwanderer, Kletterer, Mountainbiker und Schifahrer längst nicht nur mehr aus der Region. Dank des Sporttourismus-Booms ist hier das ganze Jahr über Action angesagt. Vom 14. bis 17. Juli 2016 finden im Vallnord gleich mehrere Ultra-Trail-Bewerbe statt, u.a. auch ein Lauf über die Marathondistanz.

 

Vorkehrungen, Anreise und Bewerbe

 

Wegen des großen Interesses auch für die 42,5 km mit 3.000 Höhenmetern sollte man sich rasch registrieren  – ich habe mich während meines Aufenthaltes im Rahmen des Istanbul-Marathons  voriges Jahr am 17. November, dem ersten Anmeldetag, über die Veranstalterhomepage angemeldet und mich noch über den eigenartigen Betrag von 51,73 Euro inkl. Steuern gewundert. Ein ärztliches Attest – das Formular kann man downloaden –  ist dann nachzureichen. Früh genug sollte man sich um ein Hotel kümmern, seitens des Veranstalters werden in den Nebenorten von Ordino, wo sich Start und Ziel befinden, teilweise auch preiswerte Unterkünfte aufgelistet.

Anreisen kann man über Toulouse oder Barcelona – von dort sind es ca. 200 km von Meeresniveau auf 1.200 m Seehöhe. Wer sich kein Leihauto nimmt, fährt mit dem Andorra-direkt-Bus  vom Flughafen über Barcelona-Sants in gut drei Stunden um 29,- Euro pro Fahrt (hin und zurück kommt etwas billiger) durch die Provinz Katalonien nach Andorra la Vella, der Hauptstadt des Zwergenstaates. Da Andorra seit 2014 an der europäischen Währungsunion beteiligt ist und den Euro als Zahlungsmittel verwendet, aber trotzdem kein EU-Mitgliedsstaat ist, wird bei der Einreise streng kontrolliert. Zwei junge Männer, die man für Dealer hält, werden aus dem Bus rausgeholt und ihr Gepäck genau durchsucht. Das kostet uns eine halbe Stunde.

Mit einem Amerikaner teile ich mir ein Taxi, das uns von Andorra la Valle in das ca. 8 km entfernte Ordino (90 km², 1.298 m Seehöhe) bringt. Der Kollege hat es eilig, denn er muss noch die Startnummer für den morgigen 170 km-Trail abholen. Das Andorra-Laufspektakel am Wochenende hat es wirklich in sich: Es stehen gleich fünf Bewerbe auf dem Programm: Bereits am Freitag (15. Juli) der Ronda dels Cims (=Gipfel) über 170 km und 13.500 HM (62 h maximale Laufzeit, max. 450 Teilnehmer), sowie der Mitic (112 km, 9.700 HM, 46 h, 500 Starter), am Samstag dann der Celestrail (83 km, 5.000 HM, 24 h, 500 Läufer) und der Marato dels Cims mit 3.000 HM, maximal 14 h Laufzeit (750 Teilnehmer/innen). Zum Abschluss am Sonntag wird noch der Solidaritrail als Walkingbewerb (10 km, 700 HM) angeboten. Die Qualifikationsanforderungen für die Teilnahme an den Ultra Trail-Bewerben sind höchst anspruchsvoll, der Kurs des Ronda des Cims wird als „mes dura d’Europa“ („der härteste in Europa“) bezeichnet, während der Marathon „mes assequible, molt intensa“ (etwas freier vom Katalanischen übersetzt) als „machbar, wenn auch intensiv“ bezeichnet  – und daher auf den hohen Frauenanteil beim Rennen verwiesen wird.

Ich habe drei Aufenthaltstage im Hotel La Cabana gebucht, vom Zentrum in Ordino nur 400 m entfernt. Vor dem Haus stehen Autos mit französischen, belgischen, spanischen und sogar italienischen Kennzeichen. Die Ultra Trails hier in Ordino sind also längst über die Grenzen des erst im Jahre 1993 die Unabhängigkeit erlangt habenden Pyrenäenstaates bekannt. Beim Einchecken teilt mir der freundliche Rezeptionist, der wie der Sohn des Eigentümers rüberkommt, dass kein Frühstück serviert wird, auch keine Kaffeemaschine in Betrieb sei. Man sei eigentlich auf die Wintersaison eingestellt. Obwohl die Tour de France erst am 10. Juli durch Ordino führte und Anfang September hier die MTB-WM stattfinden wird. Drei Nächte für 284,-- Euro ist nicht günstig, vielleicht hätte ich doch nicht direkt im Rennort buchen sollen, der Ami zahlt für sein Zimmer im ca. 2 km entfernten, talabwärts gelegenen La Massana pro Nacht nur 35,--Euro. Was soll’s, ich bin eh auf Eigenversorgung eingestellt – erst recht als ich merke, dass der einzige Minimarkt in Ordino längst zu hat. Ich spaziere nach La Massana runter und decke mich bei einer Tankstelle mit elementaren Nahrungsmitteln ein und werde auch den morgigen Freitag u.a. dafür nutzen, schließlich soll man einen Marathon nicht mit leerem Magen beginnen.

