Vor gefühlten 100 Jahren mußte ich mal dienstlich nach Braunschweig, nutzte die Gelegenheit zu einer Stippvisite im Harz und nahm mir vor, nochmals in Ruhe hierher zu kommen. Und schon bin ich wieder hier, diesmal mit meiner kleinen Hexe. Anders als die kleine Hexe, die wir aus Otfried Preußlers Kinderbuch kennen, ist ihr beliebtestes Fortbewegungsmittel allerdings nicht der Besen, sondern ihre joggingschuhbestückten Füsse. Und sie ist auch noch nicht 127 Jahre jung und damit zu jung, um mit den großen Hexen Walpurgisnacht am Blocksberg feiern zu dürfen.
Zur Walpurgisnacht, an der die Hexen traditionell ein großes Fest abhalten, sind wir allerdings reichlich spät, denn die findet immer vom 30. April auf den 1. Mai statt. Aber wenigstens sind wir am richtigen Ort, denn der Brocken als höchste Erhebung des Harzes gilt traditionell als der Berg des Hexenwesens. Und der Begriff Berg ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn der bereits zum 35. Mal durchzuführende Brocken-Marathon hat es neben der traditionellen Länge mit gut 1.000 auf 1.142 m ü. NN zu nehmenden Höhenmetern durchaus in sich und bietet auf seinem Gipfel Hochgebirgsklima. Dort war temperaturmäßig zwischen +17° und –3° (gefühlte -22°) schon alles dabei.
Übrigens ist er der einzige Berg eines heutigen germanischen Mittelgebirges, dessen Gipfel über der Baumgrenze liegt. Nebel gibt’s an mehr als 300 Tagen im Jahr, fast ein Drittel des Jahres ist er mit Eis bedeckt, die Durchschnittstemperatur beträgt stolze 2,9 Grad und der Wind bläst mit bis zu 263 km/h. Noch am vergangenen Montag sehe ich bei Spiegel-Online ein Video zum Thema: „Orkan-Touristen auf dem Brocken: Ganz stürmisch, ganz toll!“ Fürwahr, ein gar lieblicher Ort!
Vorerst aber befinden wir uns am Fuße des Brockens auf 250 m Höhe in Wernigerode. Das 34.000-Einwohner-Städtchen („Bunte Stadt am Harz“) besticht nicht nur durch das 100 m über ihr gelegene neugotische Schloß, sondern auch über einen im wesentlichen aus niedersächsischen Fachwerkhäusern bestehenden Stadtkern. Diesen können wir am Freitag ausgiebig bewundern, denn wir sind bereits am Vormittag angereist. Alleine das Rathaus von 1277 und dessen umgebende Gebäude sind die Reise wert, eine derartige Dichte an Fachwerkhäusern haben wir noch nicht gesehen. Dank unserer Unterkunft in einem schönen Jugendstilgebäude am Rande des historischen Stadtkerns können wir alles problemlos fußläufig erreichen. Das schlechte Wetter haben wir mitgebracht, aber besser es regnet sich heute aus als morgen.
Die Startnummernausgabe erfolgt am Freitag ab 14 Uhr im herrlichen anzusehenden Rathaus, alternativ kann man auch noch am Samstagmorgen ab 7.30 Uhr im Startbereich zuschlagen. Wir sind direkt mit dabei, schauen uns die kleine Messe an und setzen anschließend unsere Stadtbesichtigung fort. Im gegenüberliegenden Café gehen wir auf Nummer sicher und füllen schon mal unsere Fettspeicher auf, schließlich werden diese morgen ja intensiv strapaziert werden.
Nach durchregneter Nacht geht unser banger Blick beim Frühstück in Richtung erste Morgenröte und – Tschacka!- keine Wolke am Himmel. Trotzdem ist der Start-/Zielbereich im Stadtteil Hassorode gut gewässert und wir sind froh, uns für Trailschuhe entschieden zu haben, auch wenn wir damit ein paar Gramm mehr durch die Gegend schleppen müssen. Die sind jetzt in Anbetracht der Streckenbeschaffenheit kein unbedingtes Muß, schaden aber keinesfalls. Gelernt habe ich jetzt auch die Herkunft des bekannten Hasseröder Getränks und damit eine eigentlich unverzeihliche Bildungslücke geschlossen. An der sog. Himmelspforte geht es los, dort liegt quer über eine große Wiese auch das Ziel. Übrigens empfiehlt sich eine frühe Anfahrt, denn die Parkmöglichkeiten um den Ort des Geschehens sind überschaubar.
