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03.08.13 - Dirndltal Extrem Ultramarathon

Eine ganz heiße Nummer

Autor: Joe Kelbel

“Ist das der letzte Anstieg? Haben wir es jetzt geschafft?” fragt mich Oliver beim steilen Anstieg auf den Grüntalkogl. “Oh, Du Armer in Deinem Wüstenauftritt, einer von uns beiden ist hier anscheinend auf der falschen Veranstaltung!” Der Grüntalkogl ist so steil, dass keine Straße hinaufführt. Die Berghütte wird mit einer Seilbahn versorgt.

Extra für uns wurde die Gipfelhütte (886 m)  geöffnet. “Werden da heute noch Wanderer kommen? “ frage ich. “Nö, bei dieser Hitze ist heute niemand unterwegs, nur so bekloppte Ultraläufer!” Oliver stopft sich einen Esslöffel Salz hinein. Ich kann´s nicht glauben, klatsche mir an die Stirn.

Als die Türken im Frühjahr 1682 und 1663 (nach 1529) wieder ins Pielachtal einmarschierten, dienten die Bergkuppen als Kreidfeuerstätten ( Kreid= Schreien), also Stätten für Nachrichtenfeuer. Es gab je zwei riesige Feuerstätten, eine mit feuchtem Holz für tagsüber, eine mit trockenem für nachts. Die Bewohner zogen sich bei Alarm in Burgen und Schlösser zurück. Die Männer des Feuers jedoch mussten sich irgendwie in die Wälder verpissen. Es war eine grausame Zeit damals, als marodierende Türken sich auf eigene Faust Nahrung und sonstiges in den Dörfern besorgten.

Ötscherblick (Ötschter = slawisch für Vater). Der Ötscher ist ein massiver, relativ isolierter Berg (1900 m), seine steilen Kalkfelsen bilden tiefe Gräben, es sind die Grand Canyons Niederösterreichs. Beim Ötscher Ultramarathon über 70 km/3000 Hm ist noch kein Reporter von uns angetreten. (Lauter Feiglinge. Anm. d. Red.)

CP 3 (km 35,5) Weißenbach. Hoch über Weißenbach überwacht die Weissenburg das Tal der Pielach. Im großen Türkenkrieg 1683 fanden hier 300 Bewohner Schutz. Bis hierher drangen die 20.000 Türken westwärts, zogen dann aber nach erfolgloser Belagerung wieder Richtung Wien.

Hinauf geht es zur Oberen Hofstatt, ein 600 Jahre alter Bergbauernhof. Die Bestandaufnahme nach dem Einfall der Türken liest sich so: “Wenig anpaut, will nit paun, hat zwar Holz. Mit allen Vieh blindert abprent Mit Verlust: Weib, 2 Kinder, 2 Dienstleut…abprent…”

 
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Wir passieren die Nixhöhle mit ihren 1040 Stufen. Seit Menschengedenken werden die Kalkablagerungen abgebaut. Das trübe Wasser, Mond-, oder Bergmilch genannt, hilft durch sein Calcit-Sinter-Gemisch gegen einige Krankheiten.

Die Leute holen sich immer noch die leichten Steine aus dem Berg. Fragte man jemanden, der aus der Höhle kommt, was er denn trägt und schleppt, kommt die  Antwort: ”Nix hon i, nix ols Nix!” Jo mei, Nix is ebn da Nom von die doign Stoahnln.

Der lateinische Ausdruck für Schnee, Nihilum Album= weißes Nichts gab der Höhle ihren Namen, in der 20.000 Jahre alte Knochen von Höhlenbären liegen. Diese Bären waren reine Pflanzenfresser und starben deswegen in der Eiszeit aus, während andere Arten auf Fleischkost umstiegen und überlebten. Glücklicherweise bin ich kein Pflanzenfresser. Aber vernünftiges Essen ist bei diesem Lauf nicht möglich, zu hoch ist die Belastung des Magens durch den enormen Flüssigkeitsbedarf. Es gibt aber Brot und kleine Salamischeiben an den Verpflegungsstationen.

Die Wirtin am Ortsbeginn von Frankenfels freut sich über das Wiedersehen, gibt mir zu den Getränken einen Eimer Wasser und ein frisches Tuch. Zerschossene Läufer, humpeln an meinem schattigen Plätzchen vorbei, während ich mir die Birne kühle, das ist cool, muss grinsen. 

CP4 in Frankenfels km 48 (cut off 10 Stunden), nennt sich “der Kern im Dirndltal”.
War auch Kern des Bauernaufstandes gegen den Kaiser (1596). Grund waren die Steuern.

Wichtig ist, sich an jedem Kontrollpunkt die Karte lochen zu lassen. Oft denke ich nur an Getränkeaufnahme, doch die Helfer sind jedes Mal auf Zack. Bevor ich über die Grausamkeit dieses Tage reden kann, greift man zu der Plastikkarte, die nur unter großem Kraftaufwand gelocht werden kann. Akribisch wird dann Ankunfts-und Aufbruchszeit notiert.

Einige Läufer liegen im Dorfbrunnen. Es hat sich rumgesprochen, dass der folgende Anstieg knüppelhart sein wird. Das Holz des Dirndlstrauches ist auch hart. Die Brüder Entlinger machten 1890 daraus Prägestempel für die Fälschung von Goldmünzen.

Die Falkensteinmauer (720 m) bietet mehr als 200 Kletterrouten. Bei heißem Wetter kann man der Sonne ausweichen, indem man einfach auf die Nordseite klettert. Die Franzosenmühle hat ihren Namen wegen des ermordeten Napoleon-Soldaten. 

 
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Unübersehbare Markierung auf dem heißen Asphalt: ”Joe Labe”. Mitläufer lernen die Vorteile von eiskalten isotonischen Getränken kennen.

Die Grassermühle war vor 600 Jahren ein sogenanntes Rotthaus. Grass, so nennt man das Nadelholz. Rotte ist hier eine Häuseransammlung, stammt ursprünglich vom Begriff “Rodung”. Steil geht es hinauf zur gerodeten Bergkuppe. Der geschmolzene Teer lässt die Laufschuhe nicht los, jeder Schritt wird mit einem martialischen Schmatzen von der weichen Straße kommentiert. Von oben Blick auf den Eisen-und Hohenstein. Es wird dunkel sein, ehe wir dort ankommen.

Es ist der Abstieg nach Schwarzenbach, den ich letztes Jahr nicht beschreiben wollte. Auch dieses Jahr spare ich mir Worte zu dieser Drecksstrecke, weil es einfach keine druckfähigen Begriffe für dieses Trailstück gibt.

CP 5 Schwarzenbach Km 61 (cut off 13 Stunden, ich liege 2,5 Stunden drunter). Malerischer, schattiger Biergarten unter Kastanienbäumen. Wasserschlacht mit dem  Gartenschlauch. Die Stirnlampe habe ich hier deponiert, denn ein Transport von Drop-Off-Tüten auf die folgenden Berge ist nicht möglich.

Wie letztes Jahr gehe ich zur Wirtin Erne (Ernestine Hochreiter). Die Stufen hinunter in das kühle, uralte Gasthaus schmerzen. Sie trägt ein Dirndltal Extrem-Shirt: “Das glaubt mir doch niemand, dass ich hier mitlaufe!”

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Informationen: Dirndltal Extrem Ultramarathon
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