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27.07.24 - Crazy Runners Frankenwald Trail

''Ein bissle verrückt sind wir schon ... ''

Vor einiger Zeit habe ich öffentlich bedauert, dass es in Deutschland wenig echte Trailläufe gibt. Unter „Trail“ kann man allerdings viel verstehen: für die einen reicht schon ein netter Waldweg, für die anderen kommt nur der super steile Klettersteig in Frage. Für mich liegt die Wahrheit in der Mitte.

Beim Durchforsten der Terminliste von Trailrunning.de bin ich auf das Crazy Runners Team Frankenwald gestoßen, die Ende Juli ihren Frankenwald Trail veranstalten. Beim Wort „Crazy“ hatten sie bereits mein Interesse geweckt. Ein Blick auf die Homepage bestärkte mich. Dort heißt es als erstes: „Ein bissle verrückt sind wir schon – sonst wären wir nicht das Crazy Runners Team Frankenwald – aber uns liegt auch die Region Frankenwald und das Trailrunning auf unseren naturnahen Wegen, Pfaden und Steigla sehr am Herzen.“

Neben den Kinderläufen stehen 4 Strecken zur Auswahl: 53 km Ultra Trail, 30 km Long Trail, 15 km Short Trail und 8 km Greenhorn Trail. Nach meinen Erfahrungen beim Donnersberg Trail traue ich mir den Ultra nicht zu. 30 km Short Trail mit 1000 Höhenmetern dagegen scheinen mir machbar. Da es auf dieser Strecke kein Zeitlimit gibt, ist auch Norbert dabei.

Der Frankenwald liegt im nördlichen Bayern, und erstreckt sich vom Main bis zur ehemaligen deutsch-deutschen Grenze zwischen Kronach, Kulmbach und Hof. Bereits bei der Anreise zum Sportzentrum Silberstein, einem Teilort von Geroldsgrün, bewundern wir die Landschaft. Alles ist grün. Es gibt kaum erkennbare Landwirtschaft oder Industrie, dafür viel Wald und Wiesen. Große Städte sucht man vergeblich. Auch die ersten Begegnungen mit Einheimischen passen ins Bild: jeder ist offen und super freundlich.

Das Sportzentrum liegt am Berg -  ein Vorgeschmack auf den kommenden Lauf. Zur Startnummer erhalten wir eine Startertasche mit kleinen Goodies der Sponsoren und ein Funktionsshirt von Erima in Waldgrün. Das werde ich gleich anziehen.

Start des Ultras ist um 9 Uhr. Es schüttet wie aus Eimern. Wir haben noch Zeit, der Start des Long Trails erfolgt erst um 12 Uhr. Wie erwartet beruhigt sich das Wetter, es bleibt jedoch bewölkt. 7 Minuten vor dem Start ruft der Moderator zur Aufstellung unter dem professionellen Startbogen von Race Result. Die Trailer zieren sich, so dass um Aufstellung für ein Foto gebeten wird. „Wer vorne aufs Bild will muss jetzt kommen!“ Langsam füllt sich daraufhin der Startbereich.

Trotz der zögerlichen Starter wird alles aufgeboten, was ich eigentlich nur von den großen Starts von den Stimmungsprofis in Österreich oder der Schweiz kenne: ausgewählte Musik für jede Startphase, gemeinsames herunterzählen, Nebelmaschine, frenetisches anfeuern. So werden wir Punkt 12 auf die Strecke geschickt.

Norbert und ich haben uns hinten aufgestellt. Das ist auch gut so. Denn es geht gleich leicht bergauf in den Wald, auf schmalen Pfad um den Sportplatz herum. Schon in den ersten Minuten habe ich gefühlt Puls 200. Weil ich die Spitze des Feldes unter mir erblicke, behalte ich erst mal das Tempo, denn es geht ja wohl gleich bergab.

 

 
© Veranstalter 4 Bilder

 

So ist es auch. Erst auf breitem Weg, dann auf schmalem, steilen Trail renne ich mit Maximalpuls dem Feld hinterher. Schnell erreichen wir die letzten Häuser des kleinen Örtchens Dürrenwaid, Helfer sichern die Straße. Ein kurzes Stück auf dem Gehweg, dann hat uns der Wald wieder. Es geht bergauf. Norbert verabschiedet sich vorerst. Ich werde ihn erst wieder im Ziel erreichen.

Langsam beruhigt sich mein Puls. Es ist unglaublich schwül, aber Gott sei Dank bewölkt. Feiner Niederschlag kann nicht kühlen, sondern verwandelt sich sofort in Luftfeuchtigkeit. Ich fühle mich wie im Dampfbad.

