Ein Herbsttag mit Sonnenschein, warmen Temperaturen und vielen Eindrücken am und auf dem Rothaarsteig. Ein Landschaftslauf erster Güte, nur vom Bilderschauen kriegst man da schon einen Appetit. 2013 gibt es dort ein Jubiläum, die zehnte Ausgabe.
Ja, wieder ein kleines Ziel im Lauf-Jahr erreicht: Eine neue Strecke und ein mir bisher unbekannter Lauf steht auf der Agenda. Und was es noch schöner macht: Stefan, ein Vereinskollege, kommt mit. Und der fühlte sich bisher nur auf Asphalt wohl. Nun, zu seinem zehnten Marathon darf es schon etwas Verrücktes sein, dachte er sich und sagt mir auf meine Anfrage hin gleich zu. Sind wir nicht alle ein bisschen gaga?
Fleckenberg, ein Stadtteil der Stadt Schmallenberg, hat rund 1500 Einwohner und liegt idyllisch am Rothaargebirge, dessen Kamm sich rund 300 Höhenmeter oberhalb dahinzieht. Auf unserer Anfahrt sehen wir den Ort von oberhalb und bekommen schon erste Hitzewallungen aufgrund der Anstiege, die wir tags darauf belaufen oder besser, weil ökonomischer, vielleicht hoch marschieren sollten.
Noch gar nicht so lange ist es her, dass Fleckenberg den bundesdeutschen Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ gewann. Wenn man durch den Ort spaziert, fallen dem Besucher die zahlreichen Fachwerkhäuser auf, die mit viel Liebe von den Besitzern gepflegt und gehegt werden.
Das Ortsbild dominieren die Pfarrkirche St. Antonius und die Kapelle St. Agatha und St. Gertrud (aus dem 17. Jahrhundert). Bei unserer Fahrt durch den Ort sehen wir schon die ausgeschilderten Parkmöglichkeiten. Viele Grundstücksbesitzer und Landwirte haben ihre Hofflächen dafür zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Hinweisschilder für Start, Massage, Umkleiden etc. sind zu sehen. Man findet sich sofort zurecht.
In der Schützenhalle ist das Wettkampfbüro, die Kuchentheke und die Startnummernausgabe. Gerade hören sich zahlreiche Interessierte den Vortrag eines Sportmediziners an. Es geht natürlich um’s Laufen und über zweckmäßige Ernährung.
Katja Lutter, zuständig für die Pressearbeit, berichtet mir über den erneuten Teilnehmerrekord. Rund 1100 Läufer werden am nächsten Tag auf die Marathondistanz sowie als Läufer, Walker und Nordic Walker auf die Halbmarathonstrecke gehen. Und die ist mit 22,1 Kilometer ein wenig länger als üblich. 838 Höhenmeter warten auf die Marathonis und die übrigen Sportler dürfen sich bei den 421 Höhenmetern austoben. Der Salomon Trail Running Cup 2012 wird auch einige für den Rothaarsteig motiviert haben.
Das Streckenprofil für den Marathon lässt sich einfach beschreiben. Nach dem flachen Einlaufen über drei, vier Kilometer geht es stramm bis Kilometer zehn hoch. Auf dem Kammweg des Rothaarsteiges wechseln sich Steigungen und Gefälle immer wieder ab, sind aber gar nicht mehr so garstig wie am Anfang. Bei Kilometer 29 ist das Gröbste geschafft, denn es geht bis auf wenige kleine Gegenanstiege nur mehr gefällig heim. Die Kurzdistanzler gehen dagegen ohne Einlaufen direkt in die Steigung rein.
Und was kostet das Vergnügen? Nun, bei den Walkern beginnt das Startgeld bei 19 EUR bei Voranmeldung und beim Marathoni endet der Obolus bei Nachmeldung mit 30 EUR. Als Gegenleistung erhalten wir neben der üblichen Versorgung Urkunde, Zeitnahme (keine Transponderleihgebühr), Massage sowie als Startpräsent ein Paar Laufsocken des Titelsponsors.
Gut ausgeschlafen, der Marathonstart ist nämlich um 11.00 Uhr, kommen wir vom Jagdhaus herunter. Dort haben wir unser Domizil für das Wochenende aufgeschlagen.
In der Halle brummt schon der Laden. Gut belagert sind Kuchentheke und Kaffeeausgabe. Wer nach dem Lauf nicht verhungern will, der kann sich bei dem über 100 Kuchen umfassenden Bufett schon vorher seine zwei, drei, vier Kuchenstücke reservieren lassen.
