Wir verlassen am VP wieder die Teerstraße. An der kleinen Kapfenkapelle weist uns ein Hinweisschild auf noch 25 vor uns liegende Kilometer hin. Beten hilft auch nichts, der Himmel hat kein Einsehen. Aber meine Wünsche scheinen auf andere Art und Weise erhört zu werden. 500 Höhenmeter geht es auf den nächsten 4 Kilometern abwärts bis hinunter ins Tal. Was wir geboten bekommen ist atemberaubend.
Schmale Steige im engen Zick-Zack, vorbei an Felsen und Wasserfällen, garniert mit Kletterpartien und den schönsten Schlammlöchern, die man sich vorstellen kann in einer grandiosen Naturlandschaft. Und es geht fast immer abwärts. Auf Abschnitten wie auf Schmierseife kannst du dich kaum auf den Beinen halten. Dann wieder tiefer, überfluteter Morast, ohne Möglichkeit auszuweichen. Aber es ist so was von geil. Wir sehen aus wie die Schlammsäue, aber ich sehe keinen Mitläufer, der hier nicht ein Lächeln im Gesicht hat. Danke lieber Wettergott für dieses Erlebnis. Hier haut’s dir wirklich den Tweedy raus. Straßenläufer werden das jetzt vielleicht nicht verstehen, aber Trailern bereiten solche Verhältnisse unbeschreiblichen Spaß.
Am Ortsrand von Wildgutach erwartet uns nach Überqueren der Wilden Gutach in einer originalen Schwarzwald-Scheune Labestelle 4 (km 40,9). Ja, richtig schön und gemütlich ist es unter dem alten Holzdach. Das Angebot ist auch prima, so kann ich nach dem traumhaften Downhill-Erlebnis, nicht mehr nur nasswarm, sondern heiß gelaufen, etwas durchatmen. Der Akku meiner Kamera hat sein Soll schon erfüllt und muss gewechselt werden. Ersatz-Akku Nr.1 ist aufgequollen wie eine Weihnachtsgans, keine Funktion. Eindeutig Wasserschaden. Ersatz Nr. 2? Funktioniert, noch mal Glück gehabt.
Ein kurzes Stück auf Asphalt, dann biegen wir rechts ab in eine 3 km lange Schleife auf der gegenüberliegenden Seite des Simonswäldertals, den einzigen Abschnitt den wir auf dieser Seite heute absolvieren. Der Gutenwaldweg führt uns 1,5 km komfortabel bergauf bis zu einem Eisensteg. Hier überqueren wir den wild unter uns tosenden Teichbach und tauchen ein in ein Forschungs-Projekt. Ungestört soll sich der Bannwald zum Urwald von Morgen entwickeln. Ich bin wirklich ein Fan von solchen Ideen. Aber nur solange wir, wie hier, ihn auch noch betreten dürfen.
An mächtigen Felsen vorbei führt ein schmaler Pfad wieder abwärts. In kleinen Kaskaden donnert der Teichbach zu unserer Linken bis zu ihren Zufluss in die Wilde Gutach. Wieder so ein Abschnitt, von dem man nur schwärmen kann. Viel zu schnell verfliegen die 1,5 km hinunter auf die Straße.
Ein letztes Foto ist mir noch gegönnt, dann quittiert meine Kamera ihren Dienst. Auch wasserdichte Fotoapparate können versagen, wenn man ihnen das Wasser importiert. Beim Akkuwechsel ist wohl zu viel Feuchtigkeit ins Innere gelangt und hat sich in der Elektronik ausgebreitet. Zwei Akkus sind jetzt Schrott, aber die spektakulärsten Szenen sind im Kasten. Bis zum Ziel sind noch einige weniger dramatische Steigungen und Gefälle zu absolvieren, aber erstmals gibt es sogar etwas wie Aussicht von den Hängen, denn die Wolkendecke lichtet sich.
Die letzten Kilometer dürfen wir tatsächlich noch ohne Regen hinter uns bringen. Vor dem Ortsrand von Simonswald ist nochmals eine letzte Steigung zu bewältigen, ein Singletrail führt uns durch den Ochsenwald wieder in den Ort zurück. Nach 9 Std. mit vielen neuen überwältigenden Erfahrungen empfängt mich Mario mit einem frisch gezapften Erdinger. Das lass ich mir doch gefallen.
Der Erlebnis- und Abenteuerfaktor wurde heute durch die Witterungseinflüsse natürlich noch stark erhöht und ist kaum noch zu toppen. Dennoch würde ich den Lauf unter normalen Sommerbedingungen bevorzugen. Dazu werde ich sicher einen zweiten Versuch unternehmen.