Durch Jagdhaus verläuft der Rothaarsteig, nach dem der Lauf benannt ist. Der Ort mit rund 60 Bewohnern lebt heute hauptsächlich vom Tourismus. Die Freiherren von Fürstenberg hatten hier in ihrem Jagdbezirk ein Jagdhaus errichtet und daher hat der Ortsteil von Schmallenberg seinen Namen.
Noch im Ortsbereich kommen von hinten drei, vier Halbmarathon- Renner. Das sind vielleicht sogar die Führenden. Während die die kurzen Stiche hier locker hochspringen, müssen wir uns die Höhenmeter schon ein wenig mühsamer erarbeiten. Die meisten gehen nämlich.
An der Hubertus-Kapelle laufen die Halben geradeaus, wir müssen rechts auf einem schmalen Weg abbiegen. Anzuschauen wäre die Kapelle schon, aber woher die Zeit nehmen. Namensgeber ist der Patron der Jäger. Bekannt? Wenn nicht, dann hamma wieder was glernt.
Drei Kilometer, nur leicht wellig, laufen wir nun westlich zum Paul-Ermecke-Platz und zur Trudes Sonnenbank (663 Meter). Immer wieder haben wir schöne Ausblicke auf Höhen (Drommberge, Härdler) und Täler. Wer sein Auge offen hat, kann links und rechts des Weges noch ein paar Blumen und viele Pilze entdecken.
Nach Kilometer 15 sind dieses Mal viele Mädels an der V-Stelle mit Eifer am Zureichen, Einschenken und Aufräumen. Aber richtig ausgeschlafen haben die noch nicht. Auf meine Frage nickt eine nur etwas müde. Dabei ist die frische Luft doch gut zum Wachwerden.
Bei der Millionenbank (637 Meter) haben wir 18 Kilometer hinter uns. Zwei, drei Marathonis kommen dann von hinten, überholen und verschwinden. Haben die den Start verschlafen und sind zu spät gestartet? Fragen, die sich am nächsten Streckenposten klären lassen. Der vermutet eine unfreiwillige Ehrenrunde im Bereich von Trudes Sonnenbank aufgrund eines verstellten Hinweisschildes.
Die Wege bleiben weiterhin wellig, sind aber alle gut laufbar, trotz einiger Drecklachen. Ausweichen oder drüber springen, das sind die Möglichkeiten. An der V-Stelle am Großen Kopf (742 Meter) haben die Helfer ihr Equipment mittels eines Traktors herangeschafft und sammeln nun die leeren Brecher ein.
Erzählen will ich euch auch was vom Rothaarsteig. Das ist ein 155 Kilometer langer Fernwanderweg, der von Brilon (450 Meter) über Winterberg (670 Meter), den Kahlen Asten (842 Meter), Bad Berleburg (697 Meter), Erndtebrück und Netphen nach Dillenburg (233 Meter) führt. Dabei kommt der Wanderer an den Quellen der Ruhr, Lenne, einigen Ederzuflüssen, der Sieg, Lahn und Dill vorbei.
Das Deutsche Wanderinstitut in Marburg hat den Rothaarsteig mit dem „Wandersiegel Premiumweg“ ausgezeichnet. Der geübte Wanderer kann ihn sicher in einer Woche durchwandern. Und wer es zügiger mag, der Bödefelder Hollenmarsch und Hollenlauf führt auf einem großen Teil der Strecke über den Rothaarsteig.
Gekennzeichnet ist der Weg durch ein auf dem Rücken liegendes weißes R auf rotem Grund. Quadratisch sind die Schilder und teilweise sind die Markierungen auch an den Bäumen angebracht. Verlaufen dürfte da nicht leicht sein. Es gibt sogar noch mehrere ausgeschilderte Zubringerwege und Parkplätze am Steig selbst. Ein- und Ausstieg ist damit von fast jeder beliebigen Stelle möglich.
Auf unserem Lauf sehe ich später einen Grenzstein mit Kilometerangabe 90 und vermute, dass das die Entfernung zum Beginn in Dillenburg ist. Später führt uns der Weg ins Dickicht, wo Konzentration aufgrund der Wurzeln angebracht ist. An der Hängebrücke (685 Meter, Kilometer 24) beginnt der Waldskulpturenweg. Nach dem Saukopf (716 Meter), ja so heißt der Hügel wirklich, wird Stefan zur Sau, als er mit seinem Laufschuh voll in die Pampe steigt. Ich höre das Wort mit „Sch...“, und muss lachen, weil er doch was erleben wollte. Ich werde ihn im Winter zu einem Crosslauf einladen.
Kurz nach dem Weiler Kühhude (702 Meter), da könnte man in ein Café einkehren, verlassen wir kurzzeitig den Steig und belaufen dafür den höchsten Streckenteil auf 757 Meter Seehöhe. An der folgenden V-Stelle schnorre ich mir ein Biermixgetränk mit Johannisbeergeschmack. Dem Helfer sei Dank.
Bei Kilometer 60 der Steigmarkierung (von Brilon her) verlassen wir den Fernwanderweg nach links. Steinmännchen, die wir sonst nur in den Alpen sehen, sind an der Ecke zu sehen. Ich nehme mir Zeit, auch ein Steinchen zu positionieren.
