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05.05.18 - Chiemgau Trail Run

Endlich mal wieder Schnee!

Bei gutem Wetter kann man von den Bergen der Chiemgauer Alpen in Richtung Süden den Blick auf viele weit entfernte Gipfel genießen, Richtung Norden leuchtet unten blau der Chiemsee. Hier war ich schon mehrfach wandern, daher freute ich mich, als ich erfuhr, dass es nun etwa in der Mitte zwischen München und Salzburg einen neuen Trailrun gibt. Offensichtlich geht es vielen Läufern wie mir, denn schon Tage vor dem Start ist die Veranstaltung mit insgesamt über 500 Läufern komplett ausgebucht.

Auf der langen Distanz läuft man zuerst eine östliche Runde auf den Hochgern, danach geht es auf einer westlichen Runde in Richtung Hochplatte. Insgesamt sind dadurch 43,6 km mit 2264 Höhenmetern zu bewältigen. Für die Mitteldistanz gibt es nur die Hochgern-Runde mit 20 km und 1277 Höhenmetern, außerdem wird eine 7,9 km Kurzdistanz angeboten.

Marquartstein liegt nahe Prien in einem sanften Tal am nördlichen Alpenrand. Start für die lange Strecke ist erst um 10 Uhr, daher kann man lange ausschlafen und in Ruhe frühstücken. Die anderen Gruppen starten sogar erst 12 und 13 Uhr.

Die Berge um uns herum stecken am Samstagmorgen noch in den Wolken, doch gestern hatte der Wetterbericht die Hoffnung belebt, dass wir heute vom Gipfel doch die schöne Aussicht genießen können. Ich fühle mich gut und bin optimistisch, dass dies heute für mich ein entspannter Lauf wird. Zehn Stunden habe ich für die 43,6 km Zeit, das sollte auch für mich problemlos zu schaffen sein. Ich will heute nicht am Limit laufen, sondern den Tag eher als Training für bald folgende Langdistanzen nutzen.

Beim Start gibt es zur Erheiterung der Zuschauer auch ein Comedyprogramm. Nein, keine teuer eingekauften RTL-Stars! Für die allgemeine Erheiterung sorgt ein Läufer, der bis zuletzt mit anderen plaudert, dann beim Startschuss los läuft, unter dem Startbogen merkt, dass seine Stöcke noch 50 m weiter hinten an einer Absperrung stehen, den letzten Läufern entgegen wieder zurück rennt und dann Tränen lachend dem entschwindenden Läuferfeld hinterher spurtet. Dieser Chaot bin natürlich ich - wer sonst?

 

 
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Schon wenige hundert Meter nach dem Start läuft im hinteren Abschnitt des Teilnehmerfeldes niemand mehr. Alle marschieren die Straße bergauf. Bald weicht der Asphalt weichem Waldboden. In mäßigem Tempo steigen wir aufwärts. Zwischendurch reißt westlich von uns die Wolkendecke kurz auf und ich kann ein paar schneebedeckte Berggipfel fotografieren. „Ja, das wird bald schön sonnig sein“, freue ich mich. Doch bald verschwinden die Berge in eintönigem Grau. Auch der Wald um mich herum wird durch leichte Nebelschwaden mit einem Graufilter verschleiert. Mal marschiere ich auf breiten Waldwegen hinauf, mal auf schmalen, wurzeligen Trails. Der Single-Trail Anteil ist heute erfreulich hoch, nur ganz selten kommt Asphalt unter unsere Schuhe.

Von der Schnappenkirche aus schaue ich heute nur ins Graue. Schade, kein Chiemseeblick! Ein kurzer Abstieg, ein paar hundert flache Meter, dann wird der Aufstieg steiler als bisher. Bei der Staudacheralm sehe ich über mir nur wenige Felswände, von den Berggipfeln erkenne ich nichts.

 

 
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Jetzt wird es richtig anstrengend, bald darauf sogar abenteuerlich. An manchen Stellen bedeckt noch tiefer Schnee den steilen Singletrail. Manchmal stapfen wir durch den Schnee, rutschen, hangeln uns von Baum zu Baum, manchmal führt die Ersatzstrecke statt über die wegen Schnee unpassierbaren Serpentinen auf direkter Linie weglos noch steiler geradeaus den Hang hinauf. Hier finden sogar Trailschuhe kaum Halt auf dem feuchten Boden. Solche Strecken kenne und liebe ich von den Azoren oder den Vogesen, nicht aber von Trails in Deutschland. Genau das Richtige! Einsteiger, die zwei Stunden später auf bei der Mitteldistanz erste Erfahrungen im alpinen Trailrunning sammeln wollen, lernen hier gleich ein echtes Schmankerl kennen.  Anspruchsvoller als auf diesem nicht allzu langen Streckenabschnitt wird es auch bei den meisten großen Klassikern nicht.