 

 
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Startnummernausgabe und Briefing

 

Das Zentrum von Ordino ist überschaubar, auf der homepage lässt sich ein Plan öffnen, auf dem alle in den kommenden zwei Tagen für die Starter wichtigen Lokalitäten eingezeichnet sind. Im Era Rossell werden am Freitag ab 10 Uhr 30 die Startnummern ausgegeben. Erstaunlich ist, dass gerade am Morgen der Andrang sehr stark ist und alle lieber auf Nummer sicher gehen. Ich treffe Dr. Juergen Kuhlmey, Mitglied im County Marathon Club, der trotz seiner 78 Jahre aussieht wie ein Mittsechziger und weitaus jüngeren (wie mir) sozusagen davonläuft – er will morgen sein 66. Land kassieren. Rund ein halbes Dutzend weitere Marathon-Länder-Sammler haben sich angesagt, darunter auch die freundlichen Twins Giuseppe und Klaus – wo der eine ist, darf auch der andere nie fehlen.

Es dauert nicht lange, dann haben Jürgen und ich unser Startpaket in Empfang genommen. Auf der Rückseite der Startnummer ist ein aufgeklebter Transponderchip, den man bei einer Station auf seinen Namen verifizieren kann. Es werden parallel für die anstehenden Bewerbe die Nummern ausgegeben, mitunter kommt es zu einem Gedränge. Ein wenig Sorgen mache ich mir wegen der rigoros formulierten Vorschriften betreffend die Ausrüstung auch für den Marathon. Die wasserdichte Regenhose werden wir auch dieses Jahr wegen des angesagten Schönwetters mit hohen Temperaturen nicht brauchen, aber muss es wirklich ein Langarm-Shirt sein (mein M4Y-Erkennungsleibchen kann ich so nicht anziehen, außer ich hätte Ärmlinge im Rucksack)? Auch sollen n.M. die Beine vollständig bedeckt sein – mit längerer Tight und bis zu den Knien reichenden Sportstrümpfen. Ich habe mir noch vor der Abreise eine wasserdichte Leichtjacke besorgt, die man mitführen muss –- wie u.a. zudem eine elastische selbstklebende Binde und eine Wärmefolie. Auf den Fotos vom Vorjahr sah ich aber hübsche Damen mit wenig Textil beim Marathon – wie die wohl die andere Wäsche im Minirucksack untergebracht haben? Ich halte mich an die Vorschriften und besorge mir aus der Apotheke noch schnell eine neue Binde, damit alles seine Ordnung hat. Das einzige, was ich bewusst in Wien liegen ließ, sind Stöcke. Ob das vielleicht nicht doch ein Fehler war? Vorgeschrieben sind sie für den Marathon nicht, nur empfohlen.

Ich habe alles beisammen, nun werde ich mir einige Stunden die auf  1.013 Meter Seehöhe höchstgelegene Hauptstadt Europas, Andorra la Vella, ansehen. Alle Viertelstunde fährt ein Bus um 1,80 Euro (oder 1,90 bei der Konkurrenz) runter. Bis la Massana bin ich schon spaziert, viel weiter ist es in die rund 22.000 Einwohner zählende und stetig wachsende Pyrenäenstadt auch nicht mehr. Früher zählte Andorra zu den Steueroasen, heute bieten die Läden in den Shoppingmalls vorwiegend Bekleidung und Unterhaltungselektronik an – die Preise sind eher höher als bei uns.

Die Täler sind schmal, daher baut man nach oben. In Andorra la Valle überwindet man Gefällestufen mit Aufzügen, wie dies auch in der Schweiz üblich ist. Um Hotels und Wohnblocks zu errichten, müssen Felsen gesprengt und dann die Objekte mit riesigen Stützmauern abgesichert werden. Der Tourismus aus dem benachbarten Spanien und Frankreich boomt. Sport hat hier eine ganzjährig wichtige Bedeutung. Andorras Fußballbund ist seit 1996 Mitglied der FIFA und der UEFA, liegt aber in der Weltrangliste sehr weit hinten.

Ich komme gerade noch zum Briefing ins Auditori Nacional in Ordino um 19 Uhr. Der Saal ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt, referiert wird in Katalanisch, Französisch und Englisch. Der Wetterbericht für den Renntag kündigt 25 Grad an, die auch in der Höhe auf 2000 m zu spüren sein werden. Es soll beim Betreten des Startgeländes auch Zufallskontrollen des Gepäcks geben, wird angekündigt. Dramatisch, wenn man wegen einer fehlenden Pfeife oder vergessenen Handschuhen (bei Sommertemperaturen) vielleicht nicht starten dürfte. Daher nehme ich die Vorschriften sehr genau und werde am Abend nochmals meinen gepackten Trailrucksack checken.

Nach dem Ende des Briefing strömen alle nach draußen, es gibt zwei kleinere Restaurants in der Umgebung, Abendessen ist angesagt. In La Massana ist das Angebot an Speiselokalen deutlich größer, aber man ist auf den Bus angewiesen oder muss runterhatschen. Von den angesagten Countryleuten habe ich bisher nur den ehrwürdigen Dr. Kuhlmey, promovierter Chemiker, Weltreisender und passionierter Marathonläufer, getroffen. Wir werden morgen vor dem Start ein Gemeinschaftsfoto machen, damit Präsident John Wallace einen Beleg hat, wer wann wo gelaufen ist.

