Obwohl das legendäre Jungfraumarathon-Wochenende bestimmt ein Magnet für viele Bergläufer war, fanden sich am Samstag, 10. September mehr als 200 Trailläufer beim dritten Arosa Trailrun ein. Im Angebot standen drei unterschiedliche Laufstrecken: der Ultratrail AT 46 mit 52,9 Kilometern, 3391 Höhenmetern und 4 Gipfeln und die beiden kürzeren Strecken, der AT 22 mit 21,1 Kilometern, 1338 Höhenmetern und 2 Gipfeln und schließlich der AT 15 mit 14,8 Kilometern, 974 Höhenmetern und einem Gipfel.
Ich hatte mich für die Königdistanz entschieden und mich am Lauftagmorgen noch nachgemeldet, genügend Startplätze (für den AT 46 gab es nur knapp 60 Voranmeldungen) waren noch frei. Die Nachmeldung war schnell geschehen und die Startnummer wurde mir überreicht, ohne dass wie sonst üblich die Pflichtausrüstung kontrolliert wurde. Allerdings musste ich eine Erklärung unterzeichnen, dass ich mich ausreichend über die Veranstaltung im Vorfeld informierte.
Bevor ich nun mehr vom Lauftag erzähle, möchte ich noch ein paar Worte zur Reise in das entlegene Arosa im Schanfigger Tal verlieren. Bis Chur, der Hauptstadt des Kantons Graubünden und der ältesten Stadt der Schweiz, kann ich ausschließlich Autobahn fahren, danach sind es nur noch knapp 30 Kilometer bis nach Arosa. Doch diese „wenigen“ Kilometer haben es in sich, denn mit mehr als 300 Kurven auf einer engen Asphaltstraße geht es von Chur aus steil bergauf, um in den Graubündener Ferien- und Luftkurort auf 1775 m zu gelangen. Mit dem Zug von Chur nach Arosa dauert die Fahrt etwas mehr als eine Stunde. Immerhin muss der Zug, aber auch ich im Auto, von Chur (585 m) bis nach Arosa einen Höhenunterschied von fast 1200 m überwinden. Endlos schlängeln sich die Bahngleise ähnlich der Bergstraße durch das Schanfigger Tal, an dessen Ende sich Arosa befindet. Ich kannte Arosa bereits vom Skifahren und kann mich noch gut an die anstrengende Autofahrt ins Tal im Winter erinnern. Doch jetzt im Sommer ist diese Straße nicht weniger anstrengend.
Als ich mich um 6 Uhr im Zelt auf dem Eisplatz am Obersee einfand um mich nachzumelden, waren bereits einige Teilnehmer vor Ort und frühstückten (das Frühstück war im Startgeld inbegriffen!). Noch war es draußen recht kühl, aber wolkenlos und die Wettervorhersage versprach ein Traumtag in den Bergen. Bei einer Tasse Kaffee verging die Zeit schnell, bis dann um 7:30 Uhr die knapp 70 Trailläufer auf die Strecke geschickt wurden. Kaum hatten wir die Häuser von Arosa hinter uns gelassen, ging es auch gleich schon stetig bergauf, zuerst moderat über schottrige Wirtschaftswege. Doch kaum hatten wir die Baumgrenze hinter uns gelassen, wurden die Bergwege steiler und anspruchsvoller. In steilen und engen Kurven stieg der Weg im grauen Geröllfeld zum 2653 m hohen Aroser Weisshorn. Schon bald erreichte ich die erste Verpflegungsstelle in der Bergstation der Gondelbahn. Beim Aufstieg erwärmten die spätsommerlichen Sonnenstrahlen nicht nur die kahlen Berghänge, sondern auch mich, denn Schatten gab es keinen. Manchmal wehte mir ein kühles Lüftchen um die Nase, immerhin bewegte ich mich auf etwa 2500 Metern Höhe. Trotzdem war es um 9 Uhr morgens schon recht warm hier oben.
