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25.05.14 - Azores Trail Run

Born to be wild

Azoren oder Amazonas


Durch eine enge Waldschneise in Faials verwunschenen Naturpark schlängeln sich die kilometerlange Levada und ich. Die Levadas der Caldeira waren einst Teil eines Wassersammelsystems, das ein Wasserkraftwerk in Varadouro speiste. Durch das Erdbeben von 1998 wurden weite Teile der damaligen fast zehn kilometerlangen Levada zerstört. Heute ist der Wasserweg wieder hergestellt und ich springe immer wieder über diese offene Wasserleitung oder steige über kleine Mäuerchen, um die Seite zu wechseln. Es ist gar nicht so einfach, nach so vielen gelaufenen Stunden mit steifen Knochen noch elegant über die auseinanderstehenden Tritthilfen zu balancieren. Nach und nach bekomme ich Gefallen daran und die Schritte darüber werden lockerer und mutiger. Auch wenn die Knochen schmerzen, macht es Spaß, immer wieder über die Steine hinweg zu springen. Schlagartig wird es wieder drückend schwül. Wäre die Holzbrücke, über die ich nun laufe, eine Hängebrücke, dann könnte man glauben, ich wäre am Amazonas.

 
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Nach der Brücke beginnt der Wald und ich fühle mich wie im Dschungel. Es geht abwärts. Bis eben hoffte ich, mich dem uneingeschränkten Genuss des Laufens hingeben zu können. Jetzt aber wird das Gefälle steil und steiler. Um mich herum dampft es vor Feuchtigkeit. Der eben noch trockene Boden wird nass und nässer. Braunes Schlammwasser rinnt die Erde hinunter. Der Boden bietet den Schuhen keinen Halt mehr. Erst rutsche ich, dann versinke ich. Die Folge: Ein Erdrutsch mit Kamera.

Inzwischen ist die Strecke der Ultra-Trail-Läufer und der „Trail der 10 Vulkane“-Läufer identisch. Der Weg hat nun ein fast gleichmäßiges Gefälle. Ich hoffe, mein Tempo ist hoch genug, damit der Wind die Kamera wieder trocknet. Am historischen Waschhaus der Frauen, dem Casa das Lavadeiras, hoffe ich auf Reinigung, aber hier gibt es schon lange kein Wasser mehr.

 

Die Macht der Natur


Sensationelles tut sich vor mir auf. Plötzlich ist neues Land in Sicht! Ich bleibe stehen, genieße den kilometerweiten Fernblick. Die Vulkankegel sehen von hier oben aus wie das Rückgrat eines grünen Dinos. Am Ende, sozusagen am Kopf des Drachens, ist  der Ponta dos Capelinhos, die Halbinsel mit der bizarren Küstenlinie, zu sehen.

 
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Augenscheinlich ist das Ziel in Sicht- und Hörweite, dabei ist es doch noch mindestens vier Kilometer entfernt. Keine halbe Stunde und ich bin im Ziel, denke ich noch und verwerfe diesen Gedanken im gleichen Augenblick. Bis zu meiner Hüfte gehen die Naturstufen, der Farn streichelt meine geschundenen Beine. Der Aufstieg ist steil, jeder Atemzug schmeckt nach Schweiß. Ich suche Halt an hageren Wurzelarmen. Die letzten Kilometer geht es auf schmalen steinigen Pfaden der Küste entgegen.

 

Tiefschwarze Vulkanasche trifft auf stahlendblaues Meer


Dann geht alles viel zu schnell. Die Landschaft, einst unheimliches Naturspektakel, wird zum Landschaftsfilm – ich wünsche ihn mir in slow-motion. Das Gestein unter meinen Füssen gleicht einer Wüste aus Schlacke und Schotter. Kurz darauf ist es nur noch eine einfarbige Kulisse im müden Licht des Nachmittags, die sich sanft geneigt zur Küste zieht, die links und rechts mitgezogen wird – eine Mondlandschaft aus Asche und Staub. Ich stelle mir vor, wie vor nicht ganz so langer Zeit der Atlantik ein explosives Gebräu kochte, weiße Wolken aus Wasserdampf daraus empor schossen und das Meer zu brodeln begann.

Ich stelle mir vor, wie mehr als 30 Millionen Tonnen Lava und Asche beim Ausbruch des Vulkans Capelinhos genau hier niedergingen. Kann man sich das überhaupt vorstellen? Dabei sind es die gleichen Naturkräfte, die die Azoren überhaupt erst haben entstehen lassen. Die Bewohner konnten sich retten, die Häuser und Felder sind bis heute verloren. Nur ein Teil des 1902 erbauten und einstmals größten Leuchtturm Portugals, ragt nicht mehr von der Küste, sondern nun weit entfernt, aus dem schwarzen Sand. Auf dem braunschwarzen Ascheboden wachsen einige wenige kleine Büsche. Durch das feuchtwarme und niederschlagsreiche Azorenwetter soll es nur 100-200 Jahre dauern, bis sich komplett das saftige Grün über diese dunkle Vulkanlandschaft legt. Im unterirdischen „Centro de Interpretação do Vulcão dos Capelinhos“ ist die dramatische Geschichte des Vulkanausbruchs dokumentiert, das Museum sogar preisgekrönt.

 
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Ich gleite über hunderte Meter tief verschüttetes Leben. Feinster, von der Sonne gewärmter Aschestaub fließt über die Schuhe, setzt sich wie schwarzer Puderzucker in die Schuhe und wird mich, wenn er mir Zuhause entgegenkommt, an diesen einzigartigen Augenblick erinnern. Ich spüre nicht mehr, dass ich laufe, ich schwebe, lasse mich von den Gefühlen tragen. Es ist sensationell – niemals vorher habe ich so einen Zieleinlauf erlebt. Es ist zum Weinen schön.

 

Informationen: Azores Trail Run
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