 

Vom Start in Ordino bis zur ersten Labestelle

 

Ich bereite mir mein Frühstück selbst zu, statt Tee oder Kaffee gibt es kalte Milch. Weißbrot, Butter, Marmelade, Käse und Wurst, Joghurt, sogar Eier habe ich besorgt. Bei einem nicht gekochten Ei esse ich nur den Dotter. Gestärkt komme ich erst um 7:45 Uhr zum Startareal auf der Carrer Major. In Richtung Ziel sind links vom Stand des Souvenirverkaufs elektronische Displays aufgebaut, auf denen die bisherigen Laufzeiten der Bewerbe Ronda dels Cims, Mitic und Celestrail angezeigt werden. Optional wurden übrigens gegen Gebühr auch elektronische Messgeräte angeboten, die man wie einen Brustgurt um den Oberkörper trägt und die Vitaldaten (vor allem die Herzfrequenz) an eine Messstelle überträgt, die im Notfall exakt auch die GPS-Position des Läufers registriert.

 

 
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Nun sehe ich sie alle, die Kollegen vom Country Club. Wir machen ein Gruppenfoto, man wünscht sich gutes Gelingen – Brent steht wie immer schon längst ganz vorne, um loslegen zu können. Bei der Kontrolle hat man tatsächlich meine Pfeife sehen wollen, sie lag griffbereit im obersten Fach.

Mit einem historischen Zeremoniell in Form eines überdimensionierten mittelalterlichen  Fürstenpaars (vielleicht auf Stelzen oder mit einem drüber gestülpten Kostüm), die sich unter die Läufer begeben, wird der bisher dritte Marato dels Cims theatralisch eingeleitet. Ich sehe mich um, fast alle haben Stöcke – nur ich nicht. Und ich sehe auch, dass viele Damen in Shorts und kurzärmelig ins Rennen gehen. So genau hat man es also mit den Kleiderbestimmungen doch nicht genommen.

Einige Minuten vor 8 Uhr geht es los, nicht die Uhrzeit zählt, sondern die de-facto Anzeige am Display. Das Feld läuft die asphaltierte Av. de les Moles Richtung Arans. Schon nach 500 m spürt man, dass die Straße ansteigt. Neben mir setzt Giuseppe zum Überholen an, Edson ist schon 10 Meter weiter vorne, Brent nicht mehr sichtbar und der unverwüstliche Jürgen etwas hinten. Ich habe mir vor dem Rennen Gedanken gemacht, ob die drei Cut-off-Zeiten für langsame Läufer machbar sein werden. Doch ich bin zuversichtlich, dass die Veranstalter bei den Zeitlimits wohlwollend agierten.

In der Hektik habe ich glatt vergessen, meine Uhr zu drücken. Nach geschätzten 9 bis 10 Minuten aktiviere ich dann doch die Garmin-GPS-Uhr. Nach ca. 2 km überqueren wir den Riu Valira d’Orient, eigentlich ein Bach und kein Fluss. Im Nu sind wir weg vom Asphalt auf einer Trailstrecke, auf einen Schotterweg entlang des Val d’Ordino Goldclubs bei La Cortinada geht es weiter. Das Feld ist schon weit auseinander gezogen, doch hinter mir sind auch noch einige Dutzend Läufer/innen. Nach geschätzten 4 km  beginnt der Marathon mit einem kontinuierlich ansteigenden Trail hinauf zum Collada de l' Ensegur. Fast alle haben ihre Stöcke ausgefahren, es klappert so hörbar unerbittlich wie bei den Sonntagwalkern auf der flachen asphaltierten Wiener Praterallee. Wenn Metall auf Stein trifft und dies gleich hundertfach, dann überzieht ein „Tok, tok“ die morgendliche Stille in der Natur.

Ich komme derzeit auch ohne Stöcke gut voran, das Tempo wird nämlich von langsamen Gehern in einer langen Schlange bestimmt. Überholen wäre in meiner Kategorie sinnlos, weil ich meine Kräfte auf den kommenden drei Kilometern bis zum vorerst höchsten Punkt gut einteilen muss. Ich beobachte  erfahrene Trailrunner bei ihrem Stockeinsatz. Da ist was dran, man sieht, dass dadurch die Beine entlastet werden, weil man sich aufwärts mit den Armen etwas wegdrücken kann. Eine Kollegin trägt die Stöcke waagerecht mit den  Spitzen nach hinten – da kann viel passieren, wenn jemand hinter ihr stolpert und stürzt. Beim Umdrehen erblicke ich Jürgen ca. 50 m hinter mir, der gekonnt seine Stöcke einsetzt.

Für die ca. 800 m Höhenunterschied von 1.400 m Seehöhe im Ort Arans bis hinauf zum Ensegur auf rund drei Kilometern haben wir mehr als eine Dreiviertelstunde benötigt. Endlich kommt eine Passage, auf der ich Tempo wettmachen kann – es geht vielleicht 100 Höhenmeter hinunter. Aber gleich darauf folgt bei Kilometer 10 schon der nächste steile Anstieg knapp unter der Baumgrenze, die bei ca. 2200 Metern liegt. Es kommt nun auch schon zu kleinen Positionskämpfen, mal überholt mich ein Pärchen, dann bin ich am Zug.