Ein schmaler Pfad führt hoch und runter am Hang entlang. Bei km 4 überquere ich eine Straße, auch hier sichern Helfer den Überweg. Urplötzlich führt der Pfad steil bergauf. Mit kräftigem Stockeinsatz komme ich gut voran. Ich erreiche einen breiten Weg, der mich gemütlich wieder hinunterbringt. Aber halt! Fast hätte ich den kleinen Pfad links den Berg hinauf verpasst.

Glück gehabt - jetzt bin ich gewarnt. Dies wird aber die einzige Stelle bleiben, wo ich Probleme mit der Markierung habe. Die Strecke ist perfekt ausgeschildert, obwohl teilweise die Kreidepfeile dem Regen zum Opfer gefallen sind. Schilder und Flatterband sind jedoch kaum zu übersehen.

Es geht nun auf schönem Singletrail immer im Wald am Hang entlang bis km 6. Hinter einer scharfen Linkskurve geht es dann wieder steil bergauf. Beim Aufstieg wird die Luft merklich besser. Ein Helfer liegt mit Kamera auf der Lauer. Er lügt, als er mir mitteilt, dass ich noch phantastisch aussehe. Ich wette, das Foto bestätigt das Gegenteil! Trotzdem freue ich mich über die Aufmunterung.

Weitere Meter höher verspricht der nächste Streckenposten die Verpflegungsstation in 15 Metern. „15 Höhen- oder Streckenmeter?“ Er lässt die Antwort offen. Schnell erreiche ich den gedeckten Tisch. Es gibt Cola, Iso, Wasser, diverses Obst und Gemüse. Ich wundere mich, dass sich die VP hier in dieser Wildnis befindet. Ein Helfer gesteht, dass wenige Meter weiter ein Weg verläuft, also alles halb so wild.

Hinter mir erreichen Tim und Marena den gastlichen Ort. Sie wollen Fotos machen und die Helferin führt sie zum nahen Aussichtspunkt. Der ganze Frankenwald scheint uns zu Füßen zu liegen. Ich mache, dass ich weiterkomme. Der breite Waldweg führt mich ein ganzes Stück leicht bergab auf den nächsten Trail. Wellig verläuft ein problemlos zu laufender Höhenpfad bis km 8. Hier beginnt ein schmaler Downhill steil bergab. Auf 2 km verlieren wir 150 Höhenmeter.

An einer Kreuzung im Wald haben es sich Streckenposten gemütlich gemacht. Sie weisen mich bergauf. Gleich zweigt wieder ein super zu laufender Trail ab, der 1,5 km lang, oberhalb der Staatsstraße 2198, geschützt im Wald entlangführt. Ich erreiche einen breiten Waldweg, der mich steil bergab zur Straße führt. Helfer sichern erneut den Überweg. Ein Schild warnt vor einer rutschigen Holzbrücke über einen kleinen Bach. Die Warnung ist berechtigt, ich komme aber sturzfrei hinüber.

Wir haben den westlichsten und gleichzeitig niedrigsten Punkt der Strecke erreicht. Natürlich geht es jetzt bergauf - aber wie! Auf dem nächsten Kilometer gewinnen wir 150 Höhenmeter. Gleichmäßig steige ich hinauf. Oben erwartet mich die nächste VP. Hier ist richtig was los. Die Tische sind von zwei Seiten bestückt. Auf der gegenüberliegenden ist eindeutig mehr los. Während meines kurzen Aufenthalts werden bestimmt 10 Läufer bedient. Wo kommen die den her?

Ein Helfer bietet mir ein Bier an. Weil ich in ca. 4 Kilometern wieder hier sein werde, lehne ich zugunsten einer Cola ab. Stattdessen bediene ich mich an Brot, Melone und Laugenteilchen. Der Helfer weist mich links. Nanu, da laufen die Läufer auf der anderen Seite der VP auch hin. „Ja, das sind die kürzeren Distanzen, die aber bald ausgeleitet werden“, wird mir erklärt.

Ich jogge also zur Abwechslung in größerem Feld bergab. Tatsächlich erfolgt aber schnell die Streckentrennung. Nanu, da vorne kommt mir ein Läufer entgegen. Burkhard scheint leicht entnervt. Er ist Ultra und kann die richtige Strecke nicht finden. Der nächste Abzweig zeigt „Km 15 Long Trail“, sonst aber keinen Vermerk. Weil ich in der Ausschreibung gelesen habe, dass die Strecken zeitweise zusammenlaufen, schließt er sich mir an.

Es geht bergab, bei km 16 befinden wir uns 100 Höhenmeter niedriger aber immer noch oberhalb von Dürrenwaid. Mittlerweile hat ein Schild die Ultrastrecke verifiziert. Wir passieren die Kirche. Dann geht es steil bergauf. Immer wieder überholen uns schnelle Kurzstreckler. Weil Burkhard sorgen hat, den Cutoff an der nächsten VP zu verpassen, gibt er Gas. Ich folge, kann aber bergauf nicht zulegen. Bald ist er meinem Blick entschwunden.

