„Woody Woodpecker I und II”, „Die Schlacht von Heartbreak Ridge”, „LimesRun Höhe” mit den mörderischen 400 Meter langen steilen Abhängen, die man sich mehrfach hoch und runter kämpfen muss. Teuflisch abgesägte Baumstümpfe, die dir deine Familienplanung abnehmen. Da helfen auch die Bergretter nicht mehr, die sich von oben zu den Patienten abseilen. Kriegsversehrte werden unten von den Sanitätern ausgelesen, dann geht´s wieder hinauf. Wieder unten, geht die Auslese weiter. Letztes Jahr habe ich hier einen gebrochenen Unterschenkelknochen aus der Hose ragen gesehen.
Oben, am „Mystic Mountain” mit der vor 1000 Jahren abgebrannten Ruine und dem verwüsteten Friedhof, ist Erholung angesagt.
Die „Münnstädter Höhe” mit den „Sportics Fields”. Dieses Jahr ist das Drahtgitter über den Strohballen sehr viel niedriger. Längst hat sich das Tape von meinen Knien gelöst. Die Wunde vom Marokko-Trail hinterlässt eine eitrige Schmierspur auf dem kratzenden Stroh, als ich mich hinüber hechte. Ewig lang ist dieser Parcour, es dreht sich die Welt, als ich nach einer Ewigkeit hinauskrieche. Dann über einige Hindernisse, noch mal eine meterlange blutige Schmierspur hinterlassend.
Der Weg zur Hölle führt eingegittert über Stroh. Als ich wieder Luft schnappen kann, schreit jemand, ich solle mir einen weiblichen Hygieneartikel ins Knie drücken. Ich mach mir einfach ein Röllchen aus Birkenrinde, oder was? Bin stolz auf zerkratzte Knie, Arme und Beine. Schlachtwunden sind Trophäen, habe eh keine Zeit zu bluten. Ich bin ein Wilder!
Es war zu erwarten: „Loch Ness” liegt vor mir, der legendäre Schlammsee, den 30% der Läufer nicht schaffen. Trotz aller Warnungen wurde dieser Eliteschlamm beibehalten, sogar verschärft, denn dieses Jahr brüllen wir lauter denn je wegen des ewiglangen Weges durch die eisige Schweinegülle, dessen Untergrund mit stinkendem Klopapier und benutzen Babywindeln, deren Reinscheißer schon längst Hauptschulabschluss haben, meterhoch bedeckt ist.
In der “Stiefelwaschanlage” wird das, was an unseren Pantoffeln hängt, wieder schön ins “Loch Ness” zurückgeschwemmt, damit wir im zweiten Durchgang das genießen können, was wir aus dem anaeroben Untergrund empor geangelt haben. Hundert Meter lang ist diese reißende, schmale Röhre, die garantiert jedes stinkende Partikelchen mit einem Gestanksgruß an die Tauchenden schickt.
Wenn ich jetzt schnell genug den “Lanoph Hill” hinauf jage, dann bekomme ich eventuell noch meine eigene verweste Schuheinlage geboten, wenn ich wieder ins “Loch Ness” tauche, dann mit saftiger Apnoetaucheinlage.
Es ist ekelhaft, was uns da freundliche Zahnarzthelferinnen mit den Worten”Energie, Koffein, Magnesium” andrehen. Die Dinger sind nicht mal als Zäpfchen zu gebrauchen, jede Hämorride würde sich querstellen. “Pfui Deibel!”
Der zweite Durchgang durchs “Loch Ness” kündet sich mit einem langen Schlammweg an. Hier stehen sämtliche Fotografen und Fernsehkameras. ARD, N24 und etliche Lokalvoyeure, denen vor ungläubigem Staunen das Frühstücksei aus dem Gesicht bröckelt.
