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03.08.13 - Dirndltal Extrem Ultramarathon

Eine ganz heiße Nummer

Autor: Joe Kelbel

Das nicht, aber sie hat schon mehr Wanderer, Läufer Montainbiker und deprimierte Bergbauern zum Leben erweckt als 20 Google-Seiten speichern können. Eiskaltes Mineralwasser mit frischer Zitrone. Viele Läufer verbringen hier 30 Minuten und mehr. Ein Junge sagt, dass Oliver, mein Sorgenkind, den falschen Weg genommen hat, nicht den hinauf zum Eisenstein. Ein anderer ging ins Tal, eine Suchaktion wird gestartet. Ich starte den Aufstieg, der Hang des Eisensteins liegt nun in der prallen Sonne, 6 Km mit 750 Hm.

 
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Wir passieren zwei aufgegebene Höfe, die Obstbäume und Wiesen lassen die trockenen Stellen erkennen, an denen ein Traum zerbrach. Fast romantisch ist der Weg durch die dichte Ansammlung von Haselnusssträuchern. Hier zog letztes Jahr das heftige Gewitter auf. Der Sage nach schlägt der Blitz nicht in einen Haselstrauch ein. Jetzt verstehe ich warum: Alle haben die gleiche Höhe, stehen sehr dicht, und wer hier ins Trockene kriecht, der muss sich schon tief unter die Äste kauern.

CP 6  (km 67 ) die Julius-Seitner-Hütte auf dem Eisenstein ( 1187). Die Gemüsesuppe ist bewusst versalzen, dazu trinke ich einen gespritzten Dirndlsaft. Das ist nichts Unanständiges, das ist köstlich und macht fit.

Immer wieder geht der Trail per Leiter über hohe Wildzäune. Letztes Jahr fand ich hier Andrew liegend. Er hatte den VP auf dem Eisenstein im Gewitter verpasst. Heute hat er den Lauf in Schwarzenbach beendet.

CP 7 Hohenstein ( 1195)., km 74. Hatschi hat schon auf mich gewartet, ich bin der letze Läufer. Nur blutjunge Wandersmädchen, die heute hier im Otto-Kandler-Haus übernachten. Da gönn ich mir doch einen weiteren gespritzten Dirndlsaft.

Die Bewirtung der Alpenvereinshütten übernehmen in Rotation Mitglieder des Alpenvereins. Heute ist es ein volltätowierter Bär, der mit einem langen Messer in der Hand aus dem Otto Kandler Haus stürmt. Ich mache mich schnell auf den Weg. Ich habe jetzt noch 13 Stunden Zeit ins Ziel zu kommen!

Der Weg geht nur bergab, doch an Geschwindigkeit ist nicht zu denken. Alle paar Kilometer das grünliche Licht der Leuchtstäbe. Sie dienen als Hoffnungsmarkierungen, denn es gibt nur diese eine Forststraße.

Öfters sieht man auch das grünliche Licht des großen Leuchtkäfers. Es ist nicht das Glühwürmchen (kleiner Leuchtkäfer), welches im Juni durch die Wälder und Wiesen schwebt. Bei dieser Art leuchtet nur das Weibchen, welches auf dem Rücken liegend den oberen Luftraum abscannt.

Mein  Scheinwerfer scannt unzählige, dicke Flattermänner, die mir im Gesicht kleben bleiben. Die zappelnde Eiweißmaße, die ich mir abglitsche, nervt mich. Ich nehme die Lampe in die Hand, was die Viecher auf meine Beine lenkt und auch nicht angenehmer ist.

Ich komme zu der Wiese, ab der mich letztes Jahr der schöne Fuchs begleitet hatte. Bin sehr enttäuscht, der Hund geht dieses Jahr fremd. Auch die zahlreichen Wiesel- und Marderarten, die mich letztes Jahr so begeistert haben, indem sie schnell den Standpunkt ihrer Augen wechselten, vermisse ich dieses Jahr. Nur einige blöde Katzen starren mich teilnahmslos an.

