Seit 43 Jahren lockt der Bottroper Herbstwaldlauf Aktive aus der ganzen Bundesrepublik und den umliegenden Nachbarländern zum einzigen Ultralauf im Ruhrgebiet. Die Tortour de Ruhr hat nur ihr Ziel dort - dies für die eingeweihten Leser, die schon an dieser Stelle zucken.
Wenn man sich fragt, wie eine Laufveranstaltung so lange Bestand haben kann, dann zeigt Bottrop den richtigen Weg auf: Vor allem das Ambiente im Start- und Zielbereich unter dem Schachtgerüst der Zeche Prosper Haniel und die entsprechenden Räumlichkeiten, wie die Bergwerkskaue, die zum Umziehen und Duschen dient. Bei dieser Zeche handelt es sich um eine der ältesten überhaupt. Das Abteufen des Schachtes 1 begann im August 1856 und 1860 wurde in 175,9 m Teufe das Steinkohlengebirge erreicht. Die Förderung begann 1863. Das Geschäft mit der Kohle hat also hier eine sehr lange Tradition.
Was man nicht denken würde: Obwohl man mitten im „Ruhrpott“ ist, ist der Lauf eine reine Waldlaufstrecke, der den Teilnehmern die grünen Seiten des Ruhrgebiets präsentiert. Das muss man echt nicht erwarten, wenn man hierhin fährt. Außerdem ist diese Veranstaltung sehr familiär geprägt und auch so organisiert. Es macht einfach Spaß, hier zu laufen.
Neben dem Ultra über 50 km werden auch noch der 6,8 km lange Grubenwehr-Lauf um die Schöttelhalde (= Abraum) und der 10 km Heidesee-Lauf entlang der Halde Haniel zum Heidesee und wieder zurück, angeboten. Der 25 km Heidhofsee-Lauf führt ebenso wie der 50 km Jürgen-Liebert-Ultra (Startzeit 9 Uhr) durch die Kirchheller Heide. Alle Läufe werden auf dem Zechengelände auf der Straße vor dem Förderturm gestartet. Dort ist auch der Wendepunkt für den Ultramarathon und das Ziel aller Läufe.
Die Läufe kosten zwischen 6 und 25 Euro, echt wenig Kohle, für das, was hier geboten wird.
Für mich hieß es wieder mal früh aufstehen und ohne Frühstück losfahren. Aber das ist hier nicht so arg, weil der Veranstalter dafür gesorgt hat, dass man vor Ort noch schön gemütlich und dazu recht preiswert frühstücken kann, was ich nach dem Abholen meiner Startnummer auch direkt gemacht habe. Bei der Rückgabe der Startnummer, die den Zeitmesschip enthält, bekommt man zudem 3 € zurück, was im Ziel genau für eine Currywurst reicht. Die köstliche Wurst ist für mich fast schon wichtiger als die schön gestaltete Medaille.
Schon vor dem Start spürt man die besondere Atmosphäre dieser Traditionsveranstaltung, denn umziehen tut man sich in der Waschkaue. Es war früher üblich, dass sich die Bergleute in ihrer Arbeitskleidung bei der Zeche einfinden und dann mit der stark verschmutzten Kleidung nach der Schicht nach Hause gingen. Mit den Kauen wurde eine Möglichkeit geschaffen, um den vielen Kumpels das Duschen und Umkleiden auf der Zeche zu ermöglichen.
Die private Kleidung wird in der Weißkaue ausgezogen, an den sogenannten Püngelhaken, oder, wie hier auf Prosper Haniel, in einen Korb gegeben und an einer Kette mehrere Meter bis unter die Decke gezogen. Die Kette wird mit einem Schloss gesichert.
Dann geht er Bergmann nackig zur Schwarzkaue, in der seine Arbeitskleidung nach dem gleichen Prinzip verwahrt ist. Nach der Schicht wiederholt sich das Prozedere, nur eben umgekehrt. In den Duschräumen wäscht und „buckelt“ sich der Kumpel. Buckeln deshalb, weil man sich gegenseitig den Dreck vom Rücken wäscht. Nach dem Duschen geht es zurück in die Weißkaue und man zieht sich dort seine private Kleidung wieder an. Genauso läuft es für die Läufer ab. „Buckeln“ müssen wir uns aber nicht, da wir ja nur verschwitzt sind.
