„Das hier ist absolut grenzwertig, vor allem jetzt in der Nacht. Ich sehe auf den Wegen mit dem schlechten Untergrund viel zu wenig. Als Veranstalter hat man den Teilnehmern gegenüber doch eine Sorgfaltspflicht!“
Dies war die spontane Aussage eines Läufers, den ich 56 Kilometer und 8,5 Stunden nach dem Start am zweiten Verpflegungspunkt traf. Es regnete, es war kalt, der Untergrund war stellenweise abenteuerlich. Obwohl er noch gut in der Zeit lag, hatten ihm die äußeren Bedingungen bis hierher offensichtlich ziemlich zugesetzt und für ihn war klar, dass das seine erste und auch letzte Teilnahme war.
Zum sechsten Mal fand dieser anspruchsvolle Lauf über 78 Kilometer mit +1.600 Höhenmetern statt und zum dritten Mal waren Angelika und ich mit dabei. Obwohl die Bedingungen in diesem Jahr wirklich schwierig waren, kann ich mir vorstellen, im Gegensatz zum vorgenannten Beschwerdeführer auch im kommenden Jahr hier wieder anzutreten.
Anfang der Woche hörte man noch von übermäßigem Schneefall im Norden Frankreichs und auch bei uns war der Winter wieder mit Macht zurückgekehrt. Züge fielen aus, Flüge wurden nicht gestartet, Chaos auf den Straßen. Ich machte mir keine Sorgen, das würde sich schon im Laufe der Woche geben. Tatsächlich hatten wir dann am Freitag auch keinerlei Probleme mit der Hinfahrt: Stuttgart-Mannheim-Forbach-Paris - nach vier Stunden waren wir in Paris. Nun ja, nicht ganz, 50 Minuten Verspätung müssen noch dazu gerechnet werden.
Die Abholung der Startunterlagen am Nachmittag klappte bestens, der Andrang hielt sich in Grenzen. Lediglich das Wetter machte nicht richtig mit, trotz Sonne war es windig und kühl. Aber für den Lauftag waren Temperaturen bis 10 Grad versprochen, leider aber auch Regen. Nun, wir würden ja sehen.
Am Samstagmorgen gegen 10 Uhr ging es mit der Bahn (RER) zum Start. Die Teilnehmer am 50-km-Trail verließen an der Station Versailles die Metro, wir fuhren weiter bis „Saint-Quentin-en-Yvelines“ und von dort mit Bussen des Veranstalters die paar Kilometer zum Start auf der dortigen Freizeitanlage.
Es war zugig und kalt, vielleicht 4-5 Grad, alles drängelte in das Verpflegungszelt, wo Kaffee, Tee, Wasser und Kuchen angeboten wurden. Für die insgesamt 1.600 Teilnehmer aber war das Zelt natürlich viel zu klein, also hieß es bald Platz machen und sich draußen die restliche Zeit bis zum Start zu vertreiben.
Dann wurde es Zeit die Kleiderbeutel abzugeben, noch schnell aufs Dixi zu gehen und beinahe pünktlich um 12.02 Uhr war Start.
Kaum waren wir unterwegs, schon wurden wir wieder ausgebremst – alle mussten durch den schmalen Durchgang und über die Zeitmessmatte. Bereits hier, wenige Minuten nach dem Start, sah ich die ersten, die den Lauf beendeten, bevor er richtig begonnen hatte. Insgesamt fünf wollten dem Wetter und den 78 Kilometern bereits hier nicht mehr trotzen!
Weiter ging es, ich machte ein paar Bilder und schwupp – nur noch ein paar schwarze Gestalten waren hinter mir. Auch kein Problem, der nächste Stopp bremste wieder alle aus. Ausgerechnet an der ersten Engstelle war der Boden aufgeweicht und jeder suchte sich einen Weg drum herum, vorbei am dornigen Gebüsch. Wenn wir gewusst hätten, was uns auf den nächsten Stunden an Untergrund erwartete, alle wären wir wie selbstverständlich mitten durch die schlammige Pfütze gelaufen.
Drei Minuten später aber waren auch diese 10 Meter geschafft, das Feld hatte sich dabei „sortiert“ und dem ungebremsten Laufen stand jetzt nichts mehr im Weg. Wir schlängelten uns am Ufer des Sees entlang, freuten uns, dass es jetzt gut lief, dass es nicht regnete und ich erinnerte mich, wie sonnig und lau es vergangenes Jahr war und an der ersten kurzen Steigung, wie ich damals trotz kurzer Laufkleidung schwitzen musste. Eigentlich war das Wetter dieses Mal doch gar nicht so schlecht!
Die Strecke verlief auf diesen ersten Kilometern recht eben, immer wieder musste man aufgeweichten Stellen ausweichen, aber alles kein Problem und so passierten wir locker die Metro-Station, an der wir den Zug verlassen hatten, liefen zwischen den Häusern hindurch und waren bald wieder mitten in der Natur. Knapp eineinhalb Stunden und elf Kilometer hatten wir hinter uns und ab jetzt würde es etwas anspruchsvoller werden.
Entgegen der Wettervorhersage regnete es immer noch nicht. Im Gegenteil, stellenweise blinzelte sogar die Sonne ganz vorsichtig hinter den Wolken. Die Jacke hatte ich längst im Rucksack und mit langer Hose, Unterhemd, langärmligem Hemd und Handschuhen war ich perfekt angezogen für die aktuellen Temperaturen.
Ab jetzt lief man im Wald, meist auf schmalen Pfaden. Der Schnee der vergangenen Tage war zwar weitgehend verschwunden, hatte aber die Wege aufgeweicht. Zum Glück konnte man den ganz schlammigen Stellen ausweichen und kam trotzdem ganz ordentlich voran.