Eine Flasche „William Wallace Christ“ lässt die kurze Nacht auf dem harten, nackten Boden vergessen. Ich mache Kasse, damit bestimmte Fotos nicht erscheinen. Dann schlage ich mich zum Wohnmobil von Conny und Jörg durch. Weißwurst und Bier, Farbe auflegen, das nennt man warmup. Die erste, die wegrennt, ist die Zeit.
Anfahrt, Anmeldung, Training, Dusch- oder Umkleidemöglichkeiten? Solche Details der Hölle braucht der Braveheart nicht. Wer hier nur eine Blinddarmnarbe vorweisen kann, der ist fehl am Platz! Hier in Münnerstadt zwischen Fulda und Würzburg findet der härteste Härtetest der Welt statt.
Immer mehr Gestalten finden sich ein. Je schriller desto besser. Das nimmt die Unsicherheit. Nebenan machen sich zwei Jungspunte zurecht: zwei Hosen, zwei Jacken (alles Neopren), Rucksack voll mit Fressalien. Wir lachen uns schief: „Ihr Luftkoteletts kommt mit dem Outfit nie an! Ihr werdet jämmerlich ersaufen. Trinkt lieber jetzt noch einen!“ Die sind nun richtig gedisst, einer läuft schnell in die Büsche. Leute! Ihr habt jetzt 30 % meines Alters erreicht, Ihr werdet krepieren!
Dieses Jahr hat der Veranstalter, das Pas-Team, nachgelegt, der Parcour ist richtig verschärft: 24 Kilometer und 45 Hinderrnisse. Das reicht dicke, um auf Platz eins der Liste der härtesten Wettkämpfe zu gelangen. Der Hauptsponsor inov-8 ist ein Off-Road-Lauf-Ausstatter aus „Englands letzter Wildnis“.Wie hart der Lauf ist, bekomme ich zwei Stunden später mit, als die Einsatzleitung zusätzliche Krankenwagen aus den umliegenden Gemeinden anfordert.
„Auf den Knien lege ich mein Schwert in Eure Hände, auf dass meine ganze Kraft nur Eurem Willen zur Verfügung steht. Ich werde nicht eher aufhören, bis Ihr mich aus diesem Verhältnis entlasst oder ich im Kampf zu Boden gehe. All meine Kraft werde ich aufbringen, auf dass man noch Jahre später von diesem Lauf reden wird, und dem Helden Joe, der ihn bestritt...“
2800 Kämpfer knien vor dem Starttor. Erinnerung weitgehend futsch, ich bin aufgeputscht, Adrenalin verstopft das Hirn. Warten und schwitzen in der Kälte. Dann geht es los. Gestartet wird in Blöcken a 100 Läufer.
Möge mich die Hölle verschlingen und entsetzt wieder in Richtung Ziel ausspucken...
Ich werde kämpfen bis zum Umfallen. Ich bin kein Angel und kein Sachse, ich bin Hunne und Vandale. Ich kämpfe gegen Pussies wie Heidi Klum, Prosecco aus der Dose und Schuhe aus dem Internet. Meine Vorbilder sind Colt Seavers und El Bundy. Ich verdoppele hier den Altersdurchschnitt, diese Teletubbyglotzer haben keine Idole mehr, Ihr Kleinst-Bravehearts!
Auf ins teuflisches Vergnügen! Runter in die Hölle des Lauertals.Der mörderische Abhang „Killing Hill“ ist 300 Meter lang, 45 Grad Neigung, das Gestrüpp ist schon abgerissen. Ich brezel hin, bleibe hängen, reisse mir ein Stück aus meinem selbstgezimmerten Gladiatoren-Lendenschurz.
„Hangman“ ist der Schocker. 6 Meter am Metallgerüst entlanghangeln. Taktik und kräftige Arme sind gefragt. Eine gute Kondition reicht nicht. Echte Bravehearts müssen alles können. Fahrradhandschuhe sind schlechte Wahl, ich rutsche ab und lande wie Fallobst im 2 Grad kalten Wasser. Von oben kommt immer mehr Fallobst, schnell, schnell weg aus der Gefahrenzone, rauf aufs glitschige Ufer und weiterlaufen.
3 Kilometer entlang der Lauer zum Aufwärmen. Dann Zähne zusammenbeißen und wieder rein ins eisige Wasser. Fiese Stelle mit den dicken Steinen. Kein Spaziergang. Die Krieger drücken von hinten, ich rutsche aus, neben mir platscht einer per Breitseite hinein, super Foto von halb unter Wasser.
Kalt wie Eis und heiss wie Frittenfett. Hier in Münnenrstadt’s Zentrum steht die geballte Paparazzifront. Wir müssen gebückt unter die Brücke und dann durch diese ekelhaften Spring-und Kriechkombinationen. Die Knie reissen auf, die Unterarme bluten. Auf der Folie ist es nicht besser, kein Halt, um vorwärts zu kommen. Wie Frösche rudern wir über die schmierig-fettige Folie und Zentimeter über uns gröhlt die Masse vor Gier nach noch mehr Leiden, während wir um jeden Zentimeter kämpfen. „Eyes to the Sky“, ein schreckliches Kriechhindernis, das nur auf dem Rücken liegend bewältigt werden kann. Dazwischen ekelhafte Hürden, die Hölle ist in Münnerstadt!
Wie Phönix aus dem Schlamm hinauf in luftige Höhen, doch das Stroh der Ballen beißt in den Wunden. Der 12 Meter breite Brave Wall hat extrem hohe Stufen. Von der nahen Strassenbrücke gaffen uns die luschigen Zuschauer direkt ins Weiße unserer angstgeweiteten Augen. Drei Kilometer sind geschafft.
„Dünisch Schweinfurt“ so heisst die Furt der Schweine, aber das Ufer hat es in sich. Abgeschlagene Stummel von Büschen reisen den Arsch auf. Das eisige Wasser kühlt die aufgerisssenen Hämorrhoiden. Weiterlaufen. Hängebrücke „Burma Dünisch“. Die Seile schneiden in die Füße, Füße baden im Eiswasser.
Richtung Bauhof, das verheisst nichts Gutes. In dichter Folge sind hier die metertiefen Schlammgruben „Mürschter City Worker“, zermürbende Hindernisse. Die fiesen „Neeb Fields“.
„Wer ein Hindernis auslässt oder die Herausforderung nicht schafft, ist disqualifiziert. Mitgebrachte Hilfmittel sind verboten, Hilfestellung von anderen Teilnehmern ist erlaubt und erwünscht. Wir dulden keine Unsportlichkeit!“