Kaum angekommen, läuft mir eine leibhaftige Hexe über den Weg, das muß wohl die Brockenhexe sein. Und da die gar nicht abschreckend ist, ganz im Gegenteil, fasse ich mir, selbstverständlich ausschließlich völlig selbstlos für Euch ein Herz, sie um die Schulter und lasse uns gemeinsam ablichten. Sie trägt Laufschuhe! Dient das unserer Verwirrung, oder wird sie etwa…? Der Moderator unterhält uns mit launigen Sprüchen („Ich habe gerade den Wetterbericht vom Brocken bekommen: Besser ein Grad als kein Grad!“) und sucht die kleine Hexe, die sich doch tatsächlich im vorderen Feld befindet! Na, das ist ja ein Ding, fast so, wie die mitlaufende Loreley letztes Jahr beim Rheinsteig-Erlebnislauf.
Sabine Meier aus Hannover, die ich im Juli auf dem Weg zum Riffelberg beim Zermatt-Marathon überholt und, weil sie besonders nett ist, auch im Bericht erwähnt hatte, erspechtet mich und strahlt über alle Backen. Liebe Sabine, Freundlichkeit zahlt sich aus und schon stehst Du wieder im Mittelpunkt des Weltgeschehens! 4:03 Std. wird sie heute brauchen und damit neunte Frau werden, Respekt!
Ein paar Aerobic-Miezen bieten ein gerne angenommenes Aufwärmprogramm an und dann ertönt statt eines Schusses das Startsignal aus dem Jagdhorn. Gleich geht es ein paar Meter moderat nach oben. Ein einziger Blick auf das Höhendiagramm – ein stumpfes, gleichschenkliges Dreieck - legt die Taktik für den Lauf (Rundkurs) fest: Von Wernigerode ist die erste Hälfte lockeres Einlaufen hinauf zum Brocken angesagt, danach Tempobolzen bergab zurück. Oder so ähnlich... Ein Mindestmaß an Einsatz beim Hochlaufen ist aber allerdings, jetzt mal ganz ernsthaft, schon angezeigt, denn auf dem Brocken ist nach 3 Std. Cut Off. Heißt: Wer hier nicht bis um 12 Uhr oben ankommt, ist draußen. Und drei Stunden wollen auch bei „nur“ knapp 20 km, aber über bis dahin 1.000 HM, erst einmal gelaufen sein. Um 15 Uhr ist dann nach sechs Std. Zielschluss.
Heute mache ich einen auf Eberhard und habe erstmals bei einem Lauf überhaupt zusätzliche Klamotten dabei, eine Mütze, Handschuhe und eine leichte langärmelige Jacke stecken in meinem Laufgürtel. Ich meine, trotz „nur“ 900 m effektiver Höhendifferenz zwischen Start-/Zielort und Brockenspitze ist mit der Witterung hier nicht zu spaßen. Im letzten und diesen Sommer bei meinen alpinen Marathons (Jungfrau bzw. Zermatt) konnte ich mich auf jeweils über 2.000 m Höhe naß im Gras von der Sonne trocknen lassen, das ist heute deutlich anders, auch wenn es nicht im Ansatz so hoch hinaus geht. Bei dem angekündigten 1° und nicht auszuschließendem Niederschlag auf dem Gipfel muß man es nicht herausfordern und bis ganz nach oben in „kurz“ laufen. Angeblich hat es oben schon geschneit, hörte ich gestern, aber das werde ich ja bald persönlich in Augenschein nehmen können.