Kaum hatte ich die Bergstation am Weißhorn verlassen, ging es ebenso steil hinunter wie ich zuvor hinauf gelaufen bin. Der zweite Gipfel war nicht mehr weit, ich sah ihn bereits nach dem nächsten Bergrücken vor mir liegen: das 2496 m hohe Hörnli. Dazwischen lag die 2367 m hohe Carmänna, einer Passhöhe zwischen dem Urdental und dem Schanfigger Tal. Ich war vom Panorama hier oben begeistert. Zu meiner rechten hatte ich den Weitblick nach Lenzerheide mit den weiten Hängen des Valbella-Skigebiets. Zu meiner Linken erstreckte sich das Skigebiet oberhalb von Arosa und im Tal dann die teils noch im Schatten liegenden Häuser des bekannten Urlaubsortes. Vor mir lag das 2865 m hohe Parpaner Rothorn, das ebenfalls zum Skigebiet Lenzerheide zählt. Die Skigebiete von Arosa und Lenzerheide sind seit dem Winter 2014 über die Urdenbahn, einer Skischaukel von der Hörnli-Bergstation hinüber zur 2546 m hohen Urdenfürggli, verbunden. Mit dieser Umlaufgondel wird das tiefer liegende Urdental überwunden.
An der Hörnlihütte erwartete mich bereits die zweite Verpflegungstelle, bevor es zurück nach Arosa gehen sollte. Die AT 46-Strecke führte nicht auf direktem Weg zum Ort hinunter, sondern machte noch einen Umweg zum Älplisee (2156 m). Danach blieb der Trail dann oberhalb des Schwellisees mit Blick auf die Häuser von Inner-Arosa, die langsam näher kamen. Zurück in Arosa hatte ich schon 22 Kilometer geschafft. Ich brauchte etwa 3,5 Stunden für die erste Schleife übers Weißhorn und das Hörnli. Nicht übel, wenn man bedenkt, wie viele Höhenmeter bereits hinter mir lagen.
Mit dem Durchlauf über den Eisplatz am Obersee, der dritten Verpflegungsstelle, begab ich mich auf die zweite Runde in die Graubündener Bergwelt um Arosa. Weitere 30 Kilometern und einige Höhenmeter lagen noch vor mir, doch zuerst ging es mehr als 150 Höhenmeter bergab zum Stausee Isel. Dort wechselte ich die Talseite, was mir beim Aufstieg auf die Maienfelder Furgga immer wieder einzigartige Ausblicke auf Arosa und natürlich meine erste Runde übers Weißhorn und das Hörnli bot. Mit einem kleinen Umweg zum Grünseeli (1811 m) mit einem kleinen Picknickplatz befand ich mich inmitten eines lichten Lärchenwaldes, der nur wenig Schatten bot. Schon bald gab es auch keine Lärchen mehr und die weiten, grauen Hänge begleiteten mich beim Aufstieg auf die Maienfelder Furgga (2436 m) mit einer kleinen Schutzhütte auf der Passhöhe.
Die Maienfelder Furgga war schon immer ein bedeutender Übergang zwischen Arosa im Schanfigger Tal und Frauenkirch bzw. Glaris im Landwassertal. Hier oben erwartete mich laut Roadbook eine „minimale Verpflegung“, immerhin gab es neben Wasser auch ein Iso-Getränk und Energieriegel. Zwei weitere steile Anstiege standen mir nun noch bevor, am Schwarzhorn vorbei und dann noch auf das Chörbschhorn (2651 m). An der Chörbschhornhütte unterhalb des Chörbschhorngipfels gab es eine weitere „minimale“ Verpflegung“, bis auf weiteres die letzte vor dem Strelapass und bis nach Jatz im Saprüntal.
Ich wollte mich aber erst einmal an diesem gigantisches Panorama auf Davos und das Jakobshorn zu meiner rechten erfreuen, um nur einen winzigen Teil des Bergpanoramas zu beschreiben. Zu meiner linken verdeckte die Medergen Flue die Sicht auf Arosa und die Dörfer im Schanfigger Tal. Und hinter dem nächsten Bergrücken eröffnete sich mir der Blick auf die Bergstation Weissfluh mit 2843 m, dem höchsten Gipfel des Davoser Skigebiets Parsenn. In diese Stein- und Geröllwüste bewegte ich mich nun bergauf und bergab bis zum Strelapass (2346 m). Von hier aus trat ich mich den Rückweg nach Arosa an, so glaubte ich. Bis Jatz (1831 m) im Sapüntal verlor ich auf engen, steil hinabfallenden Serpentinen gleich mal 500 Höhenmeter. Nur den unteren Teil konnte ich wieder gut laufen, bevor ich in Jatz an einem blumengeschmückten Holzhaus vor einer reichlich gedeckten Verpflegungsstelle ankam.
