Irgendwann ändern wir die Richtung und steigen zu den Ravaischseen (2570 m) auf. Zuerst muss ein breiter Bach gequert werden. Ich amüsiere mich, wie sehr sich die Läufer bemühen, das zu schaffen, ohne ins Wasser zu treten. Wo doch ihre Füße sowieso schon völlig nass sind. Die Landschaft ist traumhaft schön. Um uns herum türmen sich die Berge auf über 3000 m auf. Die Seen liegen auf verschiedenen Höhen, dahinter geht’s auf den Sertigpass, deutlich an der Läuferschlange zu erkennen.
„Renn nicht so, schau Dir die Landschaft an,“ rufe ich einem Läufer nach. „Die schau ich mir morgen auf Deiner Seite an“, gibt er zurück. Normalerweise eine gute Idee. Aber diesmal hat er Pech. Einer sagt mir unterwegs sogar, dass er heute deshalb nicht selber Bilder macht, weil er weiß, dass m4y stark vertreten ist.
Der Weg ist steil und beschwerlich, aber die Ausblicke phantastisch. Immer wieder greife ich zur Fototasche und jedes Mal ärgere ich mich über das Malheur. Als ich endlich auf der Passhöhe bin, fummelt doch tatsächlich der Felix an seiner Kamera rum (Akkuwechsel!!), statt mich zu fotografieren. So viel Zeit muss sein. Ich bleibe stehen, bis er schussbereit ist. Vielleicht glaubt sonst noch jemand, ich sei in Wahrheit bei der Streckenhälfte umgekehrt.
Bis hierhin unterschreibe ich blind, dass die Sertig-Variante die schönere Strecke ist. Was aber dann kommt, ist fürchterlich. Bekanntlich war die Strecke ja für schlechtes Wetter gedacht. Für richtig schlechtes, nicht so wie letztes und wie dieses Jahr. Nicht, dass die Wege über den Sertigpass dann besser zu laufen wären. Nein, man ist nicht so lange auf der Höhe. Nicht so lange auf der Höhe heißt, man ist schneller wieder unten. Das wiederum heißt, es geht steil abwärts. In diesem Fall heißt das sogar SEHR steil und das nicht mal kurz, sondern lang. So lang, dass ausgewachsene Alpines abwärts schon mal Gehpause machen. Der Weg über die Felsbrocken und spiegelglatten Schneefelder ganz oben ist dabei nicht gemeint.
Auf die nächste menschliche Ansiedlung treffen wir erst wieder bei km 26 (Chüealpe, 2101 m). Danach wird der Weg besser und kommt einem trotz Matsch sehr komfortabel vor. Richtige Zivilisation erreichen wir bei Sertig Dörfli (1861 m, 29 km). Ab hier verkehren Busse, bringen Zuschauer hin und erschöpfte Alpines zurück.
Noch 13 km …. In meinem geliebten Dischmatal ist das Genusslauf pur über sonnige Wiesenhügel, immer leicht abwärts und immer die Berge ausgangs des Tales im Blick. Das Sertigtal hat davon nichts. Es ist wild und ungemütlich. Manchmal geht es durch dunkle Wälder, über Stege und Brücken und immer rauf und runter. Wer noch einigermaßen bei Kräften ist, hier bekommt er den Rest. Selten hört man Läufer so wüst fluchen wie hier.
Erst bei Clavadel (1664 m, 36 km) wird das Geläuf besser, die letzten Kilometer werden auf einen guten Forststraße mit nur leichtem Gefälle bequem und einigermaßen locker gelaufen. Vor uns und noch etwas unterhalb liegt Davos. Bald ist vom Sportzentrum her schon der Sprecher zu hören. Freude und Genuss kehren zurück, trotz neuerlichem Regen, trotz bedrohlich klingendem Donner. Welch ein Empfang. Der K 42 hat mich mal wieder geschafft. Die Leute können brüllen, wie sie wollen. Ich marschiere. Erst auf der roten Rennbahn im Stadion beginne ich zu laufen und die Atmosphäre zu genießen. Wieder so ein Lauf, wieder so ein Abenteuer und eine Erfahrung, die man nur macht, wenn man sich bei einer schlechten Wetterprognose nicht das Frühstück auf’s Zimmer bringen lässt.
Trotz diverser Regengüsse unterwegs – so richtig durch und durch nass werde ich erst, als ich mit der Medaille um den Hals in aller Seelenruhe bei Blitz und Donner und strömenden Regen mir den Kleiderbeutel abhole. Und da ist mir alles so was von egal … Ich habe gefinisht. Nicht irgendeinen Kirmeslauf, den Swissalpine!
K 78 Männer
1 Buud, Jonas (SWE) 05:57:25
2 Tsyganov, Dimitri (RUS) 06:09:33
3 Schmid, Martin (SUI) 06:32:08
Frauen
1 Nunige, Jasmin (SUI) 06:31:43
2 Hawker, Elizabeth (GBR) 06:56:30
3 Zakrzewski, Joasia (GBR) 07:21:30
1060 Finisher
K 42 Männer
1 Bundi, Gion-Andrea (SUI) 03:11:00
2 Gehring, Lukas (SUI) 03:22:50
3 Bolt, Daniel (SUI) 03:25:58
Frauen
1 Huser, Andrea (SUI) 03:53:39
2 Matrasova, Katerina (CZE) 04:00:53
3 Kurtz, Olivia (SUI) 04:04:21
1115 Finisher
C 42 Männer
1 Mertens, Gert (BEL) 02:57:43
2 Schär, Sven (SUI) 03:01:00
3 Payne, Christopher (USA) 03:05:08
Frauen
1 Williams, Timmons (USA) 03:14:51
2 Kauri, Mari (FIN) 03:23:20
3 Stöppler, Simone (GER) 03:32:49
289 Finisher