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28.03.15 - Bassa via del Garda Trail

Urlaubs- und andere Gefühle

Der Gardasee erstreckt sich auf 51,6 km Länge von den Alpen bis zu den Hügeln am nördlichen Rand der italienischen Po-Ebene. Schon in den Wirtschaftswunder-Jahren der 50er war er neben der Adria eines der beliebtesten deutschen Reiseziele. Auch heute noch ist der See vor allem bei Bergwanderern sowie bei Rentnern beliebt, die dem Frühling ein Stück entgegen fahren wollen, aber zunehmend auch bei Rennradlern, Mountainbikern und neuerdings auch Trailrunnern.  Während es auf der Alpennordseite noch frostig ist, kann man im Süden schon schneefrei über Bergpfade laufen und unten am See blühende Obstbäume bewundern.

Der oberhalb der Westküste von Salo nach Limone führende Bassa Via del Garda (BVG), der untere Gardasee-Weg, wurde vor 14 Jahren von der Naturparkverwaltung angelegt. Seit 2014 wird hier nun im März ein Ultratrail-Wettkampf ausgetragen, der teilweise diesem Weg folgt. Da wir dabei nur maximal 1050 m Höhe erreichen, muss auch zu dieser frühen Jahreszeit  nicht mit Schnee gerechnet werden.

Die Teilnehmer verteilen sich ungewöhnlich gleichmäßig auf die drei angebotenen Distanzen. 149 Finisher kommen heute bei den 27 km /1000 Hm ins Ziel, 135 beim anspruchsvollen Marathon mit 3300 Höhenmetern und 156 beim Ultratrail mit 73 km und 4300 Höhenmetern, bei dem auch ich starte.  

Die Kurzdistanz ist sehr gut für Trail-Anfänger geeignet, wogegen die beiden anderen Disziplinen größtenteils zwar auch technisch nicht besonders schwer sind, aber dennoch, wie in der Ausschreibung erwähnt, wegen zwei kurzen steilen Abschnitten nur für alpinerfahrene, trittsichere und schwindelfreie Läufer in Frage kommen. 

 
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Da ich den Lauf mit einigen Tagen Urlaub kombinierte, kann ich den ganzen Freitag in Ruhe die Sonne im herrlich gelegenen Limone genießen.

Erst am frühen Nachmittag fahre ich mit dem Bus nach Gargnano, wo abends die Startnummern ausgegeben werden. Als ich gegen 16 Uhr auf der sonnigen Terrasse vor einem Café an der Uferpromenade sitze, sehe ich in der Ferne einen Läufer mit TorTour de Ruhr-Shirt. "Das ist sicherlich einer der wenigen deutschen Teilnehmer" denke ich, und schon begrüße ich Thorsten, dem gleich darauf Thomas folgt, den ich schon seit Jahren kenne. Als wir gleich um 18 Uhr zur Eröffnung der Startnummernausgabe unser Material holen, treffen wir noch zwei weitere deutsche Starter. Klar, wir "Touristen" sind halt früher da als die Einheimischen.

Laut Ausschreibung sollten wir unsere komplette Pflichtausrüstung zur Kontrolle mitbringen, aber außer dem ärztlichen Attest, ohne das niemand starten darf, will keiner etwas sehen. In der Startertüte liegen u.a. ein großer Käse vom Gardasee sowie zwei Wanderkarten, die im Maßstab 1:25.000 sehr detailliert die BVG-Strecke und Umgebung zeigen.  

Schon der Charakter des Startortes unterscheidet sich von den meisten anderen Läufen. Neben im See dümpelnden Segelbooten, Palmen und den Arkaden alter Gebäude warten wir, bis es losgeht. Keine Ahnung, was der Sprecher beim Briefing erzählt und weshalb  er auf italienisch etliche Startnummern aufruft. Egal!

Um 7.30 starten wir Läufer für die Ultra-Distanz. Die Teilnehmer der Kurzdistanz werden erst später hier starten und dann auf unserer Route von Salo bis Boligaco laufen, von wo aus bald nach Durchmarsch des letzten Ultras dann das Feld der Marathonis starten und die letzten 43 km mit uns teilen wird.  Zuerst rennen wir kurz am Ufer entlang, dann ein paar hundert Meter durch Gassen der Altstadt. Schon nach sehr kurzem Warmlaufen beginnt das, was "normale" Läufer gerne spöttisch als Wanderurlaub bezeichnen. Gleich von Anfang an führt der erste Aufstieg von 70 auf knapp 500 Meter so steil durch den Wald hinauf, dass zumindest bei mir im hinteren Feld jeder nur noch stramm marschiert. Schon jetzt bin ich froh, dass ich wie die meisten anderen Starter heute meine Stöcke dabei habe.

Schnell gewinnen wir an Höhe und Salo liegt weit unter uns. Der Blick öffnet sich auf die ganze Bucht, dann immer weiter über den südlichen Abschnitt des Gardasees. Ein perfekteres Wetter kann man sich weder als Läufer noch als Fotograf wünschen. Es ist windstill, weder zu kalt noch zu warm und völlig wolkenlos bei besonders guter Fernsicht. Von weiter oben können wir heute sogar die sehr weit entfernten, auf der anderen Seite der Po-Ebene liegenden Alpengipfel erkennen.

