Der Schriftzug „1986-2010, 25 years“, garniert mit einem Blätterkranz, ziert in diesem Jahr die Kopfzeile der Website. Wer mathematisch einigermaßen bewandert ist, erhält beim Ergänzen von 1986 auf 2010 in der Tat nur 24. Hans-Dieter Rebstock kümmern solche Einwände wenig, denn er tritt heute zusammen mit sieben weiteren Läufern zum fünfundzwanzigsten Mal beim Swissalpine an den Start.
Auch ich überlasse die den Millenniumsdiskussionen ähnlichen Überlegungen den Erbsenzählern und Korinthenkackern und richte meine Aufmerksamkeit vollumfänglich auf den Jubiläumsanlass. Für mich ist es erst das dritte Mal, dennoch hat der Swissalpine einen besonderen Stellenwert, nicht nur weil er zum Urgestein dieser Art von Bergläufen zählt. Der Swissalpine war meine Einstiegsdroge zum Ultralauf.
Apropos: Wie ich den abrupten Wechsel in den Urlaub nach meiner mehrwöchigen Berg- und Ultralauf-Episode verkraftet habe? Ganz einfach. Statt einfach in der Schweiz in der Sächsischen Schweiz, statt mit Laufen mit Läufer-Methadon, dem Wandern. Schön war es und schön wird es sein, in Davos wieder an den Start zu gehen!
Dass die Anreise von jedem Ort der Schweiz, respektive von einem Grenzbahnhof aus, zum Teilnehmerpaket gehört, ist aus allen Blickwinkeln des „Öko“ ein tolles Angebot. Ökologisch, weil viel Sprit eingespart wird und ökonomisch, weil viel Sprit eingespart wird. Habe ich mich da wiederholt? Nicht wirklich, aber es gibt traditionellerweise Stänkerer, die sich einen Sport daraus machen, das Preisniveau des Swissalpine in Frage zu stellen. Denen sei empfohlen, die Fahrkartenpreise der Bahn genauer zu studieren. Sie werden dabei herausfinden, dass die Anreise von Genf annähernd hundert Franken mehr kostet als das Nenngeld für den K78 bei Anmeldung vor Ende März. Dazu gibt es noch ein Regio-Ticket, mit welchem man die ebenfalls nicht zu Spottpreisen operierenden lokalen Transportunternehmen, inklusive der Albula-Weltkulturerbe-Bahnstrecke über den Albula, während neun Tagen benutzen kann.
Zudem gibt es in diesem Jahr nicht ein Funktionsshirt, sondern sogar ein Running-Jacket als Finisher-Geschenk. Habe ich schon erwähnt, dass es dazu noch einen gut organisierten Lauf vor einer traumhaften Kulisse gibt? Auch der ist im Preis inbegriffen.
Nach einer Phase kühlen Wetters zeichnet sich am Freitag ein Wetterwechsel ab, der zusammen mit den Vorhersagen für Samstag hervorragende äußere Bedingungen verspricht.
Startnummernausgabe und die kleine Marathonmesse sind auch in diesem Jahr in der Arkadenturnhalle, wo sich an den Nachmeldeschaltern zahlreiche Kurzentschlossene einfinden. Wer noch mehr Bedenkzeit braucht, kann sich auch noch ganz kurzfristig am Samstagmorgen nachmelden. Gesamthaft gibt es eine Rekordbeteiligung von fast 6000 Teilnehmenden.
Kurz nachdem am Samstagmorgen bei mir der Wecker klingelt, denke ich an die Frühstartenden des K78, die von der zweistündigen Verlängerung der Zeitlimite profitieren und um 06.00 Uhr das Sportzentrum verlassen.
Eine Stunde später mache ich mich in der morgendlichen Frische dorthin auf. Die Temperatur entspricht dem mittels SMS-Service angekündigten Wert. Ich verlasse mich darauf, dass auch der Wert für die Mittagstemperatur auf der Keschhütte stimmen wird, zumal die Wetterlage heute stabil ist. Keine Wolke ist am Himmel zu sehen als ich mich in die große Menge der zusammen startenden K31-, C42- und K78-Felder mische. Wenn es nicht die morgendliche Frische wäre, würden mir spätestens die ersten Töne des „Conquest of Paradise“ einen kalten Schauer über den Rücken fahren lassen. Es ist wieder so weit!
Auf der Schlaufe durch Davos ist die Straße breit genug, so dass alle ohne Überholakrobatik ihren Rhythmus finden können. Es gibt aber auch heute, wie immer und überall, Teilnehmende, welche sich nicht ihrem Tempo entsprechend weit vorne im Startfeld eingereiht haben. Auf diesen ersten fünf Kilometern bis zum Bahnhof Davos-Platz wird die Strecke von vielen Zuschauern gesäumt. Zahlreiche Angehörige von Teilnehmenden sind auszumachen. Die Kombination von Swissalpine und Urlaub scheint beliebt zu sein, wie die Bettenbelegung an diesem Wochenende zeigt. Für die Hotels und Gästehäuser ist dies das bestgebuchte Wochenende des Sommers.
Nach der Unterquerung der Bahnlinie laufen wir auf einer Nebenstraße, und von meiner Position aus sehe ich eine einzige Läuferkolonne sich das Tal hinunter erstrecken und weit vorne einen Anstieg in Angriff nehmen. Farbtupfer in der grünen Landschaft vor stahlblauem Himmel. Postkartenstimmung, Jubiläumswetter.
Immer wieder treffe ich auf bekannte Gesichter, wechsle hier und dort ein paar Worte und staune, dass es nach dem Wechsel auf einen Single Trail gar nicht mehr lange dauert, bis das Kilometerschild mit der Zehn auftaucht, umso mehr, als dass ich mein Tempo als eher verhalten einschätze.
Auf den folgenden fünf Kilometern folgt der Hauptteil der 320 positiven Höhenmeter bis Filisur. Auch der obligate Begrüßungsbogen in Spina scheint mir sehr früh in Sicht zu kommen. Es muss daran liegen, dass ich mittlerweile so in diese wunderbare Szenerie eingetaucht bin, dass ich nur noch den Raum wahrnehme, in welchem ich mich bewege, nicht aber die Zeit.