Was mir jetzt bevorsteht, ist an menschlicher Grausamkeit kaum zu überbieten. Die Totgeweihten vor mir bringen das Wasser zum brodeln, ich rutsche hinein, wie ein unschuldiges, staksiges Gnu am Marafluß. Die Krokodile sind die Helfer und Taucher, unter deren gestrengen Blicken ich dieses schimmlige Kühlwasser der örtlichen Kläranlage durchqueren muss. Einzelkämpfer, jeder ist japsender Einzelkämpfer und rudert wie ein Flohkrebs in Essigsäure ums Überleben oder rudert wie eine Ameise, dessen Leib von einer sengenden Lupe angekokelt wird.
In mehreren Reihen sind Kanus aneinandergebunden. Meine sich sträubende Birne muss drunter durch. Nahtod- Erlebnis, als ich zu früh im Inneren eines Kanus auftauche, während sich halberfrorene Kämpfer über den Kiel kämpfen, um wenigstens für Sekunden teilweise der Kälte zu entfliehen. Hier im Bootsinneren gibt es keine Luft, die gelbe Brühe schwappt mir ins Gesicht, raubt mir die Orientierung. Die klappernden Zähne verhindern das Zusammenpressen der Lippen, es schmeckt säuerlich nach verfaulter Kellerassel.
Es dauert anscheinend eine Ewigkeit, dann kann ich einen Schwimmer beiseite drücken und auftauchen. Den unsichtbaren Baumstamm ramme ich mir in die Kniewunde, die nächste Linie Kanus nehme ich im Torpedostil, dann spüre ich Windeluntergrund und springe wie ein Pinguin schreiend aus dem eisigen Wasser. Alles einhändig rudernd, mit der wasserdichten Kamera in der Hand, so schieße ich, wie der Graf von Monte Christo aus der Tiefe empor, befinde mich augenblicklich in einer stinkenden Methanwelt, die von verwesten Würmern und ertrunkenen Maulwürfen, dessen schwarze, verweste Pelze ans Ufer schwappen, gebildet wurde.
Dieses Giftgasgebiet, was stinkt, als hätte der Zahnarzt einen verfaulten Zahn angebohrt, müssen wir kriechend durchqueren. Es sind die “Main-Post-Fields”, dessen schwarzer Schlamm sich mir in die blutenden Knie reibt. Ich muss grausam aussehen, denn ein Sanitäter kriecht heran und fragt mich, ob ich ok bin. In meinen eiternden Knien spüre ich den Pulsschlag, die bakterielle Wärme der stinkenden Wunden schlägt wohl blubbernde Blasen im müffelden Nutellageschmiere. Über mir schwebt der Rettungshubschrauber, landet nicht weit von hier. Ein Braveheart muss reanimiert werden. Er lebt. Gute Besserung, Alder!
Das “Gabold Feuer” ist wohlverdiente Wärme, das springenden Feuer “Firefly” willkommene Erholung. Das Schrottauto zu überwinden, fällt schwer. Die Kälte hat den Muskeln die Leichenstarre befohlen. Vor allem der Rücken verweigert unter Nervenblitzen die Gefolgschaft.
Die fiesen Elektroschocks beim Kriechhindernis “Wendel Power” bringen auch kein Leben mehr zurück. Jeder Schlag produziert nur noch ein müdes Aufbäumen. Hebe ich meinen Kopf um zu fotografieren, schlagen kleine Blitze in mein schweißnasses Haar und jagen mir wohligen Schauer über meinen Rücken bis hinunter in den Arsch. Allenfalls ein leichtes Zucken meiner schlammigen Schuhe im Gesicht nachfolgender Kämpfer lässt noch Leben erkennen. Die Hölle kann mich nicht mehr schocken.
Nach dem Überwinden der Strohballen bei “Bauer Edi” in der Scheune gibt es Verpflegung. Dachte ich! Nutellabrote, Bananen und Pulvertee sind eben nichts für Bravehearts, eignen sich nur für das Befüllen von Schlammlöchern.