Vorgeschrieben ist für Marathonläufer ein Gefäß mit einem halben Liter Wasser (und zudem auch ein Essensvorrat z.B. in Form eines Riegels). Ich habe zwei leichte 0,5 Liter-Mineralwasserflaschen mitgenommen, eine ist mit Cola gefüllt. Offiziell sind nur vier Versorgungsstationen vorgesehen. Ich bleibe bei einem Gebirgsbach stehen, den wir überqueren müssen und trinke das wegen der starken Bräune an den Steinen vermutlich eisenhaltige Wasser.

Und wieder genieße ich den Moment, wenn es den Berg hinunter geht. Wenn man die Anstiege und Abstiege zusammenrechnet, sollten die veranschlagten 3.000 Höhenmeter hinauf und hinunter am Ende erreicht werden – und natürlich mit GPS schon davor mehrfach vermessen worden sein. Die erste Etappe erreichen wir am Coma Obaga, eine Almhütte, die offen steht in mittelbarer Nähe von El Serrat, einem bekannten Schiressort. Hier ist die erste offizielle Labestelle, 12,5 Kilometer sind geschafft. Und an die 2 ½ Stunden sind schon vergangen. Zwei Helferinnen erfassen die Zeit mit einem Lesegerät über den auf der Rückseite der Startnummer angeklebten Chip. Drücken kann sich hier keiner, denn wer den Berg runterkommt, der muss durch die Schleuse. Außerdem will man ja auch zur Labe gelangen.

Ich sehe wieder einige bekannte Gesichter, die offenbar schon Minuten bei der üppigen Versorgung verweilt haben. Ich kann mich nicht erinnern, bei meinen bisher über 270 Marathons und Ultras je irgendwo so ein vielseitiges Angebot an der Labestelle vorgefunden zu haben wie hier. Schinken, Salami, Schoko, Nüsse, Melonen, Orangen, Bananen, Kekse, Zucker, Mineralwasser auch mit Kohlensäure (was es selten woanders im Rennen gibt), Cola u.v.a.m. Ich trinke meine Vorräte in den beiden Flaschen aus und fülle sie dann wieder an. Als ich den nahenden Jürgen Kuhlmey erblicke, mache ich mich aus dem Staub. Verweilen könnte man hier stundenlang, aber das Zeitlimit bei Kilometer 19 ist zunächst die erste Hürde, auf die ich mich konzentriere.

 

Von El Serrat bis zum ersten Cut-off 

 

Zunächst geht es von der Labestelle aus noch rund 3 km bergab. Ich komme mit einem Japaner, der in Barcelona lebt, ins Gespräch. Er hat wie ich eine gewisse Vorliebe für Abwärtspassagen. Wir überholen etliche Kollegen. Dann allerdings steigt der Kurs nach 15 km auf ca. 1.600 m Seehöhe wieder an, vor uns liegen mehr als 400 Höhenmeter auf den folgenden ca. 3 ½ Kilometern. Wir befinden uns im Sorteny Nationalpark, hier führte auf der einzigen asphaltierten Zufahrtsstraße vorige Woche auch die Tour de France durch. Wir überqueren die Straße, einige Zuschauer warten auf ihre Angehörigen, sie feuern uns an. Ich lasse nun den Japaner ziehen und gönne mir eine Auszeit abseits des Weges. Kaum zu glauben, aber Jürgen hat aufgeholt – er hat sein Gehtempo mit dem Stockeinsatz gut in Einklang gebracht und trailt unbeirrt des Weges hinauf auf den El Querer. Soll ich ihm nachhetzen? Nein, der Marathon ist ja noch lang.

 

 
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Das Flusstal im Nationalpark ist Anziehungspunkt zahlreicher Wochenendausflügler, die wie bei uns in den österreichischen Alpentälern hier die herrliche Natur bei Wanderungen genießen. Sie haben es nicht eilig und marschieren auf unserem Weg langsam dahin. Almrosen, Enzian, auch andere bekannten Alpenblumen erblicke ich auf dem camino. Es handelt sich um ausgetretene Pfade auf Steinen, Geröll, Schlamm, Gras und über kleine Rinnsale. Man muss sich ständig auf den Untergrund konzentrieren, einmal bin ich heute über eine von immer wieder hervortretenden Baumwurzeln gestürzt und glücklicherweise weich gelandet.

Verirren kann man sich beim Marathon gewiss nicht, denn die gesamte Strecke ist  gut mit Bändern und Fähnchen markiert. Außerdem sieht man vor und hinter sich immer wieder Läuferkollegen, die Fernsicht ist in den Bergen ein Vorteil. Ich bin wieder am höchsten Punkt angekommen, der Bergabwärts-Trail steht bevor. Da kann ich wieder einige Minuten gut machen. Es geht steil abwärts, vor der Almhütte (pic de la Serrera) sind viele versammelt, die sich an der Labe stärken. Als ich ankomme, marschiert Jürgen Kuhley gerade weg – ob er mich gesehen hat? Das Limit erreiche ich locker, von den 5 ½ Stunden (bis 13 Uhr 30 sollte man angekommen sein), bin ich eine gute Stunde entfernt. Daher sind ein paar Minuten Pause verdient. Ich massiere meinen linken hinteren Oberschenkel, ein Krampf hat mich schon am Aufstieg immer wieder zu kurzen Stopps gezwungen.