Die Götter der Perspektive legen immer wieder einen optischen Fluch über richtig geile Trailstrecken, so dass die steilsten Herausforderungen auf den Fotos wie bequeme Flachlandspaziergänge aussehen. Glaubt mir - es war genial, auch wenn es nicht so aussieht!

Mir ist es völlig egal, dass ich hier wohl nur mit 1 km/h voran komme. Sicherlich kann ich das geforderte Durchschnittstempo beim Abstieg wieder aufholen.

 

 
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Weiter oben wird die Strecke dann meist wieder einfacher. Kurz vor dem 1736 m hohen Gipfel des Hochgern kommen mir schon andere Läufer entgegen, da hier die Strecke für uns als kleine Wendeschleife zum Kreuz und zurück führt.

Für eine Weile kann ich nun sogar einige der anderen Berggipfel in der Umgebung sehen und über mir leuchtet blauer Himmel. Doch nach Norden sehe ich unter mir nur ein Nebelmeer statt den Chiemsee.

Dieser Streckenabschnitt ist purer Trailrunning-Genuss. So soll es sein!

 

 
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11 km weit geht es nun fast nur bergab. Nach der Gipfelrunde folgt unsere Route dem Europäischen Fernwanderweg 4, der zwischen Berchtesgaden und Lindau auch Maximiliansweg genannt wird. Den Maximiliansweg wanderte ich schon einmal vor 20 Jahren. In zwei Monaten werde ich ihn erneut gehen, als dritten Beitrag meines im Juli startenden Blog „D-Wanderer“, für den ich innerhalb von weniger als zwei Jahren 10.000 km auf den schönsten Fernwanderwegen Deutschlands erleben will.

 

 
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Meist auf recht harmlosen Trails geht es nun hinab zum Hochgernhaus, wo ich 2,5 Stunden nach dem Start die erste Verpflegungsstelle erreiche. Die Speiseauswahl ist recht gut.

Mal auf breiten Waldwegen, dazwischen auch auf Trails, kann ich die nächsten Kilometer hinab nach Marquartstein meist recht schnell rennen. Viele Wanderer kommen mir entgegen.  Unten geht es dann nicht direkt in den Ort hinein. Wir müssen erst einige Zeit am Waldrand nach Norden laufen, dann flach über Feldwege in weitem Bogen zur Tiroler Achen, über eine Brücke und noch eine Weile am Ufer entlang. Dann erreiche ich den Start/Zielbereich und habe die ersten 20 km geschafft. Für die Mitteldistanzler ist hier später Schluss, wir Langstreckler dürfen nun noch eine etwas längere Strecke erkunden.

Onkel Günters Mathematikstunde Teil 1: Laut der Streckeninfos ist hier um 15 Uhr Cut Off. Für die ersten 20 km wurde ein Schnitt von 5 km pro Stunde gefordert. Um 16.30 Uhr müssen wir spätestens bei der nächsten VP sein. Das bedeutet also, dass wir offiziell dann für 11,4 km ein Tempo von 7,6 km/h brauchen, und das bei 850 hm Auf- und 350 hm Abstieg. Daher bin ich froh, dass ich nun schon 75 Minuten früher als im Limit zur zweiten Runde aufbrechen kann. Noch ahne ich nicht, wie sehr ich diese „Reserve“ brauchen werde.

 

 
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Einige langsamere Teilnehmer steigen in Marquartstein aus dem Rennen aus, so dass nun bei mir im hinteren Abschnitt des Feldes nur noch wenige Läufer unterwegs sind. Meist laufe ich alleine. Zuerst geht es sehr flach bergauf, genau an der Grenze dessen, was für mich jetzt zu anstrengend zum Laufen, aber zu flach zum Gehen ist. Dann folgen breite Waldwege mit stärkerem Anstieg. Die paar Meter Abstecher zum Aussichtspunkt Kaiserblick spare ich mir. Der Wilde Kaiser hat heute abgedankt und versteckt sich komplett hinter Wolken.

Dann steige ich eine steile Almwiese hinauf, tatsächlich auch mal mit Blick hinüber zum Hochgern, anschließend folgen viele Kilometer auf schmalen, steinigen und stark verwurzelten Singletrails. Ja, der Chiemgau Trail Run verdient das Wort Trail im Titel wirklich. So macht es Spaß!

Oben bei der Piesenhauser Hochalm gibt es heute leider auch keine Aussicht. Von der anderen Seite des Grates weht ein böiger Wind den Nebel über die Alm. Auf 1390 m ist es nach einem recht warmen Aufstieg überraschend kühl.

Wie ich später erfahre, haben hier oben „Scherzkekse“ die Schilder der Wegmarkierung umgestellt, so dass einige Läufer eine falsche Strecke erwischten. Auch ich folge zuerst einer Forststraße bergauf, aber zum Glück kommt mir zufällig gleich ein Auto entgegen, dessen Fahrer mich darauf hinweist, dass meine Strecke auf dem Trail 100 m weiter unten verläuft. Nur etwa drei Minuten verloren, nicht schlimm. Da die etwa 200 m hinter mir folgenden Läufer aber richtig auf den Pfad abgezweigt sind, habe ich wohl ein Schild übersehen.