Immer mehr Läufer kommen von hinten. Den super schönen bemoosten Single Trail kann ich gar nicht richtig genießen, weil ich ständig anhalten muss. Ich will die anderen ja nicht blockieren. Als ich den breiten Weg erreiche, bin ich auch wieder an der VP. Burkhard hat den Cutoff geschafft und ist nun entspannt. Wir tauschen uns über gemeinsame Lauferlebnisse aus und trinken gemütlich ein Bier. Dann müssen wir weiter.

Der Ultra geht geradeaus und die kürzeren Strecken zweigen links erneut auf schmalen Trail ab. Hier kann gut überholt werden, daher freue ich mich über Gesellschaft. Dass diese Kollegen schneller sind, motiviert mich zusätzlich. Lautsprecherdurchsagen vermelden Zielnähe. Ein Wiesenweg geht bergab und ein Überholer fragt, ob ich auch ins Ziel laufe oder noch 10 km Laufen muss. „Nein, ich d a r f noch 10 Kilometer laufen!“

Ein Schotterweg führt bergauf, die Kurzstreckler biegen links ab. Dann bin ich wieder allein. Der Schotterweg wird zum ungepflegten Waldweg. Wenn die Flatterbänder nicht wären, würde ich denken, ich wäre falsch. Der Weg zeigt keinerlei Hinweise, dass hier schon rund 80 Läufer vor mir vorbeigekommen sind.

Es wird eigenartig schummrig. Ist das das Zeichen für den angekündigten Regen um 16 Uhr? Das fände ich gar nicht schlecht, es ist einfach zu warm. Ich bin froh über meinen großzügigen Wasservorrat im Rucksack. Langsam werden meine Beine schwer.

Ein Schild warnt vor „schlechter Strecke“. Ups, was kommt denn da? Es ist die am Start prophezeite Passage weglos im Wald. Diese Abwechslung baut mich auf. Ich suche das nächste Flatterband und den besten Weg dahin. Viel zu schnell ist es zu Ende und ich erkenne bereits den Weg. Es handelt sich um einen steilen Downhill 100 Höhenmeter bergab. Beim Alten Forsthaus in Langenau geht es über die Straße. Der Streckenposten hat Verstärkung von seinem kleinen Sohn.

 

 
© Veranstalter 3 Bilder

 

Sofort geht es die 100 Höhenmeter wieder hinauf. Von Regen ist leider keine Spur. Zur Belohnung steht aber die letzte VP am Ende der Steigung. Ein paar Ultras haben mich vor kurzem überholt; sie treffe ich jetzt wieder. Die Streckenposten erkundigen sich, ob es irgend etwas zu bemängeln gibt. Mir fällt nichts ein. Auf den angebotenen Brandy verzichte ich. Das habe ich auf der 30 Kilometer Strecke nicht verdient. Mit Bier bin ich vollauf zufrieden. Ich fülle nochmal meine Wasserflaschen (mit Wasser, nicht mit Bier), dann geht es auf die finalen 5 km. Die Helfer versprechen keine größere Steigung.

Tatsächlich sind dann aber doch noch 50 Höhenmeter teils auf Stufen zu bewältigen, außerdem noch ein paar knackige Trails. Den Ultras, die mich überholen, scheint das zu gefallen. Bald erreichen wir den Schotterweg von dem aus die Zieldurchsagen zu hören sind. Den steilen Wiesenweg hinunter, noch ein kleiner Trail, ich erreiche Silberstein.

Ein paar letzte Meter, der Sprecher sagt mich an, das Ziel ist in Sicht. Ich schaffe noch einen Endspurt. Die Nebelkanone versieht ihren Dienst. Stilecht bin ich im Ziel und bekomme eine schöne Medaille und bin sogar zweite meiner AK. Die Erste in der AK, Regina Hellinger, hat die Damenwertung des Laufs in 3h25 gewonnen. Norbert ist auch schon eine Weile im Ziel.

Ich trinke eine ganze Flasche alkoholfreies Bier. Zusätzlich zur Zielverpflegung ist in der Sporthalle ein Salatbuffet aufgebaut. Während im Ziel die letzten Ultras einlaufen, öffnet der Himmel seine Schleusen und es endet wie es begonnen hat: mit einer Dusche.

 

Fazit:

Dass der Frankenwaldtrail ein richtiger Trail ist, darüber besteht kein Zweifel. Trotzdem ist, zumindest die Long Trail Strecke, mit etwas Training, für jeden machbar.

Man merkt die Handschrift von passionierten Läufern. Streckenmarkierung und Verpflegung sind perfekt.

Den Trend des „schneller, höher, weiter“ geht man hier nur mit, was die perfekte Organisation angeht. Der Läufer steht im Vordergrund, sonst nichts.

 

Informationen: Crazy Runners Frankenwald Trail
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