Es gibt Läufe, die gehen immer. So ein Lauf ist der Swissalpine in Davos. Den legendären K 78 (ich bin ihn dreimal gelaufen) gibt es nicht mehr. Stattdessen wird als reiner Trailrun der K 68 angeboten, den ich mir aber für später aufhebe. Ich begnüge mich diesmal mit dem K 43. Der hat auf 42,7 Km auch 1424 Hm rauf und runter zu bewältigen. Die abwechslungsreiche Strecke ist mir teilweise bekannt. Ein Grund mehr, sich auf den Lauf zu freuen.
Weil Davos und Umgebung immer einen Urlaub wert sind, fahren Dieter und ich bereits am Montag vor dem Lauf entspannt mit der Bahn nach Davos und machen Urlaub. Sehr erfreulich finden wir, dass es unverändert die Möglichkeit gibt, mit der Schweizer Bahn ab Grenzbahnhof anzureisen. Das kostenfreie Swiss Runner Ticket ist ein Klasse-Service des Veranstalters, ebenso wie das kostenlose Regionalticket über die Gästekarte.
Wir nutzen die Tage vor dem Lauf zur Akklimatisation und machen Wanderungen in der herrlichen Landschaft um Davos. So mancher Höhenmeter wird dabei bewältigt. Als Quartier haben wir diesmal das Berghotel Schatzalp oberhalb von Davos gewählt. Dort wollten wir immer schon mal wohnen. Nun erfüllen wir uns den Wunsch und genießen das einzigartige Ambiente des „Zauberbergs“.
Die Schatzalp diente Thomas Mann bekanntlich als Vorlage für das Sanatorium in seinem Werk „Der Zauberberg“. Es sieht dort immer noch so aus wie vor hundert Jahren und wie es Thomas Mann bei seinen Besuchen vor Ort gesehen hat. Wir genießen die grandiose Aussicht vom Balkon und das exzellente Essen. Für Läufer bietet die Schatzalp übrigens jedes Jahr ein besonderes Angebot mit läuferfreundlichem Service.
Am Freitag holen wir im Eisstadion (Nordseite) in Davos unsere Startunterlagen ab. Coronabedingt ist dieses Jahr alles etwas anders. Man muss ein Impfzertifikat bzw. Testergebnis vorlegen und Maske tragen. Am Eingang wird unser Zertifikat geprüft und wir erhalten unser Eintrittsbändel. Dies gilt für die gesamte Veranstaltung und muss bis zu deren Ende getragen werden. Ohne Zertifikat ist übrigens ein Start nicht möglich.
Wir erhalten rasch unsere Startunterlagen, es ist nicht viel los. Eine Expo gibt es leider nicht. So sind wir in Nu wieder vor dem Eisstadion. Wegen Corona starten K 68er und K 23er am Samstag, der K 43 und K10 am Sonntag. Wir machen uns auf der Schatzalp einen ruhigen Tag, bummeln durch das Alpinum vor dem Hotel und im Guggenbachtal und bereiten uns mental auf den Lauftag vor.
Vom Balkon aus können wir die ersten K 68er auf ihren letzten Metern hinunter nach Davos sehen. Ich schalte den Livestream ein und sehe den Zieleinlauf von Jasmin Nunige als Siegerin bei den Frauen. Gratulation!
Sonntag heißt es früh aufstehen. Die Schatzalp bietet ab 5 Uhr Frühstück. Dann geht es mit einer extra frühen Fahrt der Schatzalpbahn hinunter nach Davos. Um 7 Uhr startet der K 43. Wir müssen bis zum Start eine Maske tragen.
Punkt 7 Uhr fällt der Startschuss und wir traben los. Es ist frisch, so um die 10 Grad. Für den Nachmittag ist Regen und sogar Gewitter angesagt. Hoffentlich sind wir da schon im Ziel. Schauen wir einmal. Jetzt gilt es in den Laufrhythmus zu kommen.
Nach Verlassen des Stadions werden wir trotz der frühen Tageszeit von etlichen Zuschauern gefeiert. Rasch sind wir aus Davos heraus und laufen vorbei am Golfplatz in das Dischmatal hinein. Ich lasse es ruhig angehen. Keine Körner auf den ersten Metern verschenken. Hinten werde ich sie dringend brauchen.
