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30.05.15 - Azores Trail Run

Vulkane, Urwald und Meer

Nach dem Start um 9 Uhr dürfen wir zum Einlaufen zuerst ein Stück auf der Straße hinab zum Meer laufen. Doch schon bald führen steile Treppenstufen und schöne Trails hinauf durch einen Wald mit exotischer Vegetation. Ich kann überhaupt nicht mit dem Fotografieren aufhören, will am liebsten den ganzen Tag über hier bleiben und ahne nicht, dass ich heute Mittag noch viel schönere Wälder erleben werde. 

 
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Die Anstrengung bringt mich schnell zum Schwitzen. Mit ca. 18 C ist die Temperatur trotz der etwas hohen Luftfeuchtigkeit angenehm. Der Anblick der vielen Pflanzen, die man bei uns nur in Gewächshäusern oder Blumentöpfen findet, lässt mich jede Anstrengung vergessen. Dann erreichen wir den Leuchtturm, der bis zum Jahr 1998 zwanzig Meter hoch war. Nach einem schweren Erdbeben, das 8 Menschen das Leben kostete und mehrere Dörfer zerstörte, blieb auch vom Leuchtturm nur eine einsturzgefährdete Ruine übrig. Der obere Teil mit den in rotem Rahmen steckenden Scheiben ging verloren. Eine Renovierung bleibt wegen des instabilen Untergrunds ausgeschlossen.

Die gefährlichen geologischen Lager, aber sicherlich auch wirtschaftliche Gründe führten dazu, dass viele Menschen auswanderten und sich die Einwohnerzahl der Insel in den letzten 60 Jahren auf heute noch etwa 15.000 halbierte.

Gleich darauf geht es wieder auf Urwaldtrails weiter. Etwas später feuern uns Zuschauer an, die bequem über die Straße vom Startort hier her kommen, dann folgt erneut Urwald.  Schließlich verlassen wir für kurze Zeit die Trails und laufen auf breitem Weg an einer tektonischen Störung vorbei. Die steile, stark bewaldete Bergflanke rechts neben uns ist die Kante einer Erdplatte, die sich gegenüber einer anderen verschiebt. Links von uns bedecken landwirtschaftliche Flächen sanfte Hügel. 

Der 2351 m hohe Vulkan Pico auf der neun Kilometer entfernten Nachbarinsel bleibt heute leider unter einer tiefen Wolkendecke verborgen. Die Insel hat genau die Form, wie man sich Vulkane vorstellt und wie bereits Kinder sie zeichnen. Bei gutem Wetter ist sie eines der schönsten und beliebtesten Fotomotive und würde unsere Strecke viele Stunden lang zieren. Leider zeigt sich der Berg aber erst am Abend kurz vor der Finisher-Party. Doch es gibt auch ohne Pico hier so viel Faszinierendes zu sehen!
Bei der ersten Verpflegungsstelle gibt es wie auch bei den weiteren Orangen, Bananen, Kartoffelchips, gesalzene Nüsse, sehr leckerer Kuchen, Gebäck und Honig, dazu Wasser, Cola und Iso. 

 
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Überall wachsen Hortensien, die im Sommer mit ihren blauen Blüten die Insel zieren. Hortensien sind zwar laut Reiseführer die typische Vegetation auf Faial, aber wie ich gestern im sehr interessanten Botanischen Garten erfuhr, keine einheimischen Pflanzen. Nur 30 Prozent der heute auf der Insel wachsenden Vegetation stammt ursprünglich von hier, der Rest wurde von Landwirten oder Gärtnern eingeführt und bedroht immer mehr die traditionelle Vegetation. Dennoch findet man viele spezielle Pflanzen, darunter 59 Arten, die nur auf den Azoren wachsen.

Die Trails werden nun immer schöner. Dann führt ein breiter Fahrweg in vielen Serpentinen schnell in die Höhe. Die Landschaft unmittelbar um mich herum erinnert nun sehr an eine Alm oder Skipisten, doch der Blick zum Meer und die Inseln zeigt nach wie vor, dass wir hier nicht in den Alpen sind. Da man sich jetzt nicht auf den Untergrund konzentrieren muss, kann man die ganze Zeit den Blick hinauf auf das Meer genießen und weit in der Ferne die Nachbarinseln Sao Jorge und Graciosa erkennen.