Die ersten km sind für mich sehr angenehm zu laufen, die leichte Profilierung gefällt mir, auch wenn ich auf dem vergleichsweise engen Weg ziemlich eingesperrt bin. Ich hatte einige Startfotos geschossen und mußte mich (Nettozeitmessung!) über die Zeitmeßmatte ins hintere Feld eingliedern. Aber was spielt das für eine Rolle, gesundes Ankommen ist angesagt. Bald überhole ich Sigrid, die mit ihrem Dauerbegleiter HaJo diese schwere Strecke auf sich nimmt. Beide sind mittlerweile deutlich in den Siebzigern, da bin ich doch mal gespannt, ob das in Anbetracht des Zeitlimits gut gehen wird.
Nacheinander zweigen die anderen Strecken links von unserem Weg ab, die Wanderer sind bereits vor uns gestartet worden. Die ersten fünf km sind bald relativ unspektakulär, landschaftlich aber durchaus attraktiv hinter uns gebracht, nachdem das Örtchen Darlingerode gestreift wurde. Etliche Ortsnamen enden hier auf „-rode“, ein untrügliches Zeichen dafür, daß die Siedlungsplätze in grauer Vorzeit mühsam dem dichten Wald abgerungen werden mussten. Auffällig viele Mitläufer haben ihre Hunde mit auf die Strecke genommen und ich freue mich über die Disziplin von Herrchen und Vierbeinern, es stört überhaupt nicht. An einigen Stellen wächst junger Wald nach und die Sonne kommt bis zum Boden durch, wodurch die objektiven 7° gefühlt noch deutlich aufgewertet werden. Teilweise bekommt der Weg Trailcharakter, das ist genau mein Ding und meine ohnehin gute Laune steigt weiter.
Nach reichlich 9 km erreichen wir das Städtchen Ilsenburg, das auf gleicher Höhe wie Wernigerode liegt. Jeden erarbeiteten Höhenmeter haben wir also wieder verloren. Gut, deren zehn sind übrig geblieben, wer es ganz genau wissen will. Hier gibt es das erste Mal Flüssignahrung und, ja, dann geschieht – endlich! - etwas von epochaler Tragweite: In meinem elften Marathonjahr koste ich ihn erstmals. Den Schleim. Das mußte jetzt sein, denn ihn nicht zu kennen, ist eine weitere unverzeihliche Bildungslücke. Zugegeben, optisch vielleicht nicht gerade erste Wahl, ist er sensorisch mehr als akzeptabel und hervorragend in der Wirkung. Für diejenigen, die damit nichts anfangen können: Das ist ein trinkfähiger, gesüßter Haferbrei. Wer braucht da noch Gels & Co.?
Derart gestärkt und mit weiter steigender Laune folge ich nun dem 10,5 km langen Heinrich-Heine-Weg, den der berühmte Dichter seligen Angedenkens im September 1824 höchstselbst hochgestiefelt ist. Die Ilse, ein attraktives Bächlein, begleitet uns auf den nächsten km. Von wegen „Ilsebilse, niemand willse, kam der Koch, nahm se doch, steckt se in das Ofenloch!“ Der Wald begeistert mich zunehmend, ein richtiger Märchenwald ist es, der da zwischen den riesigen, abgerundeten GesteinsBROCKEN emporwächst. Doch es ist kein Rotkäppchen zu entdecken und auf den bösen Wolf kann ich verzichten, auch wenn wir froh sein sollten, daß auch er wieder eine ökologische Nische für sich entdeckt zu haben scheint. Und auf den gelaufenen erst recht.
Und dann, ich wundere mich, daß keiner etwas sagt, erstrahlt er nach etwa 13 km in voller Schönheit und das völlig ohne Nebel: Der Brocken! Wie geil ist das denn? Lediglich die Gebäude auf seiner Spitze sind in leichten Dunst gehüllt. Meine Laune steigt noch mehr, kaum will ich weiterlaufen, solch ein Glück! Die Sonne bescheint uns weiter, die Welt ist schön und ein verfrühter Nikolaus in angeblich atmungsaktivem Kostüm, wie er später augenzwinkernd im Ziel flunkern wird, belebt die Szenerie. Da stört es auch nicht, daß wir den nächsten km wandern müssen, denn die erste ordentliche Steigung mahnt zum Haushalten mit den Kräften. Danach fluppt es aber wieder und an km 15 gibt es wieder etwas zu beißen und zu trinken. Das Angebot ist Klasse und abwechslungsreich, ich aber konzentriere mich auf Tee und Schleim, beides ist warm und tut super gut. Dafür nehme ich mir auch jedes Mal Zeit, ich bin ja schließlich nicht auf der Flucht.
