Das Rennen abseits von Straßen gilt als die eigentliche Urform des Laufes. Es ist erwiesen, dass Steinzeitjäger mit ausgeklügelten Jagdtechniken und Strategien bereits vor 40 000 Jahren Wild zu Tode hetzen konnten. Schnelle, ausdauernde Bewegung in der freien Natur liegt uns also im Blut. Mittlerweile ist das Traillaufen zum neuen Hype avanciert. Die junge Wilden, eine ganz neue Generation von Läufern, macht Wald, Feld und vor allem die Berge „unsicher“. Je unwegsamer, desto besser.
Seit 2002 wird in Hoppstädten-Weiersbach der Bärenfelslauf ausgetragen. Angefangen hat es erstaunlicherweise mit einem Heiligabendlauf, ausgeschrieben von der Familie Feller, die in Läuferkreisen nicht unbekannt ist. Hinzugekommen sind mittlerweile der Sommer-Trail im Juli und der Mai-Trail am 1. Mai. Das Ganze gibt es dann auch noch als Cupwertung.
Hoppstädten-Weiersbach liegt verkehrsgünstig an der A62 im oberen Nahetal in Rheinland Pfalz unmittelbar an der Grenze zum Saarland. Die Anfahrt zum Lauf wird in der Ausschreibung erklärt und ist dann auch leicht zu finden. Wir parken auf dem Parkplatz beim Heizkraftwerk, wo uns Stefan Feller gleich einen Parkplatz zuweist. Dann geht es ca. 300 m zu einem Tunnel unter der Autobahn hindurch. Hier bekommt man das im Startgeld enthaltene Läuferfrühstück und die Startnummern.
Für den Ultratrail sind 41 Starter vorangemeldet und 20 für den 12 km Lauf. Ich sehe noch einige Nachmelder; trotzdem bleibt das Starterfeld übersichtlich. Links hinter dem Tunnel befindet sich das Ziel. Außerdem, das will ich an dieser Stelle extra erwähnen, gibt es ein Dixi, das sich, wie sich später noch herausstellt, direkt an der Strecke befindet.
Heute ist mieses Wetter: der Himmel ist grau und es regnet vor sich hin. Ich sehe viele Läufer in kurzer Laufbekleidung frieren. Höchste Zeit, dass es losgeht. Beim Bärenfels-Trail ist eines sicher: dass nichts sicher ist. Die Strecke wird gerne einmal „modifiziert“, d.h. Streckenführung und -länge sind variabel. Kernstück ist der wunderbare, ca. 12 km lange Bärenpfad, von dem dann ab und zu abgewichen wird. Große gelbe Schilder weisen den Weg. Robert Feller, Organisator des Laufs, führt die Läuferschar zum ungefähr 300 m entfernten Start auf einer Wiese. Beim kurzen Briefing erklärt er die Streckenführung. Wenn sich jemand verlaufen sollte, immer auf dem beschilderten Bärenpfad bleiben, so würde man auf dem Rundweg sicher wieder zurückfinden. Seit der ersten Austragung sei bisher immer jemand vom Weg abgekommen, wäre aber noch nie verloren gegangen. Das beruhigt.
Der Start erfolgt, und das Feld setzt sich in Bewegung. Es geht zunächst zurück zum Ziel, dann auf einen schmalen Wiesentrail. Hier ist überholen nicht möglich. Braucht man auch nicht, denn das Tempo ist relativ hoch. Auch auf dem folgenden extrem steilen Anstieg wird gepowert was geht. Schnell spüre ich meine Oberschenkel. Es wird flacher. Gerade habe ich mich etwas erholt, da geht es erneut steil bergauf. Oben angekommen wird es wieder flacher. Der gelbe Pfeil zeigt rechts. Ein uriger bemooster Weg mit tiefen Rillen durchzogen und umgestürzten Bäumen macht das Laufen schwierig. Dann geht es extrem steil bergab. Der Untergrund besteht aus losen Steinen. Nicht nur ich habe Probleme. hier heil hinunter zu kommen; manche rutschen sogar auf allen Vieren hinunter.
