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21.04.18 - Bleilochlauf

Immer am Fjord entlang

Die größten Seen in Deutschland werden viele aufzählen können: Bodensee, Müritz, Chiemsee… Wenn’s um Stauseen geht, ist das schon etwas schwieriger. Der flächenmäßig größte ist der Forggensee in Füssen. Den Bleilochstausee in Thüringen, der die Saale anstaut, kennen wahrscheinlich nur wenige. Er ist die größte Talsperre Deutschlands was das Fassungsvolumen angeht …behaupten zumindest die Thüringer. Denselben Anspruch nimmt allerdings auch der Rurstausee in Anspruch. Mir ist es wurscht, ich will ja nicht ins Wasser, sondern drum rum laufen.

Optisch kann man sich tatsächlich auf dem ersten Blick recht schwer vorstellen, einen Ultra um den Bleilochstausee zu laufen. Wenn man so vom Veranstaltungszentrum SEZ, dem Seesport- und Erlebnispädagogischen Zentrum Kloster einen Blick in die weite Runde wirft, kommt einem der Stausee nicht übermäßig groß vor. Würde man aber einen Blick von oben auf die komplette Ausdehnung werfen, könnte man erst die gewaltigen Dimensionen ausmachen. Ein Blick auf die Landkarte reicht aber auch schon. Wie Tentakeln einer Krake schlängeln sich die Saale und die Ausläufer des Stausees durch das dicht bewaldete Thüringer Schiefergebirge. Die Einheimischen nennen es auch das „Thüringer Meer“. Insgesamt rechnet man dem Bleilochstausee 28 km Länge und ein Wasservolumen von 215 Millionen m3 zu.

Verkehrstechnisch ist die Bleilochtalsperre recht einfach zu erreichen, sie liegt nur wenige Kilometer neben der A9 München – Berlin, kurz hinter der bayrischen Grenze. Der Start- und Zielort am SEZ Kloster liegt zwei Kilometer außerhalb von Saalburg-Ebersdorf. Ich hab auch noch recht kurzfristig ein nettes und preiswertes Hotelzimmer gefunden. Direkt am Startplatz gibt es aber auch einen Campingplatz für jemand, der es einfacher mag. Am Vortag gibt es noch keine Möglichkeit seine Startunterlagen zu empfangen. Erst am Wettkampftag ab 7.30 Uhr bis kurz vor dem Start um 9 Uhr werden diese ausgegeben. Eine große Wiese ist zum Parkplatz umfunktioniert und bietet Platz für alle PKWs, Parkplatzsuche entfällt somit.

Eine kleine Menschenschlange empfängt mich, aber die löst sich doch relativ schnell wieder auf, so dass man nicht in Stress verfallen muss. Neben dem Bleilochultra über 48 km mit etwa 1150 Höhenmetern werden noch eine Classic-Strecke mit 24 km und eine Light mit 12 km angeboten. Einstiegsdroge ist der Rookie mit 4,6 km und auch der Nachwuchs darf sich auf 2,3 oder 1,25 km austoben. Insgesamt gibt es ein Teilnehmerlimit von 600 Startern, damit zügiges Vorankommen auch auf schmaleren Wegen garantiert ist und das ist auch bei den drei längeren Strecken heuer erreicht. Auf den Ultra entfallen dabei etwas über 180 Teilnehmer. Vorangemeldete bekommen mit der Startnummer ein schönes Baumwollshirt ausgehändigt.

Selbstverständlich trifft man auch hier wieder einige der Laufverrückten der Szene. Kraxi macht derzeit jede Woche einen Doppeldecker, damit sich die Anfahrt aus der Steiermark auch lohnt. Dabei ist er aber nicht so ein „ökonomischer“ Läufer wie die meisten von uns Marathonsammlern, sondern er ist fast immer ganz vorne im Feld zu finden. Mindestens 42 Mal will er heuer so das Ziel erreichen. Meine Augsburger Landsfrau Sybille ist bei uns Rekordhalterin der Sammler und lässt sich heute von Kraxi pacen, sie ist auch gerne schnell und laaange unterwegs. Sie war schon mehrmals hier am Start und hat mir den Bleilochlauf wärmstens empfohlen. Heute wird sie zweite Frau. Roland Krauss ist auch überall dabei, M4Y-Lesern ist er bekannt als Sieger des Supercups 2016. Was mir heute noch ganz besonders ins Auge fällt, sind die starken Wadln der Ultras. Ich meine jetzt nicht den Umfang, sondern eher die Kunstwerke, die sie auf den Muckis präsentieren.