 

Von Sorteny zum Coll d’Arennes

 

Nach vier Stunden ist auch hier in den Bergen der Sommer zu spüren. Keine Wolke ist am Himmel, die Sonne um die Mittagszeit heizt die felsige Landschaft auf. Die kommenden 5 km mit ca. 700 Höhenmetern (von 1.900 auf 2.600 HM) werden strapaziös werden, bemerkt ein Holländer in meinem Alter auf Deutsch – er hat Jürgen und mich gestern bei der Startnummernausgabe wahrgenommen. Dann „Alles Gute, Kollege“, antworte ich, bevor ich mich auf den Weg mache.

Zunächst führt der Kurs durch den Wald ziemlich steil aufwärts – 10% sind hier die Norm –, dann weiter auf einen weitläufigen Almboden, der einen schönen Ausblick auf das Gebirgsmassiv eröffnet. Wäre ich nicht in einem Marathon eingebunden, könnte man die Gegend bequem wie einige Wanderer mitten unter uns im Spaziergang kennenlernen – der Talkessel ist mehr als einen Kilometer breit, Gebirgsblumen und kleine Bächen verschönern die Landschaft, auch noch einige Nadelbäume am Rande der Baumgrenze würden zum Ausruhen im Schatten verleiten. Ein paar hundert Meter vor mir marschiert Juergen Kulhmey des Weges, unverkennbar an seinem blauen Shirt und den Stockeinsatz. Wer wird schon 78 und wer läuft dann noch den Halbmarathon in 2:02 Stunden wie er?

 

 
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Jetzt kommt mein Einbruch, ich spüre, wie die Energie schwindet, mir fehlt die Luft. Wie sind auf 2.400 m Seehöhe, das muss man ja auch gewohnt sein. Ich setze mich auf einen Stein und tu so als wollte ich mit ruhiger Hand fotografieren. Die Fotos sind sekundär, ich trinke die halbe Cola-Flasche und verharre zwei Minuten. Dann aber spüre ich den Effekt, ich komme wieder gut voran, während andere in der Kolonne plötzlich stehen bleiben und nicht mehr können. Als ich wieder einen Halt einlege, um diesmal wirklich bewusst zu knipsen, bietet sich eine Spanierin an, mich zu fotografieren. Ich mache auch von ihr einen Schnappschuss.

Wieder stelle ich fest, dass der Stockeinsatz den Läufern, die ja in meiner Kategorie aufwärts nur mehr gehen, Vorteile bringt. Sie verteilen ihre Körperkraft besser, während ich nur die Beine beanspruche. Also das nächste Mal nehme ich weiteres Übergepäck in Kauf.

Endlich erreichen wir den höchsten Punkt im Massiv Ferreroles. Drei Helfer registrieren die Startnummer, messen die Laufzeit aber nicht. Nun geht es über einen steil verlaufenden Grat, der abschnittsweise keine waagrechten Trittflächen aufweist und man sich rechts abfallend mit Stöcken gut stützen könnte, weiter. Sogar kleine Anstiege sind dazwischen, ich balanciere mitunter, um nicht den steilen Hang abzurutschen. Würde man das, wäre es eine schmerzhafte Rutschpartie, die auf  den spitzen Steinen und dem Geröll zu argen Verletzungen führen könnte. Man ist in diesem Moment auf sich alleine gestellt, die Kollegen schauen, dass sie vorankommen, es dreht sich niemand um. Daher halte ich die Querung dieser Trasse nur bei Schönwetter für vertretbar, bei Nebel, Wind und Regen müsste man wohl eine Ersatzroute anbieten – auf die man beim Briefing gestern für den Notfall verwiesen hat. Der Coll d’Arennes hat es in sich, das muss man anmerken. Auf der gefährlichen Querung des Grates kann man auch nicht überholen, außer man hat dabei Erfahrung und stützt sich mit den Stöcken gut ab.

Inmitten einer felsigen Landschaft mit Geröllhalden dem Grat entlang ohne Bäume, bestenfalls einige Grasflächen, konzentriert sich mein Blick auf die in der Talsohle erkennbare Versorgungsstation am Fuße des höchsten Berges der Region resp. des Marathonkurses, des Casamanya. Noch bin ich vielleicht 500 m entfernt, ich freue mich auf die leckeren Köstlichkeiten bei der Labe. Auch bin ich nun ziemlich erschöpft, aber bestens in der Zeit. Das Limit bei Kilometer 24 ist mit 8 Stunden festgesetzt, man sollte also vor 16 Uhr zum zweiten Kontrollpunkt gekommen sein. Ich liege 2 Stunden darunter, kann mir also Zeit lassen und zwar solange, bis die meisten sich auf den Weg zur vielleicht schwierigsten Passage, nämlich den Anstieg auf den Casamanya, aufmachen. Dann habe ich keinen Druck von hinten und kann auch kleine Pausen einlegen.