Dann wird es besser. Plötzlich taucht Robert vor uns auf: „ Haltet Euch hinter der Wiese rechts und dann gleich links.“ Ah, das muss ich mir für die nächsten Runden merken. Ein wunderbarer Singletrail führt an dem Bächlein Rohwiesfloß entlang. Langsam schlängelt sich der Pfad höher. Links biegen wir in einen Hain aus niedrigen Birken und Ginster ein. Ein kleiner Steg überquert den Bach. Vorsicht - rutschig. Wieder im Wald geht es höher und höher. Wir biegen in einen dichten Tannenwald, wo sich unser Pfad in sanftem Gefälle wieder hinunter schlängelt. Norbert merkt, dass ich nicht mitkomme und verabschiedet sich. Er will heute mal sein Tempo laufen.
Es folgt ein längerer Aufstieg, dann verlassen wir den Wald. Der Regen hat mittlerweile aufgehört. Unter uns ist saftiges Grün mit Aussicht auf mehre Windräder. Kurz geht es auf einem Wiesenweg entlang. Dieser führt uns wiederum auf einen breiten Waldweg. Ca. 1 km rollen wir bergab bis uns erneut ein gelber Pfeil nach links führt. Am Einstieg zum Weg haben Wildschweine ihr Unwesen getrieben. Der Untergrund ist völlig zerwühlt und die Füße müssen vorsichtig gesetzt werden. Dann geht es links den Berg hinauf.
Der Anstieg ist lang und wird zum Ende hin steiler. Ich bin froh, als uns oben ein geschotterter Waldweg nach links führt. Nachdem es zunächst kurz bergab geht, lässt eine längere Steigung nicht auf sich warten. Wo es hochgeht, geht es auch wieder runter. Auf dem langen Gefälle kann ich wieder Tempo machen. Etwas nach hinten versetzt, steht die „Dicke Eiche“. Das Naturdenkmal hat einen Stammumfang von mehr als 4 Metern und soll an die 600 Jahre alt sein. Wanderer können noch einen Abstecher zum nahe gelegenen „Messerbrunnen" machen. Das quadratische Loch war zur Römerzeit Quellheiligtum.
In der Einweisung war von einer VP bei km 7,6 die Rede. Laut meiner Uhr wäre das bald soweit. Der Weg steigt erneut, aber nur kurz. Bevor wir eine kleine Straße erreichen, zweigt der Bärenpfad scharf rechts auf einen Parkplatz ab. Geschützt in einem kleinen Pavillon warten die Helferinnen mit Wasser und Cola in Bechern. Außerdem gibt es eine ganze Menge Kleinigkeiten zu essen, wie Äpfel, Schokolade, Waffeln, Honigkuchen und Salzstangen. Ich bin mittlerweile schon über eine Stunde unterwegs und greife gerne zu.
Der Pfad führt nun an keltischen Hügelgräbern vorbei. Hier wurden im 19. Jahrhundert Grabbeigaben geborgen, die heute im Heimatmuseum in Birkenfeld zu sehen sind. Ein traumhafter Singletrail führt bergab auf einen langen Holzsteg über den Bruchwiesenbach. Gelbe Sumpfdotterblumen kontrastieren entzückend zum dunklem Moos. Der hintere Teil des Stegs ist wackelig. Ich bin froh als ich drüber bin. Über Stufen geht es hinauf in einen schummrigen Tannenforst. Der Pfad schlängelt sich durch das dicht stehende Nadelgehölz und das eindringende Licht macht die Szenerie surreal.
Zur Abwechslung dazu geht es direkt am Waldrand rechts bergauf, mit weitem Blick über die Felder. Zick zack um ein anderes Wäldchen herum, erreichen wir eine verlassene Rhyolitgrube. Rhyolit ist der Grundstoff für Keramik. Seit den 70er Jahren liegt die Grube jedoch still. Ein lauschiger Pfad führt oberhalb weiter und dann erneut bergab. Wir laufen kurz an einer Wiese entlang und wieder zurück in den Wald leicht bergauf bis sich vor uns die hohen Felsen eines weiteren verlassenen Steinbruchs auftürmen. Hier muss man aufpassen, der Pfad knickt scharf rechts weg. Wir müssen eine hohe Stufe hinauf klettern. Ein hübscher Singletrail schlängelt sich nun bergauf. Von oben kann man dann nochmals einen Blick in den Steinbruch werfen, bevor es weiter bergauf geht.