Mancher der berühmten Marathons hat seine legendären Punkte, von denen man schon oft gelesen und gehört hat, so auch der Brocken-Marathon: Der nämlich hat den Plattenweg. In dunklen NVA-Tagen als Kontrollweg entlang des damaligen „antifaschistischen Schutzwalls“ angelegt, erschwert er uns heute das Vorwärtskommen. Eigentlich sollte man meinen, daß er es unterstützt, aber man tritt immer wieder leicht in die im Beton ausgesparten Löcher und bleibt mit den Schuhspitzen darin hängen. Ich laufe jetzt konsequent auf den schmalen, durchgehenden Betonstreifen, das paßt. Aaah, das ist sie wieder, meine kleine Hexe! Wo ist denn Dein Besen? Und Deine Nase? Schwupp, hat sie sich die wieder aufgezogen und strahlt. Den Kleinen Brocken überquerend, müssen die km 17 und 18 wieder gegangen werden.
Jetzt zeigt sich, wie gut und ernst zu nehmen die Hinweise auf das launische Brockenwetter sind: Es hat sich in kurzer Zeit total zugezogen und der Wind frischt stark auf. Ich freue mich, daß die Chronistenpflicht auch viele Vorteile mit sich bringt. Denn so dreht man sich ab und an auch mal um und sieht so Dinge, die dem nur auf den Boden schauenden Läufer entgeht, so z.B. der phantastische Blick auf die Eckertalsperre, über deren Staumauer einst die innerdeutsche Grenze verlief. Aber dafür habt Ihr ja uns laufende Reporter. Ich entschließe mich, die Jacke anzuziehen, denn auf der freien Plaine zieht es mittlerweile erbärmlich, der Wind fährt in alle Glieder. Keine blöden Bemerkungen jetzt bitte. Kaum habe ich auch die Mütze zusätzlich zur Kappe aufgezogen, kommt der Ausgabepunkt für Ganzkörperkondome, in die freundliche Helfer hineinhelfen. Fortan strebt eine Heerschar gelber Männlein und Weiblein gen Brocken. Und ein oranges Männlein.
Fast wäre ich an der 1.000 m-Marke vorbeigedüst, ohne sie zu knipsen, denn mittlerweile bin ich wieder in den Laufschritt gefallen. Ich überquere das Gleis der Brockenbahn, das durch Streckenposten gesichert ist. Sollte die Bahn kommen, ist das Überqueren bei Strafe der Entmannung verboten. Die Jungs spenden frierend tapfer Beifall, von mir kommt ein „Danke, das ist verdient!“ und schon habe ich die Lacher auf meiner Seite. Der Dunst nimmt immer weiter zu, wo ist das tolle Wetter von vor sechs km? Ja, Leute, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, nehmt die Warnungen ernst!
Km 19, gleich muß es doch soweit sein. Schnee liegt zwar keiner, aber Heinrich Heines Eintrag ins Gipfelbuch („Viele Steine – Müde Beine – Aussicht keine – Heinrich Heine“) kann ich bestens nachvollziehen. Dann zucke ich richtiggehend zusammen, als fast unmittelbar neben mir der (Sende?)Mast auftaucht, der nur ganz schemenhaft zu erkennen ist. Riesenhoch ist das Teil. Und dann erblicke ich endlich den berühmten Felsen. Noch von hinten, dann sehe ich bei der Umrundung auf der Vorderseite das genauso berühmte Schild mit der Höhenangabe 1.142 m. Zeit für Heldenfotos! Es ist so kalt, daß sich selbst der Schutz meiner Kameralinse nicht mehr richtig öffnet. Na ja, das gibt doch die richtige Würze.