 
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Um Punkt 9.00 Uhr fällt der Startschuss. Erstmal geht es auf dem geteerten Radweg nach Saalburg. Napoleon schaute hier in der Nähe schon mal auf ein Gefecht vorbei. Bekannt ist der Ort aber wegen seines Marmors. Das Saalburger Marmorwerk gehörte um 1900 zu den größten Marmorwerken Deutschlands. Mit dem Bau der Bleilochtalsperre zwischen 1926 und 1932 verschwand es aber im Wasser des Stausees. Gleichzeitig wurde ein neues Werk in der Nähe auf einem Hügel gebaut. Hier waren zu DDR-Zeiten über vierhundert Menschen beschäftigt. Marmorplatten aus Saalburg schmücken noch heute Fußböden und Wände von Palästen, Theatern, Kirchen, Opernhäusern oder Schlössern. Wir laufen am riesigen verfallenen Milchhof vorbei, ebenfalls ein Überbleibsel aus DDR-Zeiten.

Durch die nett anzusehende Stadtmitte, am mittelalterlichen Rathaus vorbei, geht es leicht abfallend runter zur Stauseebrücke. Sie wird gerade saniert, die Straße führt nach Bad Lobenstein. Für Fußgänger und heute auch Läufer gibt es einen Ersatzsteg. Unten an der Schiffsanlegestelle liegt die Gera. „Ob Rund-, Kaffee-, Charter- oder Mondscheinfahrt -   bei uns schweben Sie auf der richtigen Welle“ lautet der Marketingspruch der Fahrgastschifffahrt Saalburg. Unmittelbar nach der Brücke geht es für uns nach rechts ans Ufer, wir dürfen jetzt auf unserer Welle surfen. Bis Kilometer 14 geht es immer wunderschön wellig direkt an der Uferkante entlang.

 

 
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Besondere Steigungen gibt es auf dem Abschnitt noch nicht zu bewältigen. Aber wir haben immer Blick auf‘s Wasser. Was kann es schöneres geben an so einem Sommermorgen? Ja, wir haben erst Frühling, aber das fühlt sich heute schon etwas wärmer an. Mir ist es mehr als recht und ich gehöre auch nicht zu den Jammerern, die sich heute Nachmittag wahrscheinlich wieder über die 26 – 28 Grad beschweren werden. Zum Erfrischen erreichen wir nach etwa 6 km die erste Versorgungsstation.

Nach 14 km verlassen wir für einen kurzen Abschnitt die Uferstrecke, wenig später erfolgt auch die Streckenteilung von der 24er-Runde. Sie tangieren uns aber nicht, da sie erst eine Stunde nach uns starten, so gibt es kein Gedrängel oder Überholungen von den Schnelleren der Mittelstrecke. Für uns geht es ab der Trennung zum ersten Mal auch etwas länger aufwärts, aber nicht sonderlich steil. Wir passieren das Waldrestaurant und ehemalige Forsthaus Isabellengrün, es liegt mitten im Wald auf einer idyllischen Waldwiese. Prinzessin Isabelle Auguste gab dem kleinen Ortsteil seinen Namen.

 

 
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Ziemlich genau 5 km dauert der Waldabschnitt „ohne Wasser“. Nach einer längeren, sanften Abwärtspassage erreichen wir die Saale. Ein wunderschöner, leicht aufwärts führender Trail ist genau nach meinem Geschmack. An einer steilabfallenden Bergflanke geht es bis zur Talsperre Burgkhammer. Gegenüberliegend können wir Schloss Burgk ausmachen.  

Über die 120 m lange und 75 m hohe Staumauer (km 21) wechseln wir wieder einmal die Flussseite. Die Talsperre Burgkhammer dient als Ausgleichsbecken für die große Bleilochtalsperre, die noch ein paar Kilometer weiter unterhalb liegt, die wir aber nicht direkt passieren. Namensgeber sind im Übrigen Bleilöcher, die sich vor der Anstauung dort befanden und in denen Blei abgebaut wurde. Die Talsperre Burgkhammer ist Teil der 80 km langen Saalekaskade die 6 Talsperren, 2 Pumpspeicherkraftwerke und 2 Laufwasserkraftwerke umfasst. Durch das starke Gefälle der Saale wurde dieses Talsperrensystem errichtet, was vorrangig zur Energieerzeugung genutzt wird.

 

 
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Wir folgen der Saale einige Kilometer flussaufwärts. Die Orientierung habe ich mittlerweile komplett verloren. In unzähligen Windungen und Schleifen führen der Fluss und somit auch unser Kurs durch das Schiefergebirge. Irgendwie hat es für mich etwas Skandinavisches. Wir folgen einfach dem Wasser, immer am Fjord entlang und setzen mal wieder über. Einfach herrlich.

