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30.07.16 - Davos X-Trails

Gute Tage - gute Füße (K78)

Direttissima

 

Ein Schild in Chants gibt eine Gehzeit von 2 Std. 45 Min. bis zur Keschhütte an. Ich hab Bedenken wegen des Zeitlimits. Zudem habe ich nach Chants einen steilen Anstieg in Erinnerung. Allerdings geht es nach der Labe erst auf breitem Waldweg bis zur VS Valzana. Die VS ist schon von weitem zu hören. Das Helferteam hier begrüßt jeden ankommenden Läufer lautstark. Das tut gut. Danke!

Nun allerdings kommt der steile erwartete Anstieg. Gefühlt in der Direttissima geht es bergauf. Der Wald wird allmählich lichter, wir passieren die 2000m. Bei mir macht sich nun trotz der Anstrengung etwas wie Optimismus breit. Ich bin sicher, ich schaffe das,  denn auf dieser Höhe wird es allmählich etwas kühler. Im gleichen Maße steigt meine Leistungsfähigkeit.

Ich merke, es geht. Dazu kommt die Zufriedenheit, auch in Chants nichts von meinem Zeitpuffer eingebüßt zu haben. Das packe ich. Keschhütte, du kannst kommen! Ein Wanderer kommt mir mit seinem Hund auf der Schulter entgegen. Das würde ich mir heute auch gefallen lassen.

Noch die VS Tschüvel an einem etwas flacheren Abschnitt, und frisch gestärkt greife ich die restlichen 300 Hm bis zur Keschhütte an. Diese zeigt sich bereits in luftiger Höhe. Die Bäume verschwinden nun ganz und es bleibt nur etwas Grün am Boden. Dafür nimmt der Anteil groben Gesteins zu.

Ich kämpfe und kann einige Plätze gutmachen. Nur, wie bitte soll ich nach erfolgreichem Aufstieg zur Keschhütte auf dem Panoramatrail wieder ins Laufen kommen? Das Rätsel löse ich später, erst einmal die letzten Meter zur Hütte schaffen.

 

 
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Gletscherschwund

 

Ich bleibe nur einen kurzen Moment stehen und lasse die Aussicht auf mich wirken. Das muss sein. Imposant ist insbesondere der Blick hinüber zum Piz Kesch. Dessen Gletscher sind stark geschmolzen. Die Erderwärmung lässt grüßen.

Ich habe an der Keschhütte 37 Minuten Reserve zum Zeitlimit und hake das Thema für heute ab. Das lasse ich mir nicht mehr nehmen. Bei weiterhin schönstem Wetter gehe ich den Panoramatrail an. Im steten Auf und Ab, zunächst mehr Ab, dann zur Sertigpass fast nur Auf, führt der Trail in einer Höhe zwischen 2400 und 2600 Metern durch die fantastische Berglandschaft. Entlang des Trails sehe ich wunderschönen Enzian in leuchtendem Blau. Massenhaft der mit den kleineren Blüten, wenige nur mit den dicken blauen Blüten. Herrlich. Dazu feinste Fernsicht. Genuss pur und  Entschädigung für alle Mühen.

Ein Schild weist bis zum Sertigpass eine Zeit von 1,5 Std., bis Sertig Dörfli 3,5 Std. aus. Da lache ich doch jetzt drüber. Ich bin wieder wohlauf. Den angenehmen Temperaturen sei Dank.

 

S 42 schon durch

 

Der Blick geht weit ins Hochtal hinaus entlang des Panoramatrails. Links ist der Einschnitt zum Sertigpass zu erkennen. Von der quasi gegenüberliegenden Seite führt der S 42 seit letztem Jahr die Läufer ab dem Scalettapass zum Aufstieg auf den Sertigpass. Allerdings scheinen die um 10.30 Uhr gestarteten S 42er schon alle durch zu sein.

Am Aufstieg zum Sertigpass warten noch etwa 300 Hm auf mich. Und es zeigen sich die ersten Wolken. An der VS Sartiv sind es noch 20 Km bis ins Ziel. Wer mag, kann hier auch duschen.