 

Hinauf auf den Casamanya und
steil hinunter zum Coll d‘Ordino


Gut ein halbes Dutzend Läufer brechen bei der zweiten Kontrollstelle ab, sie geben auf, weil ihnen offenbar die bevorstehende Kletterpartie mit 20% Steigung zu schwer vorkommt. Je näher ich nun zu dem steilen Felsmassiv komme, desto größer wird mein Respekt. Der Aufstieg ist nur unter Zuhilfenahme der in den Felswänden befestigten Ketten möglich und vor allem sicherer. Als Gebirgsjäger beim österreichischen Bundesheer Anfang der 1970er-Jahre wurde mir eine Alpinausbildung zuteil. Daher ist es weniger der Respekt vor steilen Felswänden als vielmehr meine Müdigkeit, die den Aufstieg verzögert. Einen Helfer sehe ich bei einer schwierigen Passage stehen, er reicht der mutigen Spanierin, die mich vor gut 1 1/2 Stunden knipste, die Hand und zieht sie hoch, zudem nimmt er ihr die Stöcke ab. Als ich näher komme, bietet er mir an, mich zu fotografieren – die Casamanya-Erstbesteigung wird es wohl nicht mehr, aber eine schöne Erinnerung an diesen Trail-Marathon. Der Gesamtanstieg bei einem Gefälle von über 20% beträgt ca. 200 m, nach einer halben Stunde bin auch ich endlich am nördlichen Gipfel des Casamanya, dem Hausberg von Ordino. Oben am Plateau setze ich mich auf einen Stein und trinke einen kräftigen Schluck Cola. Die Aussicht ist gigantisch, ein 360 Grad-Panorama bei schönstem Wetter eröffnet sich mir. Ein Helfer weist darauf hin, dass ich noch ein Stück weiter zum Südgipfel des 2750 Meter hohen Casamanya marschieren muss, erst dann würde der ersehnte Abwärtstrail beginnen.

 

 
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Im Vergleich zur mühsamen und kräfteraubenden Besteigung des Casamanya-Massivs  kommt mir die nun folgende Querung am Grat des Berges wie eine entspannende Wanderung im Hochgebirge vor. Allerdings muss ich wohl zugeben, dass überraschenderweise jene Läufer, die mit mir an der Labestelle am Coll d‘Arenes pausierten, sozusagen längst über alle Berge sind, sie haben den Anstieg schneller gemeistert. Einmal geht es noch ein Stück bergan, dann bin ich oben am höchsten Punkt in der umliegenden Berglandschaft. Statt eines Gipfelkreuzes wie in den Alpen üblich, hat man einen Kubus aus Steinen errichtet. Ein oben angebrachter metallener Wegweiser gibt Aufschluss, welche Routen man einschlagen kann.

Auch hier wird die Startnummer von einem Helferteam in eine Liste eingetragen, die nächste Kontrollstelle ist bei Kilometer 30 vorgesehen. Nun sollte mein Part kommen, ein ca. 3 ½ bis 4 Kilometer langer Abstieg, auf dem ich das steile Gefälle ausnutzen möchte, um etwas Zeit gut zu machen. Leider überschätze ich diesmal meine Möglichkeiten, ich komme nur langsam voran, die Stege sind zwar ausgetreten, aber uneben, auf losen Steinen kann man leicht ausrutschen, der Druck auf die Knie und Gelenke ohne Stöcke ist bei dem Gefälle zu groß. Ich komme abwärts kaum schneller voran als bei der Wanderung über den Grat des Casamanya. Zwar überhole ich hin und wieder einen Läufer, aber so richtig kann ich meine Abwärtslaufstärke nicht zur Geltung bringen. Ein  Wanderer kommt mir keuchend entgegen, ich sage „Hola, todavía un camino largo y empinado“. Die Leute in Andorra lernen ja auch Spanisch in der Schule, das sich vom Katalanischen etwa so unterscheidet wie Schwedisch von Norwegisch. Ich weiß nicht, ob ich imstande wäre, mit ihm nochmals den steilen Weg zum Casamanya hinauf zu hatschen – auch wenn bei dieser leichteren Route keine Felswand zu erklettern ist.

Eine attraktive Läuferin macht es besser als ich, sie stürmt mit abgewinkelten Stöcken ohne den Boden zu berühren den Berg hinunter in einem Tempo, das mich neidisch macht. Bei einem Sturz würde sie kaum ohne Schrammen davonkommen. Das ist es mir nun nicht wert, ich schau, dass ich einigermaßen sicher runterkomme. Bald führt der durchgehend gut mit Bändern markierte Kurs nun unter der Baumgrenze wieder durch Waldgebiet. Es wird flacher, doch so richtig laufen kann ich wegen der vielen Unebenheiten, Steinen und in den Pfad hineinwachsenden Wurzeln nicht.