Während wir bisher meist genau auf der Grenze zwischen Hessen und Nordrhein-Westfalen laufen, der Steig wird auch noch als Grenzweg beschrieben, sind wir jetzt ausschließlich im Hochsauerland unterwegs. Und zu dem gehört das Rothaargebirge. Der Name hat aber nichts mit der Farbe oder den Haaren zu tun. Vielmehr leitet sich es von Rod-Hardt-Gebirge ab, das auf ein gerodetes Waldgebirge hindeutet. Zu einem großen Teil verläuft hier die Wasserscheide zwischen Rhein und Weser.
„Im flotten Lauf kamst du heran,
des Weges Mitte ist's, nun halte an.“
Das lese ich an einem Schild der Skihütte Schanze (693 Meter), eine Einladung zur Einkehr. Im Garten der Wirtschaft herrscht rege Betriebsamkeit. Die Wärme und Sonne laden zum Besuch ein, der länger dauern darf. Wir leben dagegen aus dem Kanister, weil uns wieder Wasser, Tee und Cola präsentiert werden. 30 Kilometer liegen hinter uns. „Da immer gerade aus“, sagt der Wirt und entlässt uns zum Endspurt.
Zwei, drei Kilometer geht es hinab, da kann man es richtig laufen lassen. Stefans Sicherheitslauf macht sich jetzt bezahlbar, denn seit geraumer Zeit kommt keiner mehr von hinten. Im Gegenteil, nach und nach werden einzelne Läufer eingeholt. Ein Stückchen bergab, etwa 500 Meter ist es fast zu abschüssig, so dass die Oberschenkelmuskulatur gleich mault. Und dann werden die letzten zehn Kilometer einzeln angekündigt. Noch 10!
Beim Bach Robecker Siepen (497 Meter) ist das meiste bergab geschafft. Wir sind mittlerweile in einem lieblichen Tal, das Gewässer plätschert leise. In Latrop (431 Meter) stößt die Halbmarathonstrecke auf unseren Kurs. Einzelne Walker sind noch unterwegs. Am Dorfhaus wird nochmals schnell verpflegt und weiter geht‘s.
Das Latroptal wird nun auf den letzten Kilometer ein wenig breiter. Immer schön leicht bergab erreichen wir Waidmannsruh, eine Siedlung mit nicht mal zehn Einwohnern. Immer mehr Walker können wir jetzt einholen.
Und dann reißt Stefan am Gaspedal, denn bei der Markierung „Noch 2 Kilometer“ gibt er Vollgas. Wir können den Abstand zur Kölnerin Sandra Blanco noch egalisieren. Sie war nämlich die einzige, die am Ende des Gefällestückes von hinten kam. Ich warte bis zu den letzten 100 Metern, quatsche sie an und biete ein gemeinsames Finish an. Und das ziehen wir unter Beifall der Zuschauer am Sportgelände auch durch.
Im Ziel wartet Dirk Pretorius, den habe ich ihn Biel kennengelernt, mit einer Halben Weizen. „So wie ich dich kenne, hast du Durst.“ Eine Antwort hört er nicht, statt dessen wird das Glas geleert. Obst, Cola, Tee, Iso und Fassbrause wird im Unterstand ausgeschenkt. Verbesserungsvorschlag: Hat die regionale Brauerei ein Alkoholfreies im Angebot? Dann her damit!
Nur Minuten später kommen zwei neue m4y-Leser ins Ziel: Lubica und Thomas Weise. Nur einige Sekunden haben bei beiden für eine Zeit unter fünf Stunden gefehlt. Denen empfehle ich Training bei Wasser und Brot. Beiden hat der heutige sportliche Tag mit den Eindrücken auf dem Rothaarsteig außerordentlich gut gefallen. Und zwar so gut, dass sie am nächsten Wochenende in Remscheid laufen wollen.
Dieses Lob und auch unseres gebe ich uneingeschränkt an Organisationsleiter Bernhard Tröster mit seinen Helfern weiter. Alles top. Ein schöner „Indian Summer“ am Rothaarsteig! Nur eines muss ich besser abstimmen: Die Kuchenauswahl ist vor dem Lauf wesentlich größer. Nur mit Not können wir noch ein Stückchen ergattern. Da sind wir aber selbst schuld.
Nächste Ausgabe:
10. Rothaarsteig Marathon: 19.10.2013
Ergebnisse:
Männer:
1 LÖSCHNER Frank TV Büschergrund 2:51:39
2 RYBA Thomas SC Siedlinghausen 2:54:59
3 BAUMHOFF Jürgen Team Sauerland / Bikepension-Olpe.de 2:57:51
4 ENGEMANN Ralf LG Odenwald/TSG Bad König 3:00:04
5 MEYER Jens LT Bittermark Dortmund 3:00:56
6 HUBER Florian TV 06 Goßfelden 3:01:07
Frauen
1 LENNARTZ Birgit LLG St. Augustin 3:31:52
2 KIRCHER Daniela LG Fulda 3:44:16
3 STEEGER Ulrike Troisdorfer LG 3:47:51
4 STADER Claudia Team Vampana 3:51:40
5 EPPELIN Anita Köln 3:53:53
6 SCHRÖTER Ulrike Bielefeld 3:55:08