Diesmal hatte ich auch meine GPS-Uhr mit dabei und damit zu jeder Zeit die Kontrolle über Kilometer und Zeit - sehr angenehm. Tatsächlich kamen wir dann auch nur knapp 10 Minuten später als geplant an VP1 (Buc, km 22,7) an. Die Verzögerung war dem im Vergleich zum Vorjahr schwierigeren Untergrund geschuldet.
Leider aber gab es hier nichts Vernünftiges mehr zum Essen, lediglich Orangen, Bananen und Getränke sah ich auf den Verpflegungstischen. Ich lag hier an Position 1.517, hinter mir nur noch 60 Läuferinnen und Läufer und die 1.516 vor uns hatten die Tische wohl gründlich abgeräumt. Nun ja, da musste ich eben einen Riegel aus dem Rucksack essen.
Wir kamen also recht schnell aus der Station und machten uns auf die Strecke, die jetzt richtig anspruchsvoll wurde. Bis hierher waren es 300 Höhenmeter, auf den nächsten 23 Kilometern bis Meudon zur Wasserstelle waren es doppelt so viele. Trotzdem war ich zuversichtlich: die Wege waren zwar sicher noch schlechter als bisher, aber wir kannten die Strecke, wussten, dass wir es schon zwei Mal gut geschafft hatten, die vorgegebene Zeit würde ausreichen und es regnete immer noch nicht.
Ab und zu streiften wir die Zivilisation, querten eine Straße oder liefen ein paar hundert Meter durch einen Ort. Stets waren alle Straßen vorbildlich durch Streckenposten gesichert, ein Verlaufen war nicht möglich. Wie auch bisher die Strecke bestens markiert war, Pfeile auf den Boden gemalt und rot-weiße Bändel in Sichthöhe angebracht.
Wie erwartet, gab es jetzt deutlich mehr matschige Stellen, immer wieder musste man in den Wald ausweichen, um weiter zu kommen. Das Lauftempo war dann auch entsprechend langsamer und immer wieder kontrollierte ich Entfernung und Zeit. Wenn das so weiter ging, konnte es tatsächlich noch eng werden.
Um uns herum waren jetzt stets dieselben Leute zu sehen. Da war der kräftige Mann mit seinem Hund. Er machte immer wieder Pausen und ließ den Hund trinken. Ich gab ihm wenig Chancen, das Ziel zu erreichen. Zwar holte er uns jeweils wieder ein, an den Steigungen aber fiel er deutlich zurück und irgendwann war er außer Sichtweite. In der Ergebnisliste sah ich dann, dass er nur ein paar Minuten hinter uns ins Ziel gekommen war.
Und da waren noch die zwei Schwestern, eine trug den Rucksack mit den Getränken, die andere einen Beutel in der Hand, in dem wohl ihr Essen war. Mal war die Eine vorne und schaute auffordernd nach hinten, ob die Partnerin wohl käme, dann tauschten sie die Plätze. Als ich mal wieder stehen blieb, um zu fotografieren, signalisierten sie mir, dass sie mich aufnehmen wollten. Ein simples Bild aber genügte ihnen nicht, ich musste mich auch noch in Siegerpose stellen!
Die Zeit verging also recht abwechslungsreich und als wir dann an der Wasserstelle beim Observatoire de Meudon (km 45) ankamen, lagen wir knapp 15 Minuten hinter der geplanten Zeit zurück. Es war 18.50 Uhr, bald würde es dunkel werden und so holten wir unsere Stirnlampen heraus. Da es leicht zu regnen begonnen hatte, zog ich auch meine Regenjacke wieder an.
Weiter ging es durch den Park, wir passierten die Türme der Sternwarte und waren bald wieder im Wald. Es war finster geworden und ziemlich schnell stellte ich fest, dass meine Stirnlampe nur eine trübe Funzel war, mit der ich nahezu nichts sehen konnte. Ich hielt mich also dicht hinter Angelika, deren Lampe sehr viel besser war.
Ich wusste, dass die kommenden zehn Kilometer bis zum Verpflegungspunkt 2 nach wie vor recht anspruchsvoll waren. In der Tat war das dann der schwierigste Abschnitt des ganzen Laufes. Der Untergrund war jetzt viel häufiger sehr tief und da man von der Umgebung nichts sah, konnte man auch nicht ausweichen. Immer wieder versank Angelika bis über den Knöchel im Matsch und musste manchmal sogar mit den Händen nachhelfen, um die Füße aus dem Morast zu befreien. Mit meinen halbhohen Trailschuhen war ich da besser dran. Dafür aber sah ich mit meiner trüben Lampe nichts, lief einfach auf Verdacht hinter Angelika her, oder orientierte mich an den Läufern, die wir oder die uns überholten.
Es regnete stärker und selbst die ebenen Abschnitte wurden schwer zu laufen. Hier kamen die drei ganz üblen Kilometer, die so rutschig und schleimig waren, dass man meinte, auf Glatteis zu laufen. Bei unserer ersten Teilnahme hatte ich hier die Hoffnung auf ein Ankommen aufgegeben. Diesmal aber wusste ich, dass auch dieser Abschnitt ein Ende hatte und die Abstiege erstaunlicherweise besser zu laufen waren.
Geschafft! Kilometer 56 und damit VP 2 war in der Zeit erreicht. Wir hatten uns um 173 Plätze auf Position 1.344 verbessert, großenteils dadurch, dass bis hierher insgesamt 150 Trailer den Lauf abgebrochen hatten. Hier habe ich auch den eingangs zitierten Läufer getroffen, der so arg mit den Bedingungen haderte.