Ein Pärchen kommt mir entgegen, der junge Mann spricht mich gleich auf Englisch an und sagt, dass es nicht mehr weit zum Camp sei. Damit meint er die Kontrollstelle am Coll d’Ordino. Ich sehe durch eine Waldlichtung auf einer grünen Wiese ca. 300 m entfernt die Helfer in orangen Westen vor dem grauen Zelt versammelt. Ein Dutzend Läufer steht herum, sie pausieren und laben sich. Ich nähere mich der Versorgungsstelle, eine für den Verkehr nicht gesperrte Straße ist zu überqueren. Helfer achten aber darauf, dass die wenigen Autos stehenbleiben, wenn wieder ein Läufer zur letzten Messkontrollstelle bei 30 Km kommt. Man registriert meine bisherige Laufzeit, mit etwas über 8 Stunden liege ich deutlich unter der Sollzeit von 10 Stunden 30. Bis spätestens 18 Uhr 30 muss man hier durchgekommen sein, so lautet die Vorgabe. Eine kleine Pause tut mir gut, schließlich möchte ich auch von all den vielen Essensvorräten ein Häppchen probieren. Am besten schmecken mir ein übergroßes gefülltes Schokokeks und die grün-gelben Melonenstücke, die zunächst gar nicht reif ausschauen. Als sich alle vor Ort befindlichen Läufer schon längst davon gemacht haben, tratsche ich immer noch mit den jungen Helferinnen und lobe das reichhaltige Angebot bei der Versorgung.

 

Die letzten 12 km ins Ziel

 

In der Regel habe ich das Denkschema im Kopf, dass ein Marathon nach 30 Km eigentlich schon abzuhacken ist oder anders gesagt, ich für 12 Kilometer ca. 1 ½ Stunden veranschlage. Das Profil des Kurses hat man auf der Startnummer verkehrt aufgedruckt, so dass die Läufer eigentlich ständig sichten können, wo sie sich befinden. Ich spekuliere mit einer Finisherzeit unter 10 Stunden, ob das möglich ist, wird sich bald zeigen.

Zunächst geht es auf einen Pfad im Wald bergab mit kurzen Gegenanstiegen. Bei Kilometer 32 folgt ein längerer Anstieg auf den Collada Estall. Ausgerechnet jetzt blinkt meine Garmin 225, der Akku ist fast leer. Ich muss auf normale Uhrzeit ohne GPS-Funktion umschalten und damit ohne die Kilometeranzeige auskommen. Wahrscheinlich gehört es zu einem Trail, dass Kilometerangaben auf der Strecke fehlen. Doch man kann schlecht abschätzen, wie weit man gekommen ist, wenn man aufgrund der Streckenbeschaffenheit eigentlich nur schnell gehen kann. Ich schätze, dass ich hier im Wald für den Kilometer 12 Minuten benötige, eher mehr. Mitunter ist der Pfad unterbrochen, man muss sich an einer Kette entlang bewegen, um nicht abzurutschen.

 

 
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Bisher habe ich erst zwei Läufer eingeholt, doch der Weg bis ins Ziel ist noch weit. Auf meiner linken  Seite siehe ich tief unten im Tal Andorra la Valle, erstaunlich, auf welcher Höhe der Trail verläuft. Ich schaue auf die Uhrzeit, es ist knapp vor 17 Uhr, mehr als vier Kilometer dürfte ich kaum geschafft haben. Ich ahne, dass ich die 10 Stunden überschreiten werde, zumal es laut Plan bei Kilometer 38 noch einen Anstieg gibt. Sobald der Kurs ein zügiges Abwärtslaufen zulässt, komme ich gut voran. Endlich zeigt mein Einsatz auch einen Erfolg, ich hole mehrere Läuferinnen und Läufer ein, die mit Stockeinsatz dahinwalken. Ich überhole sie mühelos, auch Jürgen Kuhlmey bleibt zurück. Ihn frage ich, wieviel Kilometer es noch sind. Er glaubt, dass es nur mehr 5 seien, bis mir dann an einer Kontrollstelle eine Helferin erklärt, dass es noch 8 Kilometer sind. So kann man sich verschätzen. Vielleicht hat sich die Helferin geirrt, denke ich mir. 8 Kilometer in dem Gelände bedeuten 1 ½ Stunden.

Bei einer weiteren Kontrollstelle, wo nur die Startnummer notiert wird, frage ich erneut nach den verbleibenden Kilometern. „Son cuatros kilometres“, das versteht man. Meine Uhr zeigt 18 Uhr 15 an. Das nächste Ziel muss nun eine Finisherzeit unter 11 Stunden sein, das sollte gelingen. Auf dem steinigen Weg kann man schlecht laufen. Allerdings ermöglicht der ab Kilometer 30 fast durchgehend im Wald führende Marathonkurs die  an diesem heißen Sommertag nötige Kühle, ohne die die Strapazen deutlich höher wären. Gut 20 Minuten später komme ich erneut zu einer Kontrollstelle an einer Weggabelung. Freudig nehme ich zunächst auf, dass es nur mehr 2 km bis ins Ziel seien, doch ein Helfer deutet an, dass es nun wieder auf eine Anhöhe hinauf gehe. Das frustriert mich, widerwillig schleppe ich mich auf den steilen Pfad hinauf. Die zwei hübschen Walkerinnen, an denen ich eben so flott vorbeigelaufen bin, kommen nun auch wieder näher. Aber beim Aufwärtsmarschieren treffe ich auf eine kleine Vorhut von ebenso geschafften Läufern, die auch mit ihren Kräften haushalten müssen. Irgendwann kommt dann die Wende, jetzt sollte es bis ins Ziel nicht mehr so weit und beschwerlich sein.