Leider hatte ich das Höhenprofil der AT46-Strecke nicht mehr im Kopf und war erstaunt, als mir die freundliche Graubündnerin dort erklärte, dass es da nach links noch einmal hinauf gehen würde. Der Weg wäre aber nicht so steil und anstrengend wie die Wege zuvor. Und es würden noch etwa 10 Kilometer bis nach Arosa vor mir liegen. Das war eine Ansage! Und wahrlich war der Bergweg für mich nun auch weniger steil und weniger anstrengend als die Trails vorher, aber nichtsdestotrotz ging es für mein Gefühl endlos hinauf. Durch das niedrige Gestrüpp konnte ich immer wieder etwas sehen, aber leider auch keine Kulminationspunkt ausmachen! Endlich wurde der Weg flacher und bis Medergen, einer Alpsiedling auf etwa 2000 m Höhe, bleib ich mehr oder weniger auf dieser Höhe. Auch hier konnte ich mich noch ein letztes Mal für die verbleibenden Kilometer stärken.
Seit dem Strelapass befand ich mich auf dem sogenannten Schanfigger Höhenweg, einem Mehrtages-Rundwanderweg entlang dem Schanfigger Tal von Chur ausgehend über den Strelapass bis Arosa und wieder zurück nach Chur. Diesen Höhenweg verließ ich nun nicht mehr auf den verbleibenden Kilometern nach Arosa. Bereits auf dem Strelapass bemerkte ich die aufziehenden Wolken und mit jedem Kilometer wurden die Wolken dunkler, in der Ferne konnte ich schon bald den Donner hören. Würde es noch reichen, ohne Gewitterregen ins Ziel zu laufen? Ich setzte alles daran und lief so schnell ich konnte den Berg hinunter. Der Donner wurde lauter und ein kühler Wind fegte durch das Tal. Zum Glück hatte ich den Stausee Isel schon erreicht und musste nur noch ein paar Höhenmeter bergauf überwinden, um wieder zum Eisplatz am Obersee zu gelangen.
So ein Mist – die ersten Tropfen fielen und schon kam der heftige Gewitterregen hinterher. Ich hatte bereits das Stadion erreicht, musste aber noch einmal um den Eisplatz herum ins Ziel. Diese wenigen Meter reichten aus, dass ich vollkommen durchnässt durchs Ziel lief. Der Eisplatz war im Nu eine einzige Wasserpfütze. Zum Glück war das Festzelt nicht weit und ich war sogleich im Trockenen und Warmen. In knapp 11 Stunden hatte ich diesen Trailrun über 52,9 Kilometer und 3391 Höhenmeter bergauf wie bergab geschafft und hatte einen wirklich tolles Abenteuer in den Bergen.
Mal wieder eine Laufveranstaltung ganz nach meinem Geschmack! Ein harmonischer Wechsel zwischen anspruchsvollen Trail und gut zu laufenden Wegen, gefolgt von steilen Passagen bergauf wie auch bergab und natürlich dem dazu gehörenden Panorama rundherum. Ganz besonders beeindruckend waren für mich die Weitblicke hinüber nach Lenzerheide und nach Davos. Diese Gegend kannte ich bereits von meiner Teilnahme am Swiss Irontrail, wo ich bereits von Lenzerheide kommend übers Weißhorn nach Arosa lief und von da aus den Strelapass hinüber nach Davos. Leider war ich damals nicht nur im Dunkeln unterwegs, sondern auch bei Schneeregen, Nebel und Kälte.
An diesem Samstag beim Aroser Trailrun hatte ich nun endlich die Gelegenheit, die Berge bei super tollem Wetter zu bestaunen. Auch wenn die Anreise etwas umständlich ist, lohnt es sich nach Arosa zu fahren und an diesem Abenteuer teilzuhaben. Mit viel Engagement wurde aus dieser kleinen Laufveranstaltung ein wirklich tolles Erlebnis. Den Organisatoren, wie auch den Helfern unterwegs ein herzliches Dankeschön!