Endlich gab es auch was Vernünftiges zu essen: Nudelsuppe, Rosinen, Bananen, Schokolade, Salami, Cola, Riegel und noch eine Menge mehr. Da wir bereits15 Minuten hinter unserem Zeitplan lagen beeilten wir uns, Angelika zog noch ihre Regenjacke an und nach sieben Minuten Aufenthalt waren wieder auf der Strecke.
Bis zum nächsten und letzten VP waren es nur noch wenige An- und Abstiege mit etwa 300 Höhenmetern. Ein paar kritische Stellen waren noch zu überwinden und auch die selbstleuchtenden Markierungen fehlten teilweise – der stürmische Wind hatte sie von den Ästen gerissen und sie lagen auf dem Boden. Immerhin sah man dann beim Vorbeilaufen wenigstens, dass man noch richtig war. Ein wenig half uns auch die Erinnerung, den richtigen Abzweig im finsteren Wald zu finden und immer wenn uns jemand überholte, hängten wir uns dran, solange es ging.
Aber auch diese zwölf Kilometer waren nach zwei Stunden geschafft, wir lagen ordentlich in der Zeit und hatten uns noch mal um 90 Plätze verbessert. Das Verpflegungsangebot war auch hier vollständig und nach wie vor regnete es. Ich machte noch schnell ein Foto vom nächtlichen Paris und wieder waren wir auf der Strecke.
Die restlichen elf Kilometer machten mir keine Sorgen mehr. Es ging noch mal einen schmierigen Weg abwärts und dann auf guten Wegen parallel der Seine entlang. Wir passierten das blau beleuchtete Keramikmuseum, überquerten zwei Mal den Fluss, überholten Dutzende Läuferinnen und Läufer und machten so auf diesem Abschnitt wieder Zeit gut.
Längst hatten wir unser Ziel vor Augen, den Eiffelturm. Punkt Mitternacht begannen abertausende weiße LEDs an seinen Streben zu glitzern. Nur noch wenige Minuten und wir waren im Ziel. In den Vorjahren war das auf der 1. Plattform des Turmes, dieses Jahr war diese Plattform wegen Renovierungsarbeiten gesperrt. Der spektakuläre Aufstieg war also diesmal leider gestrichen. Als Ersatz hatte man hundert Meter vom Turm entfernt sein kleineres Abbild aus Luftballons aufgebaut, unter dem wir dann ins Ziel liefen.
Es war nicht mehr viel los, also gingen wir sofort die etwa 300 Meter zur Halle, holten unsere Kleiderbeutel und verzichteten auf das Umziehen. Unser Hotel konnten wir in 15 Minuten zu Fuß erreichen, zogen noch die Schuhe aus, bevor wir hinein gingen und standen kurz danach unter der Dusche.
Im Vorfeld wurde ich gefragt, ob man Trailschuhe und Stöcke braucht. Trailschuhe eindeutig ja, bei den Stöcken bin ich nicht sicher. Klar, dieses Jahr wären sie an manchen Stellen hilfreich gewesen. Da es aber auch durchaus lange Abschnitte gab, an denen man gut ohne laufen konnte, wären sie mir da im Weg gewesen und das ständige Wegpacken wollte ich mir nicht antun.
Bei diesem Lauf muss ich immer hart arbeiten, um ihn zu bestehen und genau das ist es, was seine Faszination ausmacht. Die Freude ist groß, wenn ich es wieder geschafft habe. Er führt durch schöne Parkwälder, es gibt steile Auf- und Abstiege, schlechte aber auch gute Wege, das Laufen in der Dunkelheit ist ein wenig abenteuerlich.
Dieser Lauf fordert, aber er überfordert mich nicht und zeigt Paris von einer anderen als der touristischen Seite. Das i-Tüpfelchen ist dann noch das Ziel auf dem Eiffelturm, das dieses Jahr leider ausgefallen ist. Auch reagiert der Veranstalter auf Erfahrungen. Dieses Jahr wurde das Zeitlimit an VP2 um 15 Minuten gelockert und damit gab es deutlich weniger Abbrecher, gut so. Es muss nicht immer nur schneller, weiter, höher sein!
Es werden Trails über 80, 50 und 30 Kilometer angeboten und wenn ich die ausgehängten Teilnehmerlisten als Anhaltspunkt nehme, hatten sich dieses Jahr knapp 7.500 Teilnehmer für die drei Läufe angemeldet, der Veranstalter redet von 8.500 Anmeldungen. Offensichtlich aber ließen sich viele vom Wetter abhalten, so dass insgesamt lediglich etwa 5.600 auf die Strecke gingen. Beim 80-km-Trail wurde daher der Aufwärtstrend gestoppt, was nächstes Jahr, bei besserem Wetter, sicher wieder anders aussieht.
2008: 896 Teilnehmer, davon 152 abgebrochen;
2009: 1.181 Teilnehmer, davon 180 abgebrochen;
2010: 1.578 Teilnehmer, davon 309 abgebrochen
2011: 1.893 Teilnehmer, davon 415 abgebrochen.
2012: 2.049 Teilnehmer, davon 355 abgebrochen
2013: 1.583 Teilnehmer, davon 112 abgebrochen.
- Streckenlänge 78 km, +/- 1.600 Höhenmetern
- Zeitlimit 13 Stunden; Start 12 Uhr, Zielschluss 1.00 Uhr
- drei Verpflegungsstationen: Kilometer 22, 55 und 67 und eine Wasserstelle bei km 45.
- Kosten: 87 Euro, incl. Finisher-Shirt