Scharfe Sachen gibt es hier, mit Sägeschliff. Ein äußerst praktisches Frühstücks-Obst-Schälmesser nämlich und das für jeden Finisher. Hier in Steinbach bei Bad Liebenstein werden sie geschliffen. Zwei Messer habe ich schon. Und einen Höllenrespekt nicht nur vor der Klinge, sondern auch vor der Strecke. Die hat es wirklich in sich und wurde erstmalig um einen 50er-Ultra erweitert. Ein echter Knaller…
Prompt melden sich (fast) alle der üblichen Verdächtigen an. Viel mehr als früher, aber immer noch schön familiär. Der Wintersportclub Steinbach hat hier kleine Sahnestücke im Angebot: Den Cross-Marathon (wie schon immer) und jetzt auch den Ultra!
Heftiger Regen über dem Rennsteig, die halbe Nacht durch. Es trommelt verflixt laut aufs Autodach. Statt Schlaf finde ich nur eine Art Betäubung. Was muss ich auch immer so früh losfahren! Als es hell wird und die Orga mit dem Rödeln beginnt, ist vom Regen nichts mehr übrig. Der ausgetrocknete Boden hat alles aufgesaugt. Trotzdem ist ein gutes Profil unterm Treter nützlich, was zum Trinken sowieso. Vor allem wenn es warm ist. Mehr braucht‘s aber eigentlich nicht.
Pünktlich um 9 dann der Start. Vorher natürlich – wie üblich – die Begrüßung der Kollegen. Viel gibt’s zu erzählen. Unterwegs geht das nämlich nicht so gut, denn die Luft kann schon mal knapp werden. Die insgesamt 2000 HMchen haben es verflixt in sich. Und die fangen auch schnell an: Gut 100 davon sind bereits auf dem ersten Anstieg fällig, beflaggt mit Fähnchen aus Graubünden!
Noch ist es angenehm kühl, besonders im Schatten. Oben läuft es sich wieder richtig gut über Gras, dann Schotterwege, zu einer wunderbaren Aussicht über Bad Liebenstein und das westliche Rennsteigvorland. Die Ruine der Burg ragt hoch über den Wald auf. Sie ist unser nächstes Ziel.
Waldwege mit Treppen bringen uns erst zum Felsentheater, dann um den Berg rum zur Burg hoch, schroffe Felsen überall. Im Handumdrehen liegt der erste VP vor uns. Das ging ja flott, denke ich noch, das lässt sich gut an. Naja, bis hierher jedenfalls, denn jetzt wird’s brutal. Steile, vor allem endlose Anstiege folgen, die meisten zum Glück im Schatten. Oben zweigt es ab zu den schönsten Südthüringer Aussichten. Die lassen wir mal aus, unsere Aussichten sind ganz andere, aber auch sehr schön. Immer wieder gibt es diese massenweise ans Holz genagelten Wegweiser. Ist halt ein beliebtes Wandergebiet hier.
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Diese ewigen Anstiege! Das Hirn schaltet auf Meditationsmodus um. Nur noch die Markierungen werden registriert und der nächste Anstieg dahinter. Was mache ich hier eigentlich? Ich wusste es doch. Aber es ist insgesamt einfach zu schön. Allen HM zum Trotz erreiche ich VP2, dann geht es genauso weiter: Ins und ums Gehege, Teiche, Wiesen, Bäche, Schlamm, immer kreuz und quer. Gestürzte Bäume zwingen zu kleinen Umwegen, die heute ganz früh noch einmal markiert wurden. Der Regen heute Nacht machte es notwendig … Auch die Pfeile in blau wurden alle nochmals nachgezogen. Die Orga kümmert sich vorbildlich!
Und dann – endlich – der Himmel über Brotterode! Etwas schräg links der Große Inselsberg mit den markanten Masten. Ganz rechts die Skisprungschanzen und vor uns die große Wiese. Die kennen alle Thüringen-Ultras. Drüben/oben im Wald angekommen, dürfen wir noch etwas Flaches laufen, dann aber hoch. Nicht brutal, aber fast.
Jetzt Streckentrennung: Links hoch die Marathonis, zum großen Parkplatz am Insels-Gipfel, die Ultras rechts runter auf den Rennsteig, genau wie vor drei Wochen. Über die Straße und schön lange und steil hoch, so fängt die Ultraschleife an. Weicher Boden, schöne Sonne über den Bäumen und freundliche Wanderer. Man grüßt sich.
Alte Grenzsteine, verpilzte Baumleichen und auf einmal scharf links abwärts, ganz runter ins Tal der Laucha. Auf dem Höhenprofil ist es eine tiefe Kerbe. Mir wird klar, jeden Höhenmeter runter muss ich gleich wieder hoch. Aber jetzt erstmal genießen und rollen lassen. Sowas kommt so schnell nicht wieder.
Breite Forststraßen ohne Hindernisse, ein paar Serpentinen noch, dann wieder in den Schatten, rechts der Bach. Ein traumhaft schönes Tal ist das hier. Kurz vor Tabarz ist aber Schluss mit lustig. Links geht es hoch, ich hab’s befürchtet. Steil ist es, brutal steil. Hier ist der Drehort von „Das kalte Herz“, einem vielfach ausgezeichneten DDR-Spielfilm aus den 50ern.
Plötzlich gabeln sich die guten Wege und in der Mitte, kaum erkennbar, führt ein Trail in der Direttissima nach oben. Zumindest fast. Wären da nicht die Spuren des Quad von heute Früh, ich hätte nicht geglaubt, dass das unser Weg ist. Alte Regel: Niemals beim Aufstieg anhalten! Augen zu und hoch! An der Gipfelstraße wird es (nur ganz kurz) etwas flacher, dann aber geht es weiter hoch, Treppenstufen helfen dabei. Ein Treppentrail mit Wurzeln und Steinen. Und plötzlich – der Parkplatz, der VP, die Rettung…
Nur noch 17 Kilometerchen bis ins Ziel, netto. Brutto kommt noch einiges an Höhenmetern dazu. Und es geht gleich los mit der Treppe zum Inselsberg, dann der Venetianerstein, der Obere Beerberg, der Große Weißenberg, der Dreiherrenstein. Ich gehe ehrfürchtig jeden Höhenmeter aufwärts, lasse es abwärts rollen, genieße die VPs und halte einen kleinen Schwatz.
Mit Jens laufe ich weiter zum Ziel. Er ist Genießer wie ich, die Laufzeit ist uns egal. Aber trotzdem: An den VPs möchte man Feierabend machen, also geben wir unser Bestes. Mit dem Kramer-Trecker und dem Quad im Nacken ist das auch nicht schwer, bergab sowieso nicht.
Und - Finish! Das Rennen ist zu Ende!
Fazit
Ein Trailjuwel am Rennsteig, das seinen Preis fordert: Alles, wirklich alles an Körnern ist am Schluss weg. Ich kenne nicht viele vergleichbar anstrengende Läufe. Und mit dieser herrlichen Landschaft kommt so schnell keiner mit! Die Ultraschleife ist einfach genial – und grausam. Hoffentlich ist das Jahr bald rum, ich möchte noch ein Messer haben…