CP 8 (km 83,50 Schrambach am Zögersbach. Klamottenwechsel.

Auf der lang ansteigenden  Straße mache ich das Licht aus. Kein fieses Hundegebell wie letztes Jahr, nur dunkle, einsame Stille. Wetterleuchten. Man sieht die kurzen Blitze bis 200 km weit. Sternenklare Nacht, die Milchstraße ist quer über die Kuppel gespannt, sie ist unsere Galaxis, die wir relativ aus der Mitte aus sehen können. Eine wunderschöne Sternschuppe saust lautlos durchs gesamte Sternebild. Eine andere saust direkt auf mich zu, so dass ich nur einen hellen Lichtblitz sehe. Letztes Jahr kam hier Weltraumschrott glühend herunter, erkennbar an einem langsamen Zickzackkurs.

Als hier in Schrambach ein Ehemann seiner verstorbenen Frau am Grabe nachweinte: “…am liebsten tät ich dich ausgrab´n…”, warf ein Maulwurf urplötzlich einen Erdhügel auf, worauf der Mann entsetzt rief:  “Jessa Maria und Josef, bleib im Grab drin und kum ma jo det außa!”

Na gut, war jetzt nicht sehr gruselig, aber eine ganz grausige Geschichte hat sich hier  tatsächlich ereignet: Ein Rottweiler kam mit dem Hasen vom Nachbarn im Maul an. Hase tot, blutig und total dreckverschmiert. Der Hundebesitzer, schlechtes Gewissen, wäscht den Hasen mit Shampoo, föhnt ihn, bis das Fell wieder flauschig ist und legt ihn dann zurück in den kleinen Hasenstall. Am nächsten Morgen sagt der Nachbar: “Komische Sache…mir ist doch letzte Woche mein Hase verreckt, habe ihn an der Hecke begraben, heute Morgen liegt der frisch geduscht wieder im Stall!”

Ich liebe diese einsamen Läufe durch die Nacht. Einmal läuft es mir eiskalt über den Rücken, doch das vermeintliche Wildschwein ist eine Pflanzenansammlung. Ein anderes Mal rast blitzschnell ein dunkler Schatten auf mich zu. Instinktiv ducke ich mich. Zum Glück, denn den Schatten warf ein gemeiner Ast .

CP 9 Tradigist km 92,5 (cut off 23,5 Std) der Name ist abgeleitet vom slawischen Kriegsgott. Die Burg Rabenstein (12.Jahrh) ist der Ausgangspunkt der deutschen Besiedlung des Pielachtals gewesen, wurde einen Monat von den Türken belagert, jedoch nicht eingenommen.

Die zwei Mädels erzählen mir, ich hätte 6 Einzel- und einen Staffelläufer überholt. Ich freue mich, aber glauben kann ich es nicht. Bei diesem Trail gibt es keine Überraschungen. Jede Richtungsänderung wird mit glühendem Christbaumschmuck deutlich angekündigt. Was Günter aber nicht davon abhält, zwei Stunden in die falsche Richtung zu laufen. Ein Verlaufer führt immer abwärts, verhindert das Einsehen. Kurz vor CP 1 wird  Günter vom Bus der Orga abgefangen und zurück zu dieser Abzweigung zwischen CP9 und CP 10 gebracht.

Da Spinnentiere nachtaktiv sind, frage ich nicht, ob Zecken nachts pennen, als ich durch das dichte Gestrüpp watschel. Ich folge nur dem getrampelten Weg meiner Vorläufer, dabei wäre 2 Meter weiter ein kleiner Feldweg. Aber die Leuchtstäbe hängen hier am Gebüsch, und daran klammern wir uns.