Nahe beim Parkplatz am Ende der Straße, die zur Caldera hinauf führt, befindet sich unsere zweite Verpflegungsstelle. Hier ist auch der Startplatz für die Läufer der 22 km Strecke. Noch ein kurzes Stück aufwärts, dann liegt die Caldera vor uns, ein etwa 2 km durchmessender und vor etwa 1000 Jahren entstandener Einsturzkrater. Um die Caldera herum führt ein 8 km langer Rundweg, dem wir nun fast komplett folgen. 

 
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Hier geht es mir wie schon oft zuvor: Es ist eine Sache, etwas auf Fotos zu sehen, ein völlig anderes Erlebnis aber, selbst davor zu stehen. Die wahre Größe der Caldera überwältigt mich und zeigt mir, wie gewaltig die Kräfte des Vulkanismus manchmal sind.  Etwa 400 m unterhalb des Randes der Caldera  befand sich früher ein Kratersee, der aber 1957 im Laufe des Vulkanausbruchs im Westen der Insel verschwand. Heute bedeckt eine Sumpflandschaft mit nur kleinen Wasserflächen den Boden, den man nur bei einer geführten Naturpark-Wanderung betreten darf.

Nach den urigen Wäldern ist dies nun der zweite außergewöhnliche Reiz, der die Anreise nach Faial so lohnend macht. Der Höhepunkt folgt dann ganz am Schluss. Unser Trail folgt meist dem oberen Rand des Kraters. Fast zwei Stunden lang blicke ich nun links hinab in die grün bewachsene Caldera, rechts sehe ich meist das blaue Meer. Leichte und etwas schwerer zu laufende Abschnitte wechseln sich ab.

Insgesamt kann man die erste Stunde hier oben als Genuss-Trail bezeichnen.  Neben dem Pfad wachsen Zedern, Wacholderbüsche, Buchen und große Farne.

Nach etwa der halben Umrundung zweigt die Route der 22 km Läufer in Richtung Ziel ab. Diese verpassen daher den technisch schwersten, aber auch interessantesten Teil unserer Strecke. Dennoch müssen auch sie viel Anstrengung auf sich nehmen, um das fast 1000 m tiefer als der Startplatz gelegene Ziel zu erreichen. Mein großer Respekt gebührt dem 83jährigen Portugiesen, der dies als ältester Teilnehmer schafft. 

 
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Zum Abschluss der Umrundung kommen für uns Ultras einige Passagen, die man kaum noch als Trails bezeichnen kann, schon eher als Wegspuren, denen wir in der Wildnis folgen können. Ein paar Meter bergauf, ein paar Meter bergab, immer so weiter. Hier muss man sehr konzentriert laufen. Und endlich gibt es auch für den Schlamm-Fan genügend Schmodder unter die Füße. Knapp unterhalb des höchsten Punktes der Insel steigen wir steil bergab. 

Kurz bevor wir die Umrundung komplett geschafft hätten, zweigen wir rechts ab. Entlang einer tektonischen Verwerfung beginnt nun die erste wahre Herausforderung für Trailrunner. Ohne Markierungsfähnchen würde man den Trail durch die Wildnis kaum finden. Verlaufen kann man sich bei diesem Wettkampf aber nicht. Die Strecke ist gut markiert, an allen wichtigen Abzweigungen sitzen Helfer. Nun braucht man ab und zu auch die Hände, um besonders steile Wegstufen zu bewältigen. Ich weiß schon seit Stunden, dass meine Entscheidung, mich auf dieses Abenteuer einzulassen, richtig war. Doch jetzt fühle ich mich endgültig in Trail-Himmel.   

 
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Als wir etwas später wieder auf leichterem, aber nicht einfachen Untergrund bergab laufen, zieht Nebel auf. Ich lasse meine Jacke im Rucksack, da ich weiß, dass ich bald unterhalb der Nebelgrenze laufen werde. Gleich nach der nächsten Verpflegungsstelle steigen wir auf sehr unterhaltsamen Trails durch ein kleines, durch eine geologische Störung entstandenes Tal hinauf. Wieder bedeckt häufig Schlamm den Boden, und auch hier stapfen wir oft hohe Stufen hinauf. Noch einmal werden die Socken nass, doch bei der heutigen, zum Laufen idealen Temperatur, trocknen die Füße schnell wieder. Ich komme nur sehr langsam voran, aber ich juble mal wieder vor Begeisterung. 

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Informationen: Azores Trail Run
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