Um 9 Uhr wird gestartet. Heute sind etwas mehr als 300 Ultras am Start. Das sind weniger als sonst, aber die Teilnehmerzahl insgesamt pendelt sich bei fast 2.000 ein, wobei der 10 km Lauf auf 700 Startern begrenzt ist.
Seit bereits 2 Wochen haben wir in NRW ein tolles Herbsthoch, dass uns so etwas einen Indian Summer mit spätsommerlichen Temperaturen beschert. Davon können wir auch am Lauftag noch profitieren. Lediglich etwas frisch ist es noch in der Früh, doch die Temperaturen klettern rasch auf 16 Grad und viel Sonnenschein ist auch dabei.
Die Läufer der kürzeren Strecken (sie sind später an der Reihe) applaudieren und zünftige Bergmannmusik (Der Steiger Marsch) spielt, als wir unter dem Förderturm starten und direkt ins Grüne laufen. Es geht vorbei an der neuen Schöttelhalde, bevor wir dann mit dem Alten Postweg eine öffentliche Strasse überqueren und dann in das Waldgebiet Kirchheller Heide einbiegen.
Nach der Überquerung des Rotbaches erreichen wir bei km 4 die erste von 4 Verpflegungsstellen, die auf der 25 km langen Runde eingerichtet sind. Richtig vermutet, wir laufen die Runde zweimal.
Ab hier geht es leicht abwärts, bis wir nach 2 km rechts abbiegen. Die Strecke ist im insgesamt etwas wellig, aber keinesfalls als hügelig zu bezeichnen. Der Untergrund ist fest und gut zu laufen. Das war in anderen Jahren witterungsbedingt schon deutlich anders. Es ist halt Herbst. Heute rascheln die bunten Blätter unter unseren Füßen. Landschaftlich überaus reizvoll ist unsere Strecke durch den für NRW typischen Mischwald.
Nach dem Rotbach überqueren wir den Schwarzbach. Teilweise haben sich durch Bergsenkungen Sumpfgebiete gebildet, was die Landschaft nur noch interessanter und reizvoller macht.
Die nächste Verpflegungsstelle ist am Heidhof, wo es wieder warmen Tee gibt. Danach geht’s zu einem sehr schönen See, dem Heidhofsee, der durch Kiesabbau entstanden ist. Im Wasser spiegeln sich die bunten Bäume, eine wunderschöne Herbststimmung, fast wie aus dem Bilderbuch.
Dann geht es vorbei am Heidegrab von Hermann Löhns und zum nächsten kleinen Bach. Mittlerweile überholen uns immer mehr 25 km Läufer, die 40 Minuten nach uns gestartet sind. Dann kommt auch schon die wohl schönst gelegene Verpflegungsstelle, mit tollem Ausblick auf den See.
Neben den nahezu 2.000 Läufern sind heute auch sehr viele Spaziergänger und Erholungssuchende unterwegs. Manchmal machen sie es den Läufern nicht ganz einfach, weil diese nur im Zick-Zack-Kurs weiterkommen. Aber es ist eine alte Jacke: Wo es schön ist, ist man selten alleine. Und hier und heute ist es schön, ich wiederhole mich gerne gehört halt dazu, den auch die „Fußgänger“ wollen den Tag genießen
Nachdem wir den See komplett umrundet haben, sind wir auch schon bei km 20 und es geht zurück in Richtung Startgelände, wo man uns mit viel Beifall empfängt. Wer will, kann jetzt seinen Lauf beenden und kommt in eine gesonderte 25km-Wertung. Für mich geht es weiter. Ich genieße diesen herrlichen Herbsttag auf der zweiten Runde und lasse mich nach insgesamt 5:49 Stunden als Finisher feiern.
Was jetzt kommt, habe ich eingangs beschrieben: Weißkaue, heiße Dusche und Currywurst, natürlich auf Kohle gegrillt.
Männer
1. Decock, Wouter 3:01:14
2. Meers, Vincent 3:24:59
3. Vandebeek, Patrick 3:28:00
Frauen
1. Schonherr-Hölscher, Birgit 3:55:02
2. Lehmann, Anke 4:02:32
3. Steaves, Anne 4:05:33
269 Finisher