Die Landschaft ist grandios. Einige Brücken führen über Wässer. Andere Wässer sind auf Steinen zu queren. Eine feuchte Angelegenheit hier oben. Ich bin unverändert total begeistert. Allerdings erkennt mein geübtes Auge gewisse Anzeichen dafür, dass die für den Nachmittag vorgesagten Gewitter tatsächlich eintreten könnten.

Zwischen drei kleinen Bergseen geht es rechts ab die letzten Meter hinauf zur Sertigpasshöhe. Ginge man geradeaus, käme man wieder ins Val Tuors nach Chants. Mich zieht es hinauf. Und da ist es geschafft. Fast geschafft. Etwa 50m unterhalb der Passhöhe steht Doktor Andy Grünfelder. Er und seine Kollegen schauen jedem Läufer streng in die Augen. Im Ernst, sie checken die Verfassung der Läufer. Ich mache mein obligatorisches Foto vom Doktor und höre: "Das machst Du doch jedes Mal, wenn Du bei mir vorbei kommst!" Das ist ja meine Aufgabe, sage ich. Darauf der Doktor: "Und dann machen wir jetzt wie jedes Mal ein Foto von Dir mit dem Piz Kesch".

Solche Begegnungen und Gespräche sind für mich stets das Salz in der Suppe. Danke nicht nur an Doktor Grünfelder. Dank an die gesamte Helferschaft um OK-Präsident Andrea Tuffli. Ihr habt heuer wieder alles gegeben und uns Läufern perfekte Organisation und Unterstützung geboten. Ich muss einfach wiederkommen. An der VS stärke ich mich noch rasch mit einer Cola. Bislang war stets Bouillon oder Iso angesagt, aber jetzt will ich Cola.

 

 
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Ab nach unten

 

Ein kurzes Schneefeld ist vor der Passhöhe (2739 m) zu überlaufen, dann heißt es über 1.000 HM vernichten - und das in zunächst sehr steilem Gelände. Ich bin die ersten Meter sehr vorsichtig. Dann gebe ich meine Zurückhaltung auf, denn ich merke, es geht gut. Ich lasse es laufen.

Hinter Davos zieht von Arosa kommend ein ordentliches Gewitter auf. Noch haben wir sonnige Abschnitte, aber die Wolken werden dichter und dunkler. Ich möchte zumindest von der Höhe runter bevor das Gewitter uns erreicht. Weit unterhalb im Chüealptal sehe ich ein VS-Zelt. Motiviert renne ich nach unten. Keiner überholt mich jetzt noch, andererseits kann ich viele Läufer einholen, die an mir beim Aufstieg  vorbei gezogen sind. Darunter sind jetzt auch die ersten S 42er. Es ist höchste Konzentration gefragt. Die dicken Brocken auf dem Weg erfordern alle Aufmerksamkeit. Dennoch kann ich den wunderschönen kleinen blau gefärbten Schmelzsee wahrnehmen. Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht zu schnell wird oder in Rücklage kommt.

Ab der VS Chüealp wird der Bergpfad zu einem breiten Fahrweg. Allerdings mit noch immer recht ordentlichem Gefälle. Das ist für mich jetzt genau das Richtige. Was die Beine hergeben rase ich hinab. Jetzt lebe ich so richtig mein Titelmotto von Friedrich Nietzsche. Ich habe gute Beine - und damit einen guten Tag.

Noch 15 Km ins Ziel. Ich halte das Tempo auf dem breiten Fahrweg hoch. An einer Alp werden gerade die Kühe gemolken. Wir laufen direkt daran vorbei.

 

 
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Sertig Dörfli voraus

 

Nach einer Biegung liegt es vor uns - Sertig Dörfli. Wie der Name suggeriert, ist es nur eine kleine Ansammlung von Häusern. Und im Hintergrund nähert sich drohend und dunkel das Gewitter. Jetzt muss doch gleich das 10 Km-Schild kommen. Erst einmal flacht der Weg ab. Ich bleibe dennoch im Laufschritt. Meine hitzebedingte Schwäche ist Vergangenheit.