Vor einer überdachten Holzbrücke ist wieder eine der vielen VPs errichtet. So im Schnitt alle 5 - 6 Kilometer können wir nachtanken und auch Essen fassen. Mittlerweile bieten uns die Stationen eine reichhaltige Auswahl an Leckereien und Getränken. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Eine 16 % Steigung gibt uns einen ersten Vorgeschmack, was noch vor uns liegt, erst ab Hälfte der Strecke beginnen die wirklichen Bergaufpassagen. Den nördlichsten Punkt des Kurses passieren wir in Walsburg (km 28). Von hier geht es wieder zurück, gleich mit einem schönen langen Anstieg. Als einziges Hindernis – von den umgefallenen Bäumen wollen wir natürlich nicht reden – muss ich heute einem Traktor Platz machen. Der Bauer freut sich und bedankt sich.

Ein steiler Downhill führt uns wieder fast auf Uferhöhe und endet auf einem saftig grünen, moosigen Trail. Zwei Kilometer geht es direkt am Wasser entlang. So schön es ist, der tiefe Moosboden kostet mich auch unheimlich viel Kraft. Ich stecke in einem kleinen Tief und bin froh, in Burgk die nächste Versorgungsstation zu erreichen. 36 km sind geschafft.  Ich auch, also lege ich eine kurze Pause mit ausgiebiger Stärkung ein.

 

 
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Unser Rastplatz liegt direkt neben Schloß Burgk. Die Schlossanlage ist die älteste und größte des Thüringer Oberlandes und gilt auch als eines der schönsten Schlösser Deutschlands mit mittelalterlichen Flair. Beeindruckende spätmittelalterliche Wehranlagen umschließen das Gebäude, das hinter seiner schlichten Fassade kostbares Interieur beherbergt. Uns fehlt natürlich die Zeit für eine umfangreiche Besichtigung, wer aber den Lauf mit einem Kurzurlaub verbindet, für den ist dieser Besuch sicherlich sehr empfehlenswert. Oder man macht es sich ganz einfach, auf YouTube gibt es fantastische Drohnenaufnahmen auf das Schloss und die traumhaften Saaleschleifen rundherum und so kann man natürlich auch Teile unserer Laufstrecke aus der Luft genießen.

Noch schöner ist das natürlich, alles live und vor Ort zu erleben. Direkt nach Burgk beginnt der Vordere Röhrensteig mit einer unglaublich beeindruckenden Aussicht auf die Burg und die sich 100 Meter tiefer durchschlängelnde Saale mit teilweise 180 Grad-Windungen. Nicht umsonst gibt es diverse Aussichtspunkte. Einen guten Kilometer lang ist dieser Abschnitt auf herrlichen Trails.

Durch eine Streuobstwiese kommen wir hinunter zur Eisbrücke. Wir bleiben aber linksseitig und laufen teilweise auf stählernen Hängesteigen und Single-Trails etwa 2 km am Stausee Burgkhammer entlang durch das Naturschutzgebiet Kobersfelsen. Ebenfalls außerordentlich schön.

 

 
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Der letzte Aufstieg ist zugleich auch der längste des gesamten Kurses. Ziemlich genau bei Marathondistanz sind wir mit den positiven Aufstiegsmetern durch. Wir können hier noch einmal Getränke zu uns nehmen oder auch verpflegen. Die Schlusskilometer bis ins Ziel sind nicht mehr besonders spektakulär, aber es geht immer leicht bergab auf einem Radweg ins SEZ Kloster. Da kann man es noch einmal schön laufen lassen.


 

Medaillensammler gehen beim Bleilochlauf leider leer aus, dafür kann man sich aber unmittelbar nach dem Zieleinlauf seine Urkunde ausdrucken lassen. Wow …2. Platz bei den Supersenioren. Es lohnt sich doch, alt zu werden. Das Zeitlimit beim Ultra beträgt 7 Stunde. Die Letzten, die etwas darüber sind, werden aber auch noch gewertet. Auch im Zielbereich gibt es wieder reichhaltige Verpflegung. Unseren geliebten Hopfentee gibt es bleifrei oder auch mit Umdrehungen. Für den größeren Hunger gibt es  Nudeln mit Soße.

Wer skandinavisches Feeling mit grandiosen Aussichten in wunderbarer Natur und mit viel Wasser erleben will, dem kann ich einen Ausflug nach Thüringen wärmstens empfehlen. Immer am Fjord entlang ist wirklich geil.

 

Informationen: Bleilochlauf
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