 
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Nach 50 Minuten habe ich den ersten von vielen Aufstiegen geschafft. Blumen und blühende Bäume - hier ist wie erwartet der Frühling schon deutlich weiter vorangeschritten als zuhause. Unser Weg führt den ganzen Tag über mit viel Aussicht und Abwechslung mal durch Wälder, mal durch Kulturlandschaft mit Olivenhainen, Wiesen und vielen schönen, von Steinmauern gerahmten Wegen und ab und zu vorbei an Zypressen, die für mich die Inkarnation mediterranen Lebens sind.

Schon überraschend früh werde ich von den schnellsten Läufern der Kurzdistanz, die nach uns gestartet sind, überholt. Im Valle delle Cartiere kommen wir an den Ruinen vieler ehemaliger Papiermühlen vorbei. Unter uns im Fluss stehen zahlreiche Angler.  

Je weiter wir kommen, desto schöner ist nun der Blick hinüber zum auf der anderen Seite des Sees gelegenen 30 km langen Bergrücken des 2218 m hohen Monte Baldo, der jetzt noch schneebedeckt und daher fotogener als in der warmen Jahreszeit ist.

Bei jeder Verpflegungsstelle werden die Nummern der Läufer aufgeschrieben, an den Cut-Off-Stellen auch die in die Nummer integrierten Chips gescannt. Es gibt Kuchen, Kekse und anderes Gebäck, Äpfel, Bananen, Orangen, manchmal sogar Blutorangen. Nach dem Kaffeemangel am Morgen beginne ich schon früh, Cola zu trinken. Vernünftig ist meine heutige Cola-Überdosis ganz bestimmt nicht, aber nur mit Vernunft wird man auch nicht unsterblich.

Rekordverdächtig ist die Dichte der Streckenmarkierungen. Das liegt an den zahllosen Wegen, die rechts und links abzweigen. Außerdem stehen bei wichtigen Richtungswechseln Helfer bereit, die dafür sorgen, dass wirklich keine Schäfchen verloren gehen, selbst die harmloseste Straßenüberquerung gesichert ist und dass immer jemand bereit steht, falls ein Läufer unterwegs Probleme bekommt. Viele von ihnen  tragen Filzhüte, meist mit einer großen Feder dran, wie man es bei uns von Förstern oder Jägern kennt. Es scheint eine Art regionale Tracht zu sein.

An wirklich keiner einzigen Stelle auf den 73,5 Kilometern muss ich auch nur einen Augenblick überlegen, in welche Richtung ich laufen muss. Selbst an der Schlusspointe kurz vor dem Ziel sind die Markierungsbändel nicht schuld. Das offiziell zur Pflichtausrüstung zählende Roadbook von der Homepage brauchen wir wirklich nie.

 
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Bei Fornico verlassen wir für eine Weile die Strecke des BVG-Wanderweges und laufen hinab nach Bogliaco, wo am Hafen das Ziel der Kurzdistanzler und für uns Ultras die erste Cut-Off-Stelle ist. Das Zeitlimit bis hier beträgt 5 Stunden, ich brauchte für die 27,5 km mit 1000 Hm aber nur 3:45, habe also schon mehr als eine Stunde „Reserve“. Und da ich mich heute so fit fühle wie seit dem UMTB nicht mehr, glaube ich, dass ich bis zum Ziel diesen Zeitvorsprung noch vergrößern werde.

Kurz folgen wir nun der Straße und kommen an der prunkvollen Villa Bettoni vorbei. Dann erreichen wir Gargnano, wo wir gestern die Startunterlagen bekamen, einer der schönsten Punkte unserer Strecke.  

 
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Mit großer Begeisterung laufe ich auf einem Steg am Ufer, dann am kleinen Hafen vorbei an Booten, Cafés und Palmen. In wenigen Wochen werden sich hier die Touristenscharen drängen. Blauer See, blauer Himmel, schneebedeckte Berge - das ist für mich kein Wettkampf, das ist wie Urlaub, das ist Genuss und die für mich schönste Art, die Freizeit und das Leben zu verbringen!

Inzwischen ist es frühlingshaft warm. Beim nächsten Aufstieg kommen wir an einem Grundstück vorbei, bei dem einige Leute uns eine kleine, zusätzliche Verpflegungsstelle eingerichtet haben und Wasser aus einem Schlauch als kühlende Dusche läuft. Herrlich!  Der mit etwa 1000 Höhenmetern längste Aufstieg des Tages führt uns auf abwechslungsreicher Route hinauf zum Rifugio Alpini, wo wieder eine Verpflegungsstelle ist. Als ich frage, wo nun der Weg weiter geht, sehe ich, dass wir durch den Innenraum des Rifugio laufen müssen.

 
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Informationen: Bassa via del Garda Trail
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