Nach Davos verlassen wir die Straße und laufen auf Wanderwegen, auf denen gut zu laufen ist. Die etwa 600 Läufer des K 43 haben sich schon verteilt, Gedränge gibt es nicht. Mein erstes Ziel ist Dürrboden im Talschluss
Links von uns fließt der Dischmabach. Wir laufen inmitten von Wiesen. Vor uns liegen hohe Berge mit Schnee, hinter uns liegen die umgebenden Berge von Davos. Immer wieder gibt es schöne Blicke auf das weit auseinandergezogene Läuferfeld vor und hinter uns. Vor einer Brücke über den Dischmabach werden an einer ersten VS Getränke angeboten.
Ich laufe weiter ohne Stopp. Dank meines Trinkrucksacks bin ich autark. Neben Verpflegung habe ich auch wieder eine Regenjacke und ein Stirnband dabei. Es geht schließlich auf 2700 m Höhe hinauf. Und oben könnte es recht kühl werden. Von den für heute angekündigten 5 Stunden Sonnenscheindauer ist bisher nichts zu sehen. Es zieht sich zu.
Wir wechseln gut gesichert über die Straße und weiter geht es auf Wanderwegen. Vieh gibt es wenig zu sehen. Nur wenige Kühe und einige Pferde schauen uns Läufern mehr oder weniger interessiert zu. Im steten Auf mit etwas Ab gewinnen wir Höhe. Am Weiler Am Rhin haben wir 1845m Höhe erreicht. Schön sehen sie aus, die wenigen Häuser. Aus einem alten Holzhaus heraus wird uns zugewunken.
Es wird wieder einmal etwas steiler. Über dicke Steinbrocken gewinnen wir weiter Höhe. Die Wisenalp wird passiert. Nun gibt es einen ersten Blick auf das im Talschluss liegende Dürrboden. Der dort beginnende steile Aufstieg auf den Scalettapass ist im unteren Teil erkennbar. Die Berge im Talschluss sind schön anzuschauen. Es liegt noch einiges an Schnee in den Nordhängen. Auch ein kleiner Gletscher ist zu sehen.
Ein Schild zeigt an, dass nur noch 30 Km zu laufen sind. Solche Schilder gibt es alle 5 Km. Bald darauf erreichen wir Dürrboden. Am alten Gasthaus ist eine VS. Ich greife ein Stück Riegel und verschnaufe eine halbe Minute. Wieder geht es über eine Brücke über den Dischmabach. Eine erste Zeitmessung wird durchlaufen.
Der Weg wird immer steiniger. Ein Blick auf meine Laufuhr zeigt an, dass wir schon 2000 Hm erreicht haben. Ein zweiter Bach verläuft rechts von uns. Hab ich in Dürrboden schon die ersten Regentropfen gespürt, so fängt es jetzt an richtig zu regnen.
Der Aufstieg wird beschwerlicher. Im Gehen betrachte ich die Blumen links und rechts des Weges. Wollgras und Alpenrosen u. v. a. sind zu sehen. Ich hole meine Regenjacke aus den Rucksack und ziehe auch das Stirnband an. Es wird zunehmend kälter. Die meisten Läufer tun es mir nach und wappnen sich mit zusätzlicher Kleidung gegen Regen und Kälte.
Der Weg ist recht feucht. Immer wieder sind kleine Wasser zu queren. Der kleine Gletscher linker Hand zeigt sich jetzt deutlich mit etwas bläulichem Blankeis. Der Weg verläuft auf der linken Talseite. Im Regen kämpfen wir uns hinauf. Immer wieder müssen wir Schuttrinnen passieren. Form und Aussehen einiger Rinnen zeigen deutlich, dass es aktive Schuttrinnen sind. Vorbeilaufen ist o.k., aber eine Pause würde ich hier nicht machen.
Plötzlich donnert es rechts von uns. Offensichtlich wusste das Gewitter nicht, dass es erst für 13 Uhr angekündigt war. Nun ist es neben uns und wird uns bis hinter den Sertigpass begleiten. Kein schönes Gefühl. Zurück ist aber keine Alternative und so nähern wir uns der Passhöhe.
