Kein Mensch interessiert sich heute für die alten Fachwerkhäuser, Gemäuer und Tore, oder für den Altar der heiligen Maria Magdalena geweihten Kirche, obwohl sich mancher daran erinnert, im Unterricht schon mal von Tilman Riemenschneider gehört zu haben. Dem ist dieses Kunstwerk zu verdanken.
Die Horden, die alljährlich in Münnerstadt einfallen, interessieren sich mehr für Power, Action und Survival, kurz PAS. Und genau das ist Programm beim BraveheartBattle. Das wiederum ist Masterchief Joachim von Hippel und seinem danach benannten PAS-Team zu verdanken.
Der immer ernst und entschlossen dreinblickende, schnauzbärtige Ex-Stabsfeldwebel war als Soldat des Euro-Korps in Kriegseinsätzen in Bosnien, Afghanistan und im Kosovo. Dort hat er mit eigenen Augen gesehen, wie blöd sich manchmal Journalisten anstellen und in welche Gefahren sie sich dadurch unnötigerweise bringen. Also gründete er das PAS-Team und bildete Journalisten und Mitglieder von Hilfsorganisationen für solche Einsätze aus. Es ist nicht auszuschließen, dass einige Übungen aus dem Programm auch beim BraveheartBattle vorkommen. Vielleicht ist der BraveheartBattle ja ein Crashkurs und die 65 Euro Startgeld so gesehen ein echtes Schnäppchen?
Ehrlich gesagt, wer auf dem Bau oder im Schlachthof mit harter körperlicher Arbeit sein Brot verdient, braucht keinen Marathon und keinen Trail- oder Survival-Run. Weil das aber die wenigsten tun, gibt es einen regelrechten Hype um solche Events, die alle im 1987 in England erstmals ausgetragenen „Tough Guy“ ihren Ursprung haben. Als mir vor vielen Jahren davon erzählt wurde, waren wir uns schnell einig: So etwas wird es bei uns nie geben. Keine Behörde würde jemals so etwas genehmigen und keine Gemeinde so etwas haben wollen.
Man wird sich ja mal täuschen dürfen. Ich glaube zwar auch heute nicht, dass Joachim von Hippel in den Rathäusern von Wohlstandsgemeinden am Rande der Großstädte offene Türen einrennt. Aber in Münnerstadt, wo bis zur Wende die Welt so ziemlich zu Ende war, ist der BraveheartBattle so eine Art Konjunkturprogramm, denn die anreisende Läufer- und Fangemeinde ist mindestens doppelt so groß, als die Einwohnerzahl der Kernstadt (3700). Fast wie Wacken, wenn die Heavy Metal Fans anrücken.
Jedenfalls steht in Münnerstadt nicht nur Helmut Blank, als Bürgermeister praktischerweise auch der Chef des Umweltausschusses, hinter dem Event, sondern die gesamte Bevölkerung. Das BraveheartBattle mag für die Aktiven Herausforderung, Gaudi oder beides sein. Für die Leute hier ist ein ganz besonderes Fest, das an der Strecke mit Bier und Gegrilltem hingebungsvoll gefeiert wird. Eine solche Stimmung erlebt man nicht bei jedem City-Marathon – glaubt es mir.
Einer, der sich das ganz genau anschaut und auch den Startschuss abgibt, ist Detlef Tabbert, leicht zu erkennen am breitkrempigen Cowboyhut, Mantel und Coltgürtel. Er ist Bürgermeister von Templin, wo am 6. September der CherokeeRun, jüngster Spross der PAS-TEAM-Event-Familie, ausgetragen wird. Lokation ist die Westernstadt El Dorado. Templin in der Uckermark könnte auch Partnerstadt von Münnerstadt sein. Die Bürgermeister werden nämlich ähnliche Sorgen, insbesondere finanzieller Art, plagen. Da ist Kreativität gefragt.