Die Gefahr auf dem felsigen Untergrund abzurutschen, ist auch auf dem letzten Abwärtskilometer groß. Am Ortseingang von Ordino hat sich eine kleine Fangruppe postiert, die den aus dem Wald herauskommenden Läufern applaudiert. Die Uhr zeigt 18:55 an, als ich einlaufe. Ein paar Sekunden vergehen, bis die Zeit mittels Ablesegerät von der Startnummer erfasst wird. 42,5 km und 3.000 Höhenmeter sind geschafft, das zählt.

Mein erster Gedanke ist ein Bier zu bekommen – es steht am Schank schon bereit. Im Zielbereich sind schon viele versammelt, nicht nur die Marathonläufer, sondern auch deren Angehörige und Kollegen von den Ultra-Trails, die noch bis spät in der Nacht ankommen werden. Als Finishergeschenk bekomme ich ein oranges Kopfband, Medaille gibt es leider keine. Als zweites Finishergeschenk kann man sich entweder ein sehr schickes Kurzarmfunktionsleibchen in schwarz-blau aussuchen oder eine Art Laufjacke mit Kapuze entgegennehmen. Duschen und Massagen werden im Sportzentrum angeboten, den Essensbon für 6 Euro kann man im daneben befindlichen Festzelt einlösen.

Ich setze mich nach dem Lauf noch ungeduscht zu Klaus und Giuseppe, wir stoßen an. Klaus ist ja Mediziner, ihm hätte ich meinen kaputten Nagel auf der linken großen Zehe zeigen können. Der schmerzt jetzt, der Druck beim Abwärtslaufen bei 20% Gefälle hat das Nagelbett verletzt. Am Abend werde ich selbst Hand anlegen, man sticht mit einer Nadel unter den Nagel und bringt das Blut zum Abfließen. So vermeidet man, dass sich der Nagel entzündet und gezogen werden muss. Er ist immer noch ein besserer Schutz als jedes Pflaster. Mir dämmert, dass ich nun einige Wochen ausfallen werde.

Das sind alles nur Gedanken, die mir durch den Kopf gehen, die ich aber in der Runde nicht anspreche. Wir reden über den Schwierigkeitsgrad des Andorra-Trails. Die Kollegen zeigen doch etwas Respekt und meinen, dass es in Europa kaum vergleichbare und auch schwerere Trails gebe. Da mögen sie Recht haben.

 

Wie sieht mein persönliches Fazit aus?

 

Für einen Ländersammler wie mich (mit nunmehr 41 Ländern im hintersten Feld in der Country Marathon Club-Statistik  angesiedelt) ist der Ultratrail über 42,5 km in Andorra quasi ein Baustein, der dazugehört. Allerdings haben Bergläufe schon länger für mich eine gewisse Faszination, weil man sonst kaum je so intensiv in die Natur eingebunden ist. Körperliche Mobilität ist ein großes Gut, das einem lange bewahrt sein möge.

Die diversen Marathonbewerbe im Ultrabereich sowie der Marato dels Cims selbst sind hervorragend organisiert, das konnte man am professionellen Management und reibungslosen Ablauf an den drei Tagen, an denen ich in Ordino war, gut erkennen. Mit ca. 50 Euro ist das Preis-/Leistungsverhältnis nach meinem Dafürhalten sehr gut. Duschen und Massagen sind im Sportzentrum untergebracht, einen Essensbon kann man um 6 Euro erwerben. Die Essensvielfalt an den Labestellen ist so einzigartig, dass man sich mehr Zeit lassen.

Da es sich um einen Trail im Hochgebirge im Durchschnitt auf 2.000 m Seehöhe handelt, sind die Vorschriften betreffend die Extraausrüstung zweckdienlich und bei einem Wetterumschwung vielleicht sogar lebensrettend. 3.000 Höhenmeter hinauf und hinab und die extremen Steigungen von tlw. über 20% muten einem einen großen körperlichen Einsatz zu, sind aber durch die aus meiner Sicht sehr großzügig angelegten Cut-off-Zeiten gut (vor allem mit Stöcken) zu meistern. Daher wäre es übertrieben zu sagen, man sei nun ein Held, wenn man den Marato dels Cims gefinisht hat – jedenfalls nicht in einer Zeit von knapp unter 11 Stunden.

Bleibende Eindrücke nehme ich mit nach Hause, Andorra ist klein, aber fein. Wir müssen auch bei uns zu Hause die Natur in ihrer Ursprünglichkeit bewahren, wie das hier in den Nationalparks geschieht.

 

Sieger bei den Herren:
1. Albert Pujol Garcia  (ESP) – 4:31:40
2. Pol Rodriguez Salvador (ESP) –  4:31:40
3. Abdelkadous Moujnia (ESP) – 4:33:08

Damenreihung:
1. Zuriñe Frutos Gutierez (ESP) – 5:37:54
2. Mila Duran Rodrigues (ESP) – 5:50:20
3. Queralt Riba Herandez (AND) – 5:56:58

579 Finisher (Letzte wurde Anna Podraza aus Polen mit 13:24:35)

 

 

Informationen: Andorra Ultra Trail
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