Ein erstes kleines Schneefeld liegt links am Wegrand. Der Weg führt nun zum Teil über Schuttfelder mit großen Steinen. Teilweise laufen wir über Steinplatten. Zwei Wanderinnen stehen am Weg und feuern alle Läufer an. So ein Zuspruch tut gut.
Ein Schneefeld ist zu queren, kein Problem. Der Fotograf lichtet die Läufer im Regen ab. Eine schöne Auswahl von Regenjacken und Ponchos wird auf seinen Bildern zu sehen sein. Kurz hinter der Passhöhe steht ein rotes 25er Schild. Es geht vorwärts und nun auch abwärts. Der hier beginnende und mir vom alten K 78 bekannte Panoramatrail führt etwa 200 Hm nach unten.
Zuerst geht es recht steil hinab über Steine und kleine Schneefelder. Immer wieder von kleinen Anstiegen begleitet laufen wir hart am Hang auf schmalen Weg in Richtung Abzweig zum Sertigpass. Weit unter uns liegt das Val Funtauna, einst Station beim ehemaligen K42. Zwei Streckenposten weisen uns den richtigen Weg. Ich bedanke mich bei ihnen. Wahnsinn, was sie bei diesen Bedingungen für uns Läufer leisten. Der Lauf hat überhaupt wieder die gewohnt gute und perfekte Organisation und Betreuung.
Ich bin froh, dass ich auf dem schmalen Pfad nur wenige Läufer überholen muss. Diese machen auch bereitwillig Platz. Ansonsten wäre ein Überholen hier kaum möglich. Ein Läufer in einem gelben Ganzkörperkostüm fällt mir auf.
Wir müssen kleine Wasser passieren, zum Teil über Stege. Die Schuhe sind gut durchnässt, obwohl der Regen auf dem Panoramatrail aufgehört hat. Auch das Gewitter macht Pause.
Ich muss heute mehr aufpassen. Der Weg ist nass, die Steine glitschig und es geht links weit und steil hinunter. Ich laufe konzentriert und langsam. Immer wieder geht es um Vorsprünge herum. Der Panoramatrail zieht sich. Ich genieße trotz des Wetters jeden Meter. Ringsherum sind beeindruckende Berge zu sehen. Des Trailläufers Herz schlägt höher.
Hinter einem weiteren Vorsprung ist plötzlich weit, weit voraus die Keschhütte zu sehen. Einer der Höhepunkte des K 78. Vorher verlassen wir jedoch den Panoramatrail Richtung Sertigpass. Bis dahin gilt es jedoch noch einige Meter auf schmalem Pfad zu laufen.
Kurz hinter dem Abzweig zum Sertig ist eine weitere VS. Ich labe mich und falle auf die Liege im benachbarten Sanizelt. Ein Spaß fürs Foto. Ich bin guter Dinge, fühle mich wohl und habe meinen Rhythmus.
Bis zum Sertig müssen wir gut 300 Hm ansteigen. Leider hat es wieder angefangen zu regnen. Es ist richtig kalt und das Gewitter ist auch zurück. Der Bouillon der VS und der kurze Rast haben mir neue Kräfte verliehen. Die kann ich gut gebrauchen. Schritt für Schritt stapfe ich aufwärts. Wind kommt auf und erschwert den Aufstieg. Mit den kalten Fingern habe ich Mühe zu fotografieren.
Zu sehen ist übrigens jetzt nicht mehr viel. Wolken hüllen uns ein. Es ist ungemütlich. Aber bei schönem Wetter laufen kann jeder. Ich tröste mich damit, dass die Sertig-Passhöhe bald erreicht sein wird und der steile Abstieg dann auf uns wartet. Und mit jedem Hm, den wir verlieren wird es wieder wärmer werden.
Über Steine und auch etwas Schnee erreichen wir den Pass. Wir haben mit 2739 m Höhe hier fast die Gipfelhöhe der Zugspitze erreicht. Jetzt heißt es „Hinab mit Gebrüll“. Das Gebrüll lasse ich weg. Aber angesichts des miesen Wetters will ich rasch nach unten. Und Hinablaufen ist ja mein Ding. Also nehme ich Fahrt auf und stürze mich hinunter.
