Und dazu noch dieser seltsame Name: „Emmona“. Auch das Logo des Ultra sieht auch eher ungewöhnlich aus. Eigentlich heißt sie Emma, aber wurde von ihrer Familie liebevoll „Emmona“ genannt. Sie war die erste Äbtissin im Kloster Sant Joan de Ter, das ihre Eltern, der Herzog von Urgell, Cerdanya, Barcelona, Besalú und Girona und der Herzogin Guinidilda, im Jahr 885 gründeten. Sie bekam als Aussteuer viele Ländereien des elterlichen Königreiches. Emma setzte sich für die katalonische Bevölkerung ein und vergrößerte ihren Besitz in den kommenden Jahren. Leider wurden zur damaligen Zeit Emmas Taten in den Schatten von männlichen Heldentaten, die die Seiten der Geschichtsbücher füllten, gedrängt.
Doch heute wurde Emma wieder zum Leben erweckt, dank dem Emmona Ultratrail, der ihren Namen trägt und das nunmehr seit fünf Jahren. Der Ultratrail über 110 Kilometer und 8460 Höhenmeter ist ein Rundkurs mit Start und Ziel in Sant Joan de les Abadesses, einem kleinen Städtchen in den Vorpyrenäen auf 775 m im Tal des Flusses Ter. Vor zwei Jahren wurde auch ein Marathon über 47 Kilometer und 4100 Höhenmeter aufgenommen, mit Start in Sant Joan de les Abadesses und Ziel in Vall de Nuria auf 2000 m. Vall de Nuria ist ein familiäres Skigebiet in den Ostpyrenäen, das nur mit einer Zahnradbahn über eine Strecke von 12,5 Kilometer mit einem Höhenunterschied von 1000 m von Ribes de Freser zu erreichen ist - eine beeindruckende Fahrt durch das steile, schluchtenartige Tal!
Meine Reise in die Pyrenäen begann bereits Anfang der Woche, als ich mit meinem Mann in das entlegene Sant Joan de les Abadesses (775 m) fuhr, um mir das kleine Städtchen mal anzuschauen – etwas mehr als eine Stunde Autofahrt von der Küste Costa Bravas. Plakate kündigten bereits den bevorstehenden Ultratrail an, aber sonst war vom Trailfieber noch nichts zu spüren. Das Vorprogramm zum Ultratrail begann schon am Freitag um 19 Uhr mit dem Briefing im Garten des Casal Jaume Nunó mit anschließendem Emmona-Begrüßungsdinner auf dem Platz Era d´en Serralta. Am Freitagnachmittag und am Samstagmorgen konnten die Startunterlagen im Kloster am Palau de l´Abadia abgeholt werden. Der Start des Marathon und des Ultratrails am Samstagmorgen um 6 Uhr war dann auf dem Passeig Comte Guifré, einem zentralen Platz mit schattigen Platanen.
Am Veranstaltungstag wollten wir dann so früh in Sant Joan de les Abadesses sein, dass ich noch genug Zeit vor dem Trail haben würde. Die Startunterlagen waren gleich abgeholt und Marc, mit dem ich schon vorher Emailkontakt hatte, begrüßte mich und wünschte mir viel Glück für den Marathon: „See you again in Vall de Nuria!“ Noch war es auf dem Palau de l´Abadia in Sant Joan de les Abadesses recht ruhig, vereinzelt waren die ersten Trailläufer geschäftig unterwegs. Erst gegen 5:30 Uhr füllte sich der Platz vor der Touristeninformation, die Gepäckabgabe für den Marathon und den Ultratrail war ebenfalls hier am Platz. Die Gepäcktaschen wurden in Containern auf LKW´s verladen. Allmählich begaben sich die Teilnehmer der beiden Läufe, mehr als 400 Ultratrailläufer und 350 Marathonis auf den Passeig Comte Guifré, wo noch ein kurzes Briefing auf Katalanisch stattfand.
Dann ertönte laute Musik, zum Start gab es auf dem Platz ein Minifeuerwerk, von dem ich leider nichts sehen konnte. Für mich fiel nun der Startschuss für meinen ersten Trail auf katalanischem Boden und ich war mächtig gespannt auf die Strecke. Mit einer Runde durch Sant Joan de les Abadesses verließen wir auch schon bald die engen Gassen über die Brücke „El Pont Vell“, einer Steinbrücke über den Rui Ter. Nachdem wir die Häuser hinter uns gelassen hatten, ging es auf einem schattigen Weg in die Berge der Serra Cavallera nördlich von Sant Joan. Der steinige Weg war hier schon so steil, dass ich wie auch viele andere Trailläufer in einen flotten Wanderschritt wechselte. Die erste Verpflegung (hier CP genannt) befand sich bei km 6,4 und mehr als 600 Höhenmeter im Aufstieg an der Überquerung einer einspurigen Asphaltstraße, an der es ausschließlich Getränke gab.
Nach der VP verließen wir den markierten Wanderweg und befanden uns auf einem Trampelpfad, der nur noch mit den Fähnchen und Flatterbändern des Emmona Ultratrails gekennzeichnet war. Der Trail war nun noch steiler mit vielen Steinen versetzt, so dass es unmöglich war, gleichmäßig zu laufen. Auf diesem Teilstück bis zum Gipfel des Puig Estela auf 2013 m hatten wir auch noch mehr als 700 m im Aufstieg in knappen 4 Kilometern zu bewältigen. Manchmal war der Weg so steil, dass ich die Hände zu Hilfe nehmen musste. Zuerst befanden wir uns zwischen niedrigem, immergrünem Krüppelbäumen, Büschen und Sträucher, die zuweilen mannshoch wuchsen und mit Stacheln und Dornen das Durchkommen erschwerten. Oberhalb dieser üppigen Vegetation war dann der Blick frei auf die umliegenden Pyrenäen, deren hohen Gipfel zum Teil noch mit Schnee vom vergangenen Winter bedeckt waren.
Auf dem Puig Estela angekommen, ging es nur wenige Meter auf dem Grat entlang und dann zeigte die Wegmarkierung eindeutig in einen grünen, extrem steil abfallenden Hang. Glücklicherweise hatte ich meine Trailstöcke dabei und konnte somit diesen feuchtrutschigen Abstieg besser bewältigen. Aber dann rutschte ich so unvermittelt auf dem nassen Gestrüpp aus und das dann auch noch öfters, dass ich es erst gar nicht mehr zählte. Allerdings hörte ich noch einige andere Läufer um mich herum aufschreien. Ob mit oder ohne Stöcke, es passierte immer das Gleiche. Keine Hose blieb sauber und alle hatten irgendwie einen Heidenspaß, auch wenn ich kein Katalanisch verstand. Als ich endlich am unteren Ende des Steilhangs angelangt war, standen dort einige Läufer zum Fotografieren und kommentierten die Rutschpartie der anderen. Später erreichten wir auf einem ausgetretenen Pfad die Betonstraße nach Pardines (km 18/1225 m), unserem ersten großen Verpflegungspunkt. Auf dem zentralen Platz von Pardines herrschte ein großes Durcheinander, denn es hatten sich auch einige Zuschauer unter die Trailläufer gesellt. Es wurde laut gelacht und das bisher Erlebte erzählt.