 
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Hinauf geht es zum Kaiserkogl (716m). Ungläubig starre ich in zwei glühende Augen in fettem Fleischkloß. Doch er bleibt ruhig, also nähere ich mich. Es ist eine Kuhherde, mitten auf dem Weg. Durch meine Nachtläufe weiß ich, dass Kühe mit offenen Augen schlafen, im Liegen. Stadtkinder prahlen gerne mit dem sogenannten “Kuhschupsen” mit den schlafenden Tieren. Aber Kühe schlafen nicht im Stehen und eine volltrunkene Horde Stadtjungs könnte niemals 700 kg schlafendes Fleisch umwerfen. Diese Kühe hier blicken zwar in meinen Scheinwerfer, aber reagieren nicht auf die Überschreitung des normalen Sicherheitsabstandes, den ich, um den direkten Weg einzuhalten, unter 50 cm halte.

Beim Pass in einer Höhe von 663 Metern kommen wir an der Bärntaler Lake vorbei. Im fahlen Scheinwerferlicht imponieren die kräftigen Arme der zwei über 1000 Jahre alten Linden noch mehr. Man ließ die Gehängten zur Abschreckung einfach hier oben baumeln, bis Raben nach Jahren ihre Arbeit verrichtet hatten und kleinere Raubtiere das Heruntergefallene verstreuten. Die Köpfe jedoch baumelten mitunter 50 Jahre und mehr an den dicken Seilen. Um das Vieh von der durchs Leichengift verseuchten Lake fernzuhalten, errichtete man hohe Weidezäune. Die Weidegrenzen haben sich erhalten und stellen für uns mit ihren hohen Treppen ein fast unüberwindliches Hindernis dar. Stacheldraht und Elektrozäune erfordern höchste Konzentration.

CP 10 (102,5 km) Kammerhof in Schindelseck. Hier habe ich letztes Jahr verzweifelt versucht, Ersatzbatterien in meine Stirnlampe zu manövrieren. Merke: Nimm Ersatzlampe mit, keine Ersatzbatterien. Selbst Erika, die letztes Jahr komischerweise  Tina hieß, konnte die Batterien nicht korrekt einfügen. Vielleicht war die Lampe auch kaputt, ich weiß es nicht mehr. Heute bin ich überfordert von dem Trubel hier. Erika, Klaus, Hatschi und eine Bande Dirndls, die auf ihre Läufer warten, alle wollen hören, was ich bisher erlebte, und wo ich die anderen Jungs versägt habe. Ich weiß es nicht, frage nur, ob da denn schon Läufer vor mir sind. Die helle Aufgeregtheit verstört mich, greife mir eine Kartoffel und einige Stücke Melone und haue ab.

Kartoffeln sind wunderbar, weil basisch, beruhigen den Magen, die Wassermelone ist in der Hitze des Tages angegoren. Deswegen heißt die Gegend wohl Mostviertel.

Die letzten Kilometer ziehen sich. Ganz schlimm ist die ewiglange Strecke entlang der Linie der Schmalspurbahn. Ein Ultraläufer braucht Geduld, gerade im Dunkeln, wenn man seine Geschwindigkeit nicht einschätzen kann.

Ein großartiger Lauf geht zu Ende. 111 km mit 5000 Höhenmetern sind souverän bewältigt. Ich hätte noch über 5 Stunden Zeit bis Zielschluss, bin sehr zufrieden.

Der Lauf war eine richtig heiße Nummer, so heiß wie der Badwater. Was Gerhard auf die Idee bringt, im nächsten Jahr Gürtel wie beim Badwater für die Läufer zu spendieren. Ob der Zeitpunkt der Anmeldung oder des Zieleinlaufes ausschlaggebend  für den Erhalt der Trophäe mit dem stolzen Bussard ist, will Gerhard mir noch nicht sagen.

Die diesjährigen Gewinner freuen sich über die dicken Geldpreise. Ich freue mich auf nächstes Jahr, denn der Dirndltal Extrem Ultramarathon ist zwar knüppelhart wie Dirdlholz, aber für jeden geübten Trailer machbar.

Du kannst jedes Dirndl erobern, es sei denn, die Laufhose, die du trägst, ist älter als sie!

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