So ganz nebenbei haben wir die 1000er Marke geknackt. Die nächsten 500 Höhenmeter sacken wir aber schneller ein, das heißt, es wird steiler. Los geht es auf einem Wiesenhang, den es weit nach vorne gebeugt zu überwinden gilt. Flottes Marschtempo ist das maximal Mögliche für die vier, fünf Marathonis, die sich in meinem Sichtfeld bewegen. Unangenehm ist dieser Streckenabschnitt aber nicht, denn es gibt ziemlich viel Schatten, richtig angenehme Kühle und bei km 16 dank zentimeterdicker Tannennadeln eine butterweiche Joggingeinlage auf einem herrlichen Waldpfad. Die steile Schotterpiste abwärts ist dann nicht so das Wahre, wohl aber die Teerstraße, die uns nach St. Georg (km 17,5) bringt.
Wir sind im Aferer Tal und begrüßen im Sommerdunst die Zacken der Geisler (höchster Gipfel Sass Rigais, 3025 m) und wenig später taucht auch der markante Peitlerkofel (2875 m) auf, der das Logo des Brixen Dolomiten Marathon schmückt. Hinten im Talschluss gibt es einen Übergang ins Vilnösstal, der Heimat von Reinhold Messner. Er erzählt noch heute gerne, wie er als Kind barfuss in den Bergen der Geisler-Gruppe das Klettern lernte. Von Gröden aus sind die Geisler auch per Seilbahnen erschlossen und daher ein sehr beliebtes Wandergebiet.
Die Teerstraße ist leicht abschüssig und man kann es mal so richtig rollen lassen. Laufen, schauen und genießen ist jetzt angesagt. Der Gedanke, dass die verlorenen Höhenmeter wieder eingesammelt werden müssen, stört mich nicht. Wo die Wiesen noch nicht gemäht sind, zeigen sie ihre schönste und vielfältigste Blütenpracht. Schöner kann der Bergsommer nicht sein.
Links ab heißt es dann (km 24), runter von der „Autobahn“, 300 Höhenmeter wollen in einem Streich genommen werden. Zuvor gibt es noch Flüssig- und Trockennahrung, dann geht es in weitläufigen Serpentinen hinauf zur Schatzerhütte (1984 m/km 28), fast immer die irren Zacken der Geisler im Blick. Auf den nächsten zwei Kilometern verliert man wieder etwas an Höhe, verbessert seinen bescheidenen Kilometerschnitt aber nicht wesentlich. Hinauf zur Bergstation der Plosebahn (Kreuztal 2050 m/km 33,5) wird man sogar wieder kräftig ausgebremst, denn 200 Höhenmeter gibt es fast an einem Stück.
Der Bergbahn haben wir also die vielen Ausflügler und Wanderer hier zu verdanken. Respektvoll gehen sie zur Seite, dass es mir fast peinlich ist. Um 15.00 Uhr muss man hier durch sein, sonst wird man aus dem Rennen genommen. Bis dahin ist noch knapp eine Stunde Zeit. Keine Gefahr also.
Aber in 7 Stunden insgesamt werde ich das Ziel nicht erreichen. Dafür gibt es für mich hier einfach zu wenig zu laufen. Wenn das im Zeitlimit entsprechend berücksichtigt wird, soll mir das aber egal sein. Die Strecke ist nämlich einmalig schön und sehr, sehr abwechslungsreich. Von hier hat man jetzt wieder einen ganz anderen Eindruck. Man blickt hinunter in die Stadt und sieht im Hintergrund die Gletscher der Stubaier und Zillertaler Alpen. Und dabei läuft man durch einen Naturparklandschaft, in der, so weit das Auge reicht, die Alpenrosen blühen. Und das tollste, man kann tatsächlich laufen, wenn man sein Pulver noch nicht verschossen hat. Das Gelände gibt es her.