Seit mehr als 4 Stunden bin ich nun unterwegs, an Laufen kann ich nicht mehr denken, habe Krämpfe und der Weg ist tief verschlammt. Aus einem Dickicht tönen Schmerzschreie der Krieger, die unkontrolliert den Abhang hinunterrutschen. Dornen reißen an allem, dessen sie habhaft werden können.
Nun müssen wir sämtliche Hindernisse in der Stadt erneut bewältigen. Auf dem Container “Devils Corner” zwingen mich Beinkrämpfe zur Ruhe, bevor ich in die Gülle eintauche. Die Schlammlöcher bewältige ich mit stoischer Ruhe.
Dann steht Joachim von Hippel, der Boss der Hölle, vor mir, das Gesicht zerkratzt und schlammverschmiert von zahllosen Umarmungen. Der Typ ist so cool, dass die Schafe ihn zählen, wenn er schlafen geht. Falls er schlafen geht.
Joachim hat diese vierte Ausgabe noch härter gemacht, noch länger die Kriechhindernisse, tiefer die Wasserpassagen und kräfteraubender das Lauferlebnis, aber auch sicherer. So sind Gefahrenstellen, wie die langen Schlammrutschen an den Steilhängen verkürzt, die Kletterwände weggefallen, die Helfer am Wasser aufgestockt worden. So, wie der Parcours heute ist, so soll er bleiben. Die zahllosen Ausfälle vom letzten Jahr haben sich nicht wiederholt.
Es geht weiter. Die Wasser der Lauer sind tief und unberechenbar. Zwischen zwei Steinen rutsche ich ab, zerschneide mir den Fuß, stürtze und verrenke mir das Gelenk. Der Schlamm unter den Kriechhindernissen ist zentimeterdick. Ich versuche meine Knie davor zu bewahren, doch es ist zwecklos, die Pampe brennt in den Wunden.
Eigentlich bin ich platt, doch nun kommt das große Grauen: Die Reifenburg “Tyre Castle”. Mein größter Horror, diese Röhre aus Lastwagenreifen. Die metallenen Drähte der Felgen schneiden in das zerfetzte Fleisch der Beine. Man versucht das Körpergewicht auf die Unterarme zu verteilen, während man kläglich hindurch robbt, doch auch dort hinterlässt dreckiger Druckschmerz im eiskalten Fleisch tiefe Spuren.
Und wieder durch dicke Planen und unter der Brücke durch. Geduckte Kämpfer suchen im dunklen Nebel nach Körperkontakt, wann kommt der Fluss? Stürzen wir hinab? Man versucht seine Verletzungen zu schützen, doch wo sind wir? Jeder Schritt zeugt von purer Angst. Als ich hinauskrieche, liegt immer noch eine Stunde Kampf vor mir, ein Trailrun durch dichtes Gestrüpp, durch tiefes Wasser, unterzuckert, zerschunden, aber voller Heldenmut, mit freiem Herzen.
Der Zieleinlauf, die letzten Hindernisse und der Empfang auf der Ziellinie sind die Wiedergeburt. Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die 2548 Toten (davon 214 Frauen ) nach 45 Hindernissen, 26 Kilometern und 2400 Höhenmeter auf die Erde zurück, gezeichnet von den Qualen, gestärkt im Charakter. Etwa 500 Kämpfer kamen nicht durch.
Ich danke der Organisation, den Helfern und Kameraden.
Und wenn Ihr dann in vielen Jahren sterbend in Eurem Bett liegt, wärt Ihr dann nicht bereit, jede Stunde einzutauschen vom heutigen Tage, an dem Ihr den Braveheart gefinisht habt, um einmal nur, ein einziges Mal nur, wieder hier in Münnerstadt stehen zu dürfen und unseren Feinden zuzurufen: „Ja, sie mögen uns das Leben nehmen, aber niemals nehmen sie uns UNSERE FREIHEIT! “
ICH BIN DREIFACHER BRAVEHEART!