Und diese Stelle habe ich in guter Erinnerung, denn da wirst du als Bayer gut versorgt. Zwar dauert es ein wenig Zeit, bis der Helfer meinen Wunsch verstanden hat. Doch dann springt er in sein Wohnmobil und kredenzt Bier und Radler. „Nimm doch gleich die ganze Flasche mit,“ geht als Angebot an mich. Meine Verfolger lehnen den Hopfentrunk ab und begnügen sich mit Iso. Da entgeht euch etwas, liebe Freunde. Für mich ist ein anderer Geschmack die Rettung, denn irgendwann bringe ich das ganze Iso nicht mehr hinunter.
An einem Abzweig sehe ich dann einen großen Grenzstein, der Kilometer 95 des Rothaarsteig anzeigt. Viele kleine Steinmännchen sind da zu sehen. Zwei starke Mädels sind mir auf den Fersen: Bernadett Muhle und Claudia Stader. Wer von beiden am Ziel die Nase vorhaben wird, ist nicht zu sagen. Es wird auf einen Sprint hinauslaufen.
Den höchsten Punkt erreichen wir auf dem Kamm der Talvariante mit 757 Meter über Meereshöhe. Damit sind wir fast exakt 400 Meter höher als unser Start und Ziel in Fleckenberg. Der 30. Kilometer bringt uns dann in den nicht einmal 50 Einwohner zählenden Ort Schanze. Der Name deutet auf eine Befestigung des Ortes hin. In der Geschichte beschrieb eine Schanze einen Graben, meist mit Wasser gefüllt, dahinter ein Erdwall, der oft durch eine undurchdringliche Hecke verstärkt war. Heute liegen die Einwohner nicht mehr wegen Feinde oder unliebsamen Zeitgenossen auf der Lauer, sondern gehen ganz friedlich ihrem Erwerb in der Tourismusbranche nach.
Und in Schanze gibt es auch etwas zu sehen: Links unseres Kurses grüßt die kleine Bonifatiuskapelle, die in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erbaut wurde. Oder der Kyrill-Pfad, der an dem Orkan vom 18.01.2007 erinnern soll. Auf einem Kilometer Länge kann man sich das Chaos aus umgerissenen und verkeilten Bäumen angesehen.
An der dortigen Schihütte können wir erneut verpflegen. An einem Hinweisschild lese ich:
„Im flotten Lauf kamst du heran,
des Weges Mitte ist's, nun halte an,
Genieße die Natur,
und sei's ein halbes Stündchen nur.“
So ganz stimmt die Aussage nicht: Ich bin zwar flott unterwegs, jedoch sind wir schon fast im letzten Viertel der Laufstrecke. Und eine halbe Stunde für den Naturgenuss will ich auch nicht opfern. So mache ich mich nach einer knappen Minute wieder auf die Socken.
Im folgenden Wald bis zur Robecker Siepen geht es auf 2,6 Kilometer Strecke nahezu 200 Höhenmeter hinunter, das bedeutet mitunter ein Gefälle von bis zu 10 Prozent. Eine Läuferin plagt der Wadenkrampf. Ein Mitstreiter versucht den Krampf wegzudrücken, gleichzeitig schiebt sie notwendige Kohlenhydrate von oben nach. Ich renne weiter und lasse es richtig laufen bis zum Ort Latrop, wo von links das Schlussfeld der Halbmarathonis und die Spitze der Walker auf uns stoßen.
Am Dorfhaus nutze ich den Dienst des Herrn Tee und lasse mir denselben munden. Die Helfer haben Schilder mit der Getränkeaufschrift umhängen und so können sich beide, Läufer und Helfer, ohne Worte verständigen. Noch sechs Kilometer. Diese sind jetzt einzeln angezeigt.
Das Latroptal wird langsam breiter. Der rund elf Kilometer lange Nebenfluss entspringt in der Nähe von Schanze und mündet bei Fleckenberg in die Lenne. Durch meine gescheite Renneinteilung kann ich immer mehr Läufer und Walker ein- und überholen.
Die letzte Tankstelle lasse ich links liegen und starte durch. Dann kommt auf den nun etwa 1,5 Meter breiten Weg ein walkendes Hindernis: Rechts ein Stacheldraht, links die Latrop und Steine. Was