Wir laufen nun über die Abraumhalden des Deckgebirges, unter uns die vereisten Seen. Teilweise verbinden Treppen die mit Schutt durchsetzten Halden, es gibt Löcher und betonierte Höhlen. Fragen und Rätsel, bis wir hinauf zum alten, vergitterten Pumpenhaus gelangen und dort Gipfelfotos schießen.
Es ist die Alte Grube der Firma Steinberg und Boolsgraben, sehr viel interessanter als die riesigen Industriedenkmäler im Ruhrgebiet. Hier gibt es noch sehr viele Geheimnisse zu entdecken. Übrigens existiert noch das alte Direktionshaus der Zeche Steinberg: das jetzige Jugendwaldheim.
Über 100 Jahre lang wurde hier auch Alaun gewonnen. Wir alle kennen das blaue Zeug aus dem Chemiekasten, doch ganz früher wurden das Zeug genutzt, um Holz feuerfest zu machen, Häute zu gerben oder auch nur die Knetmasse herzustellen, aus denen stinkende, blaue Schlümpfe geformt wurden .
Sehr sehenswert der alte Basaltbruch oberhalb der Zeche mit dem romatischen Plumsklos. Basalt kristallisiert in sechseckigen Stopschildern aus, wenn er denn Platz dafür hat. Hier stehen die Säulen in imposanten Schlachtreihen und bilden ein romantisches Plätzchen, nicht eins, noch eins und noch eins, und in denen steht der Schnee knöcheltief.
Die Kohlestraße ist nun zermatscht, diente dem Abtransport der Kohle per LKW nach Hann. Münden. Die Steinberg-Drahtseilbahn wurde 1893 erbaut, die Schneise trägt noch den Namen Seilbahnschneise, die alten Fundamente der Träger sind noch sichtbar, ich habe sie fotografiert. Dies ist der Grund, warum ich genauestens die Laufstrecke vorher analysiere. Ich will solche Kleinigkeiten nicht verpassen, ich will wissen, warum Betonreste im Wald stehen. Ich freue mich diebisch, wenn ich irgendwo einen Hinweis finde und diese in meinen Berichten dann triumphierend präsentieren kann. Laufen sollte immer Erholung und Lernen sein, manche lernen genüsslich.
Der Bilsteinturm steht vor mir. Er steht auf Sandstein, der durch Basalt empor gedrückt wurde. Eigentlich muss man da nicht hinauf, denn er gehört nicht zur Laufstrecke. Wenn der Basalt drückt, dann drücke ich mich die schmale Treppe hinauf. Oben geniale Fernsicht: Brocken und der Herkules bei Kassel. Auf der anderen Seite Thüringen und Witzhausen, wo man seit der Kolonialzeit Tropenlandwirtschaft studieren kann, Außenstelle Uni Kassel. Dort studiert man auch, was man aus den vielen Kirschen der Gegend machen kann. Dabei bekommt man bei Anneliese das geballte Wissen ohne Studium, einfach so beim Bierchen. Und folgende Erkenntnis: “Der Lockenkopf hat es faustdick hinter den Ohren!”
Und so stehe ich auf dem Turm und brülle den winzigen Läufern hinunter: “Scheiß Marathonläufer, mal ein bisschen zügig, ihr Luschen, ihr, ihr Schlafsäcke!”
Letztes Jahr fand ich die Pöbelei ganz gut. Dann, beim Bärenfels Heiligabend-Marathon pries mir jemand den BiMA an: “Sehr erholsam, wenn da nur nicht dieser bekloppte Idiot vom Turm “Scheiß Marathonläufer” gebrüllt hätte.
Auch Anneliese hält viel von Tradition und der alten Hütte oberhalb, wo die Laufenten sich vom Fuchs fressen lassen: “Da kam der Typ aus Berlin wieder, wie jedes Jahr, diesmal mit dem Kind, was da oben in der Hütte entstanden ist. Da sagte ich zu dem: Das ist aber nicht die Petra, die letztes Jahr schwanger war. `Nee´ sagte der, `die Petra war mir zu hektisch mit dem Kind´”.
Nach getaner Pöbelei-Arbeit laufe ich also den Turm hinunter zur schönen Sennerin, 30 Minuten Redaktionspause.
Dafür habe ich Euch die zwei Helferinnen von der Feuerwehr an der Verpflegungsstation fotografiert. Nächstes Jahr ist ja auch noch BiMa, allerdings schon am 4 April, wegen Ostern, denn die Feuerwehr und ihre Helferinnen brauchen Erholung von den Osterfeierlichkeiten. Aber vorher Anneliese fragen!
Bwärts het es, die Naturstufen hinab und dann versinkt man in den Feuchtwiesen. Klatschnass sind die Nike Free, als ich da raus taumel, aber ein bisschen vom Bierchen der Sennerin habe ich den Schuhen und der Feuchtwiese beigesteuert.
Am “Mehrarmigen Wegweiser” gibt es einen Hinweis auf den steilen Bergmannspfad hinunter ins Tal. Im Ziel spreche ich Gerno an, dass es doch irgendwie möglich sein müsste, auch wenn man wieder hinauf… und so. Einheimische, die mich hören verdrehen die Augen: es sei ein Ding der Unmöglichkeit und total vereist…Tote Leichen, Krötenwanderung und sonstige Hindernisgründe. Grausames Gebiet hier!
Auf dem ewiglangen, schneegesäumten Abwärtsstück hole ein ungleiches Läuferpaar ein: Heinrich hat schon zwei Halbe gelaufen, ich getrunken, aber er steigt gleich auf Ultra um. Das gelingt ihm, denn hier beim BiUlMa gibt es keine Hektik. Er wird begleitet von Peter, er ist 67 und will hier “auslaufen” , will heißen, hinein ins Rentnerdasein. Auch er genießt das freie, erholsame Laufen ohne Stress. Ja, er ist PriMa der BiMa!
Auch ich habe einigen Läufern auf der Strecke mitgeteilt, dass ich langsam “auslaufe”. Es läuft halt nicht mehr so. Einige erinnern sich an 2010... nun, der Mensch hat zum Glück zwei Beine.
“Auf der Warte”, eines der fünf Teilgebiete des NSG “Kalkmagerrasen bei Roßbach”, Wacholderheide mit dem Bach ohne Wiederkehr. Wir kehren langsam zurück nach Kleinalmerode.
Ein sehr familiärer Lauf, bei dem nicht nur Essen und Trinken die Läuferseele zusammenhält. Deshalb einen ganz lieben Gruß an das Bilstein-Team und Ultra-Omi Anneliese. Es gibt Läufe zwischen Kambodscha und Mont Blanc, die wahrlich nette Erinnerungen hinterlassen! Ich komm wieder!
08.07.20 | Da geht noch mehr - Probelauf am Bilstein |