Münnerstadt ist jedenfalls bundesweit in aller Munde. Fernsehteams nicht nur des Bayerischen Rundfunks, sondern auch von SAT 1, Spiegel-TV, N24 usw. sind am Start, die überregionale Schreiber- und Fotografen-Zunft sowieso. Nur den Kollegen von dpa ist der Name noch nicht geläufig. In ihrer Pressemitteilung, die auch in meiner Heimatzeitung erschienen ist, ist von „einem Ort in Bayern“ die Rede.
Ihr merkt schon, das ist keine Einleitung zu einem emotionalen Laufbericht. Einen solchen wird es diesmal nicht geben. Unser Team geht ziemlich angeschlagen in die Saison und braucht eher einen Nachschlag an Regeneration als eine knochenbrecherische Herausforderung. Bis auf Daniel vielleicht, aber der ist bei der ServivalRun-Premiere in der heimischen Schweiz zugange.
Hier gibt es seinen reich illustrierten Bericht
Bliebe noch zu klären, ob Läufe wie diese auf Trailrunning.de überhaupt richtig sind. Mit Sicherheit gibt es dazu mindestens zwei Meinungen. Genau wollen wir das mit der aktuellen Umfrage auf Marathon4you.de erfahren.
Nimmt man das Motto von Trailrunning.de („Runter von der Straße“), stellt sich die Frage aber gar nicht. Weiter von der Straße als bei einem solchen Survival-Run kann man sich nicht entfernen. Jeder erfahrene Trailrunner stand auch schon im eiskalten Gebirgswasser, stapfte durch knöcheltiefen Schlamm, kletterte mit oder ohne Fixseile und –leitern die steilsten Felsen hoch und überquerte auf schwankenden Brücken tiefe Schluchten. Weil man solche Hindernisse in Münnerstadt nicht hat, baut man welche aus Stahl und Holz und gräbt tiefe Löcher. Manche Aufgabe schafft man gar nicht alleine und ist auf die Unterstützung und Hilfe von Kameraden angewiesen. Auch solcherlei ist einem Trailrunner nicht fremd.
Feierlich ist es obendrein. Die Nationalhymne und „Amazing Grace“, live gesungen, dann die Vergatterung. Noch nicht einmal bei der Musik zum Einstimmen und Abfeiern muss sich der eingefleischte Trailer umgewöhnen. Im Musikantenstadel kommt die nicht vor.
Aber dann kommt’s. Trägt man an den Füßen noch die üblichen Trailvarianten der bekannten Laufschuhmarken, sind beim übrigen Outfit der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Der wilde Haufen gleicht eher einem Faschingsumzug als einem Läuferfeld. Im reinen Laufdress würde man genauso auffallen, wie ganz ohne Klamotten. Ich fürchte, das ist vielleicht nicht der einzige, aber der wesentliche Unterschied und das, was einen „seriösen“ Trailer am meisten an einem Survival-Run stören könnte.
Ansonsten würde ich sagen: Jeder Braveheart ist ein potentieller Trailrunner. Und umgekehrt?
Meist gestellte Frage zum BraveheartBattle laut Masterchief: „Muss man Schwimmen können?“
Immer gleiche Antwort: „Wenn Du überleben willst!“
Zum Schluss noch die Sieger und etwas Statistik. Die Siegerzeiten entsprechen denen eines „durchwachsenen“ Marathons. Wer also seine M-Bestzeit zugrunde legt, und gut aus den Drecklöchern kommt, ist einigermaßen auf der sicheren Seite.
Männer
1 Kraus, André 02:18:23
2 Link, Thomas 02:19:37
3 Zwickel, Andreas 02:19:38
Frauen
1 Lehnert, Yvonne 02:48:13
2 Bernardino Rodrigo, Melanie 03:00:25
3 Schönbach, Yvonne 03:04:24
3000 Teilnehmer, Monate vorher ausgebucht
2883 Teilnehmer am Start
2797 Finisher (= 97 % !!)
50 % der Startplätze für 2015 (7. März) sind jetzt schon vergeben.
Damit nicht genug:
Hier gibt es Bilder vom Survial Run in Thun in der Schweiz