Entschuldige bitte, Klaus, daß ich es nicht so formvollendet hinbekommen habe wie Du: Die Punktlandung, exakt um 11:42 Uhr auf 1.142 m Höhe anzukommen, gelingt aber auch nur dem Chef, nicht dem gemeinen Fußvolk. Ich halte Ausschau nach den anzüglichen Theaterstücken und noch viel mehr nach den lüsternen Hexen, mit denen Mephisto und Dr. Heinrich Faust sich in Goethes berühmter Tragödie amüsierten. Offensichtlich haben die beiden aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, denn weit und breit ist nichts Anzügliches oder gar Lüsternes zu entdecken. Mist, dann ist halt unverrichteter Dinge Rückzug angesagt.
Auf Asphalt stürzen wir die nächsten zwei km wieder zu Tale, das geht verdammt in die Beine und schnell weiche ich auf das Kiesbankett aus, das ist immer noch besser als die knüppelharte Straße. Zur Belohnung gibt’s bei Halbzeit wieder Atzung, ich schleime mich heute so richtig ein. Die entgegenkommenden Wandergruppen feuern uns dankenswerterweise alle an, das tut gut und hilft, die harte Strecke zu verdrängen. Eine Gruppe Sagway-Fahrer beweist Humor, als ich sie zur Ordnung rufe, sie könnten ja wenigstens anbieten, uns zum Ziel zu fahren. Und dann ist sie schon wieder da, meine kleine Hexe, und schwebt auf ihrem Besen gen Tal. Mein lieber Mann, das sieht gut aus, da komme ich alter Knacker nicht hinterher. Glücklicherweise dürfen wir nach etwa zwei km den Asphalt zugunsten eines Naturwegs verlassen.
Mehrmals höre ich sie jetzt und sehe manchmal auch weißen Rauch aufsteigen. Nein, ich spreche nicht vom nächsten Konklave, noch hält Benedikt XVI. durch. Ich rede von der Brockenbahn, die als hauptsächlich touristisch genutzte, mehrspurige Schmalspurbahn von Drei Annen Hohne (542 m ü. NN) über Schierke (688 m ü. NN) zum Brocken führt. In Drei Annen Hohne wurde Stadtkommandant Oberst Petri am 11. April 1945 standrechtlich erschossen, da er die Stadt den Amerikanern befehlswidrig kampflos übergeben hatte und sie somit vor der Zerstörung bewahrte. An meinem Geburtstag, allerdings 61 Jahre vorher, wurde die Brockenbahn 1898 eröffnet. Seit 1961 (Mauerbau) führte sie durch militärisches Sperrgebiet (idealer Horchposten zum nahegelegenen „Klassenfeind“) und wurde hauptsächlich durch die NVA und die sowjetischen Besatzungstruppen genutzt. Nach Demilitarisierung und Renaturierung der Bergkuppe verkehrt sie seit 1991 wieder regelmäßig und befördert Passagiere in gut anderthalb Stunden nach oben.
Bei km 25 und 30 wird wieder in Ruhe verpflegt, mein Programm kennt Ihr mittlerweile und es kommt mir definitiv noch nicht aus den Ohren heraus, ganz im Gegenteil. So ein klein wenig ist bei mir jetzt aber die Luft heraus, es gibt nichts Neues mehr anzuschauen und das teils heftige Bergablaufen ist nicht unbedingt mein Ding. Prompt bremst mich km 32 aus, der wieder ordentlich nach oben führt und mich erneut ins Gehen fallen lässt, zu diesem Zeitpunkt eine hervorragende Ausrede. Vom Märchenwald, der mich mit seinen moosbewachsenen Felsbrocken gefangen nimmt, kann ich gar nicht genug bekommen, ein echte Augenweide. Und das ist auch der Blick auf Wernigerode, der sich überraschend zur Rechten auftut, das oberhalb der Stadt gelegene Schloss ist eindeutig zu identifizieren. Ein Anblick, der sicherlich auch so manchem entgangen sein wird. Von diesem Anblick erhole ich mich auf dem letzten Bergauf-Kilometer wieder gehend.