Vor dem Ort sitzen ein halbes Dutzend Zuschauer, darunter auch OK-Präsidenten Andrea Tuffli. Im Dörfli ist eine weitere Zeitmessmatte zu überlaufen. Ein Sprecher feuert alle ankommenden Läufer an und eine Cola an der VS gibt neue Kraft.

Über Wiesen und eine kurze Steigung hinauf führt uns die Strecke in den Wald. Das 10 Km-Schild wird passiert. Noch ist es trocken. So soll es bleiben, also lasse ich es laufen. Immer leicht Auf und Ab, wunderschön. Auch dieser Streckenteil gefällt mir sehr gut. Der Waldweg ist recht schmal, aber gut zu laufen.

Eine Hängebrücke ist zu queren. Wir kommen aus dem Wald heraus und nähern uns Davos-Clavadel. Vorher wird das 5 Km-Schild noch trocken passiert, dann ist aber das Gewitter da. Es blitzt und donnert unablässig. Ich beobachte die Ziehrichtung des Unwetters. Es liegt zum größten Teil noch an den Bergen der gegenüberliegenden Talseite, aber auch oberhalb von uns am Jakobshorn.

 

 
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Zieleinlauf im Regen

 

Man soll ja nicht bei Gewitter laufen. Deshalb gehe ich zumeist im offenen Gelände. Im Wald, der uns nach Clavadel wieder aufnimmt, laufe ich weiter. Der Regen ist nicht sehr stark, aber es hat ordentlich abgekühlt. Ich ziehe mein Unterhemd wieder an und düse weiter. Schon sind im Tal die ersten Häuser von Davos zu erkennen. Das 2 Km- und das 1 Km-Schild werden passiert. Eine letzte kleine Steigung ist noch zu bewältigen, um eine scharfe Kehre und dann geht es hinab in den Ort.

Wieder dieses Gänsehautgefühl durch Davos und unter dem Schild „Finisher“ ins Sportzentrum zulaufen. Leider sind hier ob des  Unwetters nicht mehr viele Zuschauer. Aber die, die noch da sind, feiern die einlaufenden Läufer umso mehr.

Ich genieße trotz des Regens die letzten Meter und laufe froh und glücklich über die Ziellinie. Mein dritter K 78 ist Geschichte. Es wird wohl nicht mein letzter sein. Ich greife mir rasch eine Dose Bleifreies aus dem Münchner Norden und eine Verpflegungstasche. Dann heißt es, sich die verdiente Medaille und das heiß begehrte Finishershirt abzuholen. In Davos ist es wirklich ein Finishershirt. Nur wer erfolgreich den Lauf absolviert, erhält das Leibchen. Gut so.

 

 

Ich gehe mit meinen Trophäen auf direktem Wege ins nahe Hotel. Dort erholt sich Dieter nach erfolgreichem S 42 schon auf dem Bett liegend. Ich sortiere rasch meine Sachen, nehme eine Dusche und wir starten eine geschmackvolle Regenerationsphase mit 0,5 L Montepulciano, vorher zur Begleichung des Flüssigkeitsdefizits natürlich das Bleifreie Bier.

Was kann die Welt schön sein. Insbesondere nach einem wiederum absolut tollen K 78. Und in 2017 soll der Swissalpine und der heuer eine Woche später stattfindende Swiss Irontrail zu einer einzigen Veranstaltung zusammengefasst werden. Merkt Euch den 28.-30. Juli 2017 vor.


Fazit

 

Ein Klasselauf. Faszinierende, sehr abwechslungsreiche Strecke. Perfekt organisiert. Der Lauf ist und bleibt eine echte Herausforderung.


Sieger

Männer
1. Vajin Armstrong (NZL)        6.25,23 Std.
2. Evgenii Glyva (UKR)         6.41,17 Std.
3. Bernhard Eggenschwiler (SUI)     6.44,11 Std.

Frauen
1. Jasmin Nunige (SUI)        7.05,41 Std.
2. Andrea Huser (SUI)        7.20,22 Std.
3. Dr. Susanne Wings (GER)         7.27,16 Std.

 

 

Impressionen von Daniel Steiner

 

 

 
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