Der Trail endet am geschotterten Waldweg, wir halten uns jetzt rechts. Nach einem letzten kurzen Stück bergauf fällt der Weg. Erst leicht dann immer stärker. Ein Pfad zweigt rechts steil und steinig bergab. Ich lasse es laufen. Ein gutes Stück weiter unten wird es flacher, wir kreuzen einen anderen Weg. Dann hat uns der Pfad wieder. Er ist schmal, weich und wellig, ein Traum. Wir müssen zweimal über einen schmalen Steg. Anschließend erneut steil bergab und dann wieder über ein Holzbrett. Eine Wiese liegt vor mir. Auf dem Pfad geht es an einem Rinnsal entlang, dann links? Ja, in dieser Richtung kann ich eine Person erkennen. Und ist das nicht die Wiese vom Start? Ich überquere die Alte Nahe und laufe auf dem einzigen Asphaltstück der Strecke Richtung Ziel.
Gerade finishen die 12 km Läufer. Ich begebe mich am Ziel vorbei ins Verpflegungszelt. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt. Silke (geb. Feller) hat hier das Regiment und passt auf, dass auch jeder gut versorgt ist. Dann geht es für mich erneut auf die Strecke. Für die erste Runde habe ich knapp 1h40 gebraucht. Das ist super, aber leider nicht zu halten. Der Anstieg am Anfang zieht mir die ganze Kraft aus den Beinen. Für die nächsten 3 Runden brauche ich daher jeweils rund 2 Stunden.
Auf der 2. Runde bemerke ich erst, dass es sich beim langen Steilstück um eine Begegnungsstrecke handelt. Der steile Anstieg bei km 3 und das steile Gefälle bei km 11 ist die gleiche Strecke. Zunächst bin ich zwar verwirrt, als mir plötzlich Läufer entgegenkommen, aber dann genieße ich das gegenseitige Anfeuern. Schön ist auch, Norbert zweimal zu treffen.
Die letzte Runde ist dann eine Qual für mich. Mühsam versuche ich die Steigungen zu bewältigen. Bergab und an den kurzen flachen Stücken geht es zwar noch gut, trotzdem ist diese Runde ein einziger Kampf. Lichtblick dabei sind die tollen Helfer an der VP und die wirklich fantastische Natur.
Als ich nach 7h44 als Vorletzte ins Ziel komme, werde ich von den wenigen Anwesenden herzlichst begrüßt. Norbert und Georg warten auf mich und Robert, Silke und Stefan sind mit einigen Helfern am Abbauen. Ich bekomme eine Medaille und von allen viele Glückwünsche und einen freundschaftlichen Händedruck.
Georg Kunzfeld aus Frankfurt hat das Rennen gewonnen und war 3 Stunden vor mir im Ziel. Mit Abstand von einer knappen Viertelstunde kam Tim Teubner aus Offenbach als Zweiter vor der ersten Frau Birte Hilmes ins Ziel.
Fazit:
Für alle, die in der Lage sind, anspruchsvolle 50 km plus minus zwei oder drei Kilometer zu bewältigen und Spaß am Traillaufen haben, ist der Bärenfels-Trail ein Muss. Das Limit mit 10 Stunden ist äußerst großzügig. Die fantastische Strecke ist trotz 4 Runden sehr kurzweilig, da äußerst abwechslungsreich. Das Startgeld ist angemessen und die Verpflegung erste Klasse. Die Infrastruktur ist zweckmäßig: Taschen können im Tunnel trocken abgelegt werden und Duschen stehen im Nachbarort zur Verfügung. Die familiäre Atmosphäre in überschaubarem Rahmen macht das Laufen hier zum reinen Vergnügen.
Wir kommen auf jeden Fall wieder und das vielleicht nicht erst im nächsten Jahr.