In der Turnhalle nebenan kann die Bekleidung abgegeben werden. Eine Bewachung ist sichergestellt. Kurze Wege, denn der Startplatz ist auf dem Kunstrasenfeld daneben. Die Masse der Langstreckler warten schon auf ihren Einsatz, aber es dauert noch einige Minuten. Die letzten Begrüßungsworte durch die Prominenz, die letzte Information übers Mikro, das eine oder andere Servus und Hallo im Läuferfeld, dann werden wir an die Startlinie gelotst. Gedränge wie vielfach bei Citymarathons gibt es hier nicht.
Rund 20 Grad, kein Wind, Sonnenschein, fast wolkenlos, ideale Bedingungen für den Landschaftslauf mit hohem Genussfaktor. Glücksgefühle und Traummomente werden wir in den nächsten Stunden genug erfahren.
Pünktlich werden wir mit einem Schuss aus der Pistole auf die Reise geschickt. Ohne Hektik und ohne Gedränge geht es aus dem Startareal zuerst leicht aufwärts und dann gefällig auf den Straßen durch Fleckenberg. Einige Touristen, Betreuer und Bewohner lassen es sich nicht nehmen, uns mit Beifall auf den weiten Weg über die Höhen des Rothaargebirges zu schicken. Viele Leute werden wir auf der Strecke nicht zu Gesicht bekommen. Ich rechne immer wieder mit Wanderern auf dem Steig sowie mit Helfern an den Versorgungsstellen und den einen oder anderen Neugierigen in ein paar Ortschaften.
Bei einem Sägewerk verlassen wir Fleckenberg, die Natur nimmt uns voll in Beschlag. Im Tal der Lenne dürfen wir uns die nächsten zwei Kilometer einlaufen. Rechterhand sehen wir das Gewässer im engen Tal mäandrieren. Doch kurz vor dem Ort Lenne ist es aus mit der gemächlichen Bewegung.
Eine Linkskurve beendet unser Rennen in westlicher Richtung. Nun gilt es, die ersten Höhenmeter auf den Mühlenberg zu bezwingen. Unser Sicherheitsbeauftragter, der Stefan, fällt schon frühzeitig in den Marschierschritt und ist nicht viel langsamer als der Rest des Feldes. „Ich hab nicht viel trainiert, also werde ich am Anfang auf Sicherheit laufen“, erklärte er schon vor dem Rennen. Worauf ich versprach: „Ich bleib bei dir, weil ich einen Hauptdarsteller als Narren brauche. Sonst muss ich das machen.“ So einfach geht das bei mir. Und weitergeschickt hat mich auch noch keiner.
Einer lässt sich von einem Hund ziehen, so schaut es fast aus, aber Thomas winkt ab: „Ich weiß nicht, ob mein Hund den Marathon schafft. Wir müssen schauen.“ Auf alle Fälle hängt dem Vierbeiner die Zunge schon weiter heraus als dem Herrchen.
Kurz nach Kilometerschild 5 können wir uns an der ersten V-Stelle laben. Tee, Wasser, Cola, Äpfel, Bananen und Riegel werden feilgeboten. Wer da noch hungert, ist selber schuld. Als Lieblingsgetränk habe ich mich sofort auf Tee festgelegt. Der ist warm und gesüßt. Alle fünf Kilometer werden wir die Tankstellen aufsuchen. Und damit man keine verpasst, werden diese bereits einen Kilometer vorher angekündigt.
Bei der Wolfskuhle (503 Meter) endet die erste starke Steigung mit rund 150 Höhenmetern. Einen Kilometer kann man es bis zum Parkplatz „Böhre“ (455 Meter) laufen lassen. Hier kommen in Kürze die Halbmarathonis hoch, die genau eine Stunde nach uns auf die Strecke gehen.
Dem Stefan kann ich nur ein kurzes Grinsen entlocken, als ich die Wegmarkierung „F1“ als Formel 1-Ring deute. „Dann lauf halt zu.“ An einigen Stellen haben wir einen Tiefblick auf Fleckenberg, das weit unten im Tal liegt. Die folgenden fünf Kilometer sind fast ausschließlich steigend. Kansas, Siebentanne und Stellmecke heißen die anzulaufenden Punkte, dann führt uns der Kurs nördlich des Heidkopfes weiter. Das Kilometerschild 10 liegt knapp hinter uns, als wir parallel zur Kreisstraße nach Jagdhaus auf einem Trail die letzten Höhenmeter dieser zweiten großen Steigung mit rund 200 Höhenmetern belaufen.
Unsere Strecke verläuft nun nicht schnurstracks nach Jagdhaus hinein, sondern er führt am Waldrand hoch, macht eine Linksdrehung und führt dann hinunter zum Schäferhof. Dort kann wieder getrunken und verpflegt werden.