Aber Obacht: Der Anfang ist sehr steil und steinig. Hier ist höchste Konzentration gefragt. Zumal die Steine nass und glitschig sind. Ich überhole wieder einige Läufer und verliere rasch an Höhe. Aber der Abstieg zieht sich in die Länge. Die Oberschenkel werden hart gefordert.
Irgendwann ist der obere besonders steile Abstieg aber doch zu Ende. Eine Brücke führt über einen Bach und ein breiter Wirtschaftsweg nimmt uns auf und bringt uns bis Sertig Dörfli. Im Dörfli findet gerade ein Schwinger-Wettbewerb statt. Leider laufen wir parallel daran vorbei. Ein schlammiger Wiesenweg nimmt uns auf.
An Ausgang von Sertig Dörfli gibt es wieder Labung an einer VS. Über wechselnde Untergründe geht es in den Wald. Noch etwa 10 Km sind zu laufen. Der Waldweg begeistert mich erneut. Im ständigen leichten Auf- und Ab nähern wir uns Chavadel am Beginn des Sertigtals.
Der Untergrund bietet reichlich Pfützen, von oben kommt aber nichts Neues. Regen und Gewitter haben aufgehört. Die Sonne kommt sogar hervor – jetzt, wo wir durch den Wald laufen und nicht viel davon haben.
Auf geteerter Straße laufen wir durch Chavadel. Nach einer letzten VS am Ende des Ortes nehmen der Wald und ein schmaler Waldweg uns wieder auf. Kurz vor Davos wechseln wir auf einen breiten Weg. Da taucht der Kurort im Blickfeld auf. Ich bin jetzt auf dem Streckenteil, auf dem ich gestern Jasmin Nunige, Siegerin bei den Frauen K 68, von der Schatzalp aus gesehen habe.
Die Schatzalp auf der anderen Teilseite im Blick laufe ich die letzten 2 Km abwärts. Ein letzter Gegenanstieg im Wald lässt mich noch einmal gehen. Ein scharfe Linkskehre und noch wenige Meter auf Waldweg und Davos hat uns wieder.
Die letzten Meter auf bekanntem Terrain zum Stadion sind purer Genuss. Links und rechts stehen Zuschauer und feuern uns an. Ein großartiges Gefühl. Im Stadion herrscht dagegen große Leere. Über die Gegenlaufbahn und die Zielkurve geht es ohne Zuschauer durch den Zielbogen. Es ist halt Corona.
Um 13:46 Uhr ist der K 43 für mich zu Ende. Im Zielbereich hole ich mein wohlverdientes Finishershirt ab und greife bei der Verpflegung zu. Mit Wehmut verlasse ich rasch das Stadion, gehe zur Schatzalpbahn und fahre hinauf ins Quartier.
Seit Freitag weiß ich, dieser 36. Swissalpine war der Letzte! Ich war insgesamt fünfmal und beim nunmehr letzten Swissalpine dabei. Der letzte Vorhang für den Kultlauf ist gefallen. Es leben die „Davos X-Trails“. Die Strecken sollen beibehalten werden. Der erste Startschuss wird am 30. Juli 2022 fallen.
Fazit
Unverändert ein Klasselauf, faszinierende, sehr abwechslungsreiche Strecke. Perfekte Organisation. Zur Nachahmung empfohlen – auch bei schlechtem Wetter und unter neuem Etikett. Der Lauf ist und bleibt eine echte Herausforderung.
Optimal mit einem Urlaub zu kombinieren, gerne auch auf der Schatzalp.
(Klaus und Margot Duwe)
Männer
1. Hoffmann Benedikt 5:46.22,1
2. Wenk Stephan 5:52.21,9
3. Grangier Germain 5:59.36,6
Frauen
1. Nunige Jasmin 6:50.36,5
2. Baer Natascha 7:05.48,2
3. Flori Cecilia 7:55.32,7
Männer
1. Elhousine Elazzaoui 3:12.28,2
2. Baggenstos Tobias 3:24.44,3
3. Höche Marcel 3:36.00,6
Frauen
1. Schide Katie 3:41.48,9
2. Iozzia Ivana 3:52.34,7
3. Hahner Anna 3:57.48,9