Bei km 34 gibt es nochmals Nachschub und die letzten fünf km werden rückwärts gezählt, mental ganz sicher förderlich. Klaus Egedesö, der nette Däne (viele Grüße an den Chef und Joe), mit dem ich schon bei der Startnummernausgabe gesprochen habe, spart sich ein paar Körner auf, denn er will morgen noch nach Bräunlingen zum Schwarzwald-Marathon. Man gönnt sich ja sonst nichts! Die letzte Verpflegungsstelle an einer alten Buche lasse ich aus und mache mich gleichermaßen auf die Socken und die letzten beiden km. Über eine große Wiese hinweg tauchen wir letztmals in den Wald ein, die Sprecherin ist schon zu hören und mein Weib freut sich, mich nach deutlicher Verspätung doch wieder vereinnahmen zu können. 4:38, au Backe. Macht aber nichts, in diesem Jahr stehen noch große Aufgaben an und daher ist es sinnvoll, mich nicht völlig verausgabt zu haben.
Ich freue mich über die schön Medaille, greife mir ein letztes Mal meine kleine Hexe, die deutlich vor mir angekommen ist und begebe mich, um die drohende Gefahr akuter Unterhopfung zu bannen, zum Hasseröder-Stand, jeder bekommt eines für seinen Gutschein. Gott sei’s geklagt, ER kann also im nächsten Jahr kommen. Eine sehr schöne Soforturkunde (DIN A 5) mit alten Postkartenmotiven nehmen wir direkt mit und bei einer Riesenportion leckerer Erbsensuppe lassen wir diesen tollen Tag, von der Sonne beschienen, im Kreis vieler Mitläufer ausklingen. Trotz harter Konkurrenz war das bisher der schönste meiner bisherigen deutschen Mittelgebirgsmarathons, ich habe nicht ein Fitzelchen zu meckern. Jajaja, der Kyffhäuser steht noch aus! 1 mit Sternchen also für den Brocken-Marathon, dringend zur Nachahmung empfohlen – besonders den Wessis, die hier in eklatanter Weise die Minderheit bilden!
Nachtrag zu unserer Fraktion 70+: Schneggi hat im Ziel Bedenken, ob Sigrid und HaJo es schaffen werden. Beide kommen knapp, aber sicher unter sechs Stunden ins Ziel. Das macht doch Hoffnung hinsichtlich der eigene Zukunft.
Startgeld:
28 - 38 € für den Marathon.
Wettbewerbe:
Marathon, Halbmarathon, 11 km, 5 km, Kinderlauf, Walking. Am Sonntag nach dem Lauf Frühstückslauf ab dem Marktplatz hinauf zum Wernigeröder Schloss (ca. 3 km und 100 m HD). Der Lauf ist kostenfrei, erfolgt in der Gruppe und ohne Zeitwertung. Im Anschluß wird ein kleiner Imbiß gereicht (große Portion Kartoffel- oder Erbsensuppe).
Streckenbeschreibung:
Von Wernigerode die erste Hälfte lockeres Einlaufen hinauf zum Brocken, danach Tempobolzen bergab zurück (Rundkurs). Oder so ähnlich.
Zeitnahme:
Davengo-Einmalchip
Rahmenprogramm:
Kleine Messen im Rathaus und im Zielgelände, Sportlerparty nach dem Lauf in der Mensa der Hochschule Harz (13 € für Essen und Musik).
Auszeichnung:
Medaille und Urkunde für alle Marathoner, Pokale und Sachpreise für die Schnellsten.
Logistik:
Alles Erforderliche unmittelbar beieinander.
Verpflegung:
Tee, Haferschleim, Wasser, Mineralgetränke, Obst u. a. m. Im Ziel erhält jeder Teilnehmer zudem eine kostenlose Erbsen- oder Kartoffelsuppe sowie einen Becher Hasseröder Premium Pils (Bons in den Startunterlagen).
Zuschauer:
Viele Wanderer unterwegs, die fast ausnahmslos anfeuern.