Am nächsten Morgen springe ich um 05.30 Uhr aus dem Bett. Ja, heute bin ich der erste, der sich hier im Walserhuus aus dem Touristenlager schleicht. Für das Frühstück reichen zwei Semmeln, etwas Schinken und Honig. Das Gewitter in der Nacht hat sich mittlerweile verzogen, es regnet noch leicht, hat aber deutlich abgekühlt. Für den Vormittag prognostiziert der Wetterfrosch noch etwas Wechselhaftigkeit, später soll es dann aufhellen.
Vor dem Start
Kurz nach 07.00 Uhr bin ich am Sportzentrum, wo ich mit Glück noch einen Parkplatz finde. Dort läuft mir Dieter Ulbricht über den Weg. Und wen trifft man im Sch...haus? Reporterkollege Daniel Steiner.
So zehn Minuten vor 08.00 Uhr gehe ich Richtung Laufbahn. Da ich nicht hinten in die Laufschlange hinein will, steige ich kurzerhand über die Stahlgitter. So kann ich noch einige Bilder von den angespannten Teilnehmern schießen. Der eine oder andere scheint mir schon etwas demütig vor der heutigen Aufgabe zu sein.
Hubschrauberlärm ist zu vernehmen. Und dann beginnen die ersten Takte von Vangelis’ „Conquest of Paradise“, an deren Ende die Meute auf die lange Reise geschickt wird. Ich erkenne nicht nur bei mir Prickeln auf der Haut und vielleicht gar feuchte Augen.
Start und Lauf durch Davos
Dann am Ende des Liedes ist ein Schuss zu vernehmen. Es geht los. Ja, vorerst mal nicht mal das, sondern es dauert eine halbe Minute bis zum Gehen und dann ist Joggen möglich. Ich brauche etwa eine Minute bis zu den roten Zeitmessmatten. Die Verzögerung ist mir heute wurscht, es gibt Nettozeiten und auf den 78 Kilometern haben wir genug Zeit und Weg, die Rangfolge auszulaufen.
Wir verlassen das Stadion und biegen auf die Talstraße ein. Viele Zuschauer, mitunter auch mit Fahnen, sind mit Begeisterung dabei und applaudieren. Gerade lugt die Sonne zwischen den Wolken hindurch.
Kurz vor dem Kreisverkehr am Arabella Hotel klopft mir Manfred Dachs auf die Schulter. Ein Lauffreund aus Nienburg. In Rodgau haben wir länger miteinander geratscht. „Lass uns jetzt mit dem Feld mitschwimmen und dann außerhalb von Davos Tempo aufnehmen“, sagt er. Ich schicke ihn vor, da ich jetzt noch einige Bilder aufnehmen will.
Auffallend ist, dass die Läufer fast durchgängig sich auf kühle Temperaturen eingestellt haben. Viele laufen mit langen Ärmeln, haben gar leichte Rucksäcke dabei oder eine Regenjacke baumelt an der Hüfte. Wer sich die Schlepperei sparen will, kann auch Wechselkleidung vom Veranstalter nach Bergün transportieren lassen.
Erste Kilometer durch die Graubündner Landschaft
Kilometer fünf wird angezeigt. Wir sind immer noch in Davos, unterqueren die Bahnlinie und verlassen später die höchstgelegene Stadt in der Schweiz. An der ersten Verpflegungsstelle wird schon eifrig zugegriffen. Auch wenn es heute nicht heiß werden wird, ist es doch unabdingbar, regelmäßig zu trinken und zu essen. Lieber einmal mehr ins Gebüsch als mit Hunger und Durst sich über die Strecke quälen.
Der Asphaltuntergrund endet. Mir fällt ein Läufer mit einem „eiernden“ Laufstil auf. Und dann sehe ich die Ursache auf dem Untergrund spritzen. Der kann im Laufen bieseln. Hat er wohl von den Radfahrern abgeschaut.
Kurz nach dem Überqueren der Strasse ins Sertigtal finden wir bei Heidboden die nächste V-Stelle. Es gibt alles, was des Läuferherz begehrt: Iso, Wasser, Bananen, Alpinbrötli, Riegel, Bouillon, Salz, Cola und mehr. Auf einem Shirt lese ich: Do You Run? Yes, We Can.
Ich kann zu Daniel Steiner auflaufen, wechsle ein paar Worte und falle ob meines Reporterauftrages wieder zurück. Später taucht Klaus Klein auf, auch Reporterkollege, und heute schnell unterwegs. Oder treibt ihn der Cut Off in Bergün an?