Nun geht es wieder über Trails hinab, zuletzt auf einer Wiese zur Staffn-Alm. Bei der Bergstation der Hochplattenbahn erreiche ich die nächste Verpflegungsstelle.

Seit einer Weile sind meine beiden Wasserflaschen leer. Entsprechend durstig komme ich an der VP an. Dort trinke ich Cola und esse etwas. „Nur noch zehn Kilometer“, sagt mir eine Helferin. Ich glaube zwar, dass es laut Streckenplan noch weiter ist (tatsächlich 12,2 km), freue mich aber über die gute Nachricht. Noch 1,5 Stunden Zeit für zehn Kilometer, meist bergab, jetzt muss ich mich wohl nicht mehr beeilen.

Einige Kilometer weit ist die Abstiegsroute ideal zum Rennen in maximalem Tempo. Nur zwischendurch geht es auch mal über Trails. Aber einige kurze Zwischenanstiege bremsen mich aus. Endlich erreiche ich die im Streckenplan angegebene Überquerung der Bundesstraße.

Onkel Günters Mathematikstunde Teil 2: Laut offizieller Streckeninfos ist hier um 18 Uhr Cut Off. Beim Ziel ist ebenfalls 18 Uhr Schluss. Da errechnet mein Computer als gefordertes Mindesttempo für diesen letzten Streckenabschnitt glatt Lichtgeschwindigkeit.

Doch als ich beim Streckenposten an der Bundesstraße erfahre, dass es „nur noch drei Kilometer“ bis zum Ziel sind, ich aber noch 35 Minuten Zeit habe, bin ich beruhigt.  Ich hatte zwar auch hier von der Ausschreibung her in Erinnerung, dass es noch weiter ist, freue mich aber, nun doch näher am Ziel zu sein als erwartet. Kein Grund zur Eile!

Ich nehme nun erneut Tempo heraus und laufe entspannt weiter.

Doch als mir etwa einen Kilometer erneut ein Streckenposten „Nur noch drei Kilometer“ sagt, komme ich mir vor wie in einer Zeitschleife. Und der erste dieser Kilometer führt nun fast 100 Höhenmeter anstrengend bergauf. Jetzt wird es für mich doch verdammt knapp mit dem Zeitlimit. Aber ich nähere mich stetig Marquartstein. Bald erreiche ich einen Parkplatz, von dem aus es nicht mehr weit bis zum Ziel ist. Doch ich traue meinen Augen nicht: wir müssen hier noch einmal die weite Schleife nach Norden laufen, die schon am Ende der ersten Runde die Zielankunft deutlich verzögerte. Das schaffe ich nun aber unmöglich noch vor 18 Uhr.

Wenn ich gewusst hätte, dass es noch so weit ist, hätte ich nach der Bundesstraße mein Tempo forciert statt reduziert. Nun hetze ich stinksauer über die zum Glück flachen Wege. 17:55 über die Brücke. Das klappt nun nicht mehr bis 18 Uhr. Im Affenzahn am Fluss entlang. Finisher kommen mir entgegen und gratulieren mir. Doch ich weiß, dass ich nun rennen kann wie ich will, den Zielschluss schaffe ich nicht mehr. Die Treppe zur Straße hinauf, um die Ecke, durch das Ziel. 2,5 Minuten zu spät! Der RaceResult Mann baut gerade seine Zeitmessung ab, sagt mir aber, dass ich trotzdem noch gewertet werde. Die letzten Finisher werden dann sogar noch mit einer Viertelstunde Verspätung gewertet. Insgesamt schaffen 110 Teilnehmer die lange Strecke.

Mein 98. Marathon/Ultra ist abgehakt und eine Stunde später grinse ich schon wieder glücklich bei der Erinnerung an den tollen Aufstieg heute Morgen. Und mit dem Wetter haben wir trotz der Wolken zumindest noch so weit Glück gehabt, dass es erst 15 Minuten nach Zielschluss zu regnen beginnt.

Nachdem ich am Samstag kein Foto vom Hochgern hinab zum Chiemsee machen konnte, nehme ich dann am Sonntag bei einer Uferwanderung unter wolkenlosem Himmel den Blick vom Chiemsee hinauf zum Gipfel auf. Ein schöner Abschluss eines unterhaltsamen Wochenendes. 

 

Die schnellsten Frauen der
Marathonstrecke

1. Kathi Hallweger 5:32
2. Nina Koch 5:47
3. Iris Dillinger 5:47

 

Die schnellsten Männer:

1. Lukas Sörgel 4:17
2. Johannes Stimpfele 4:20
3. Carsten Schneehage 4:25

 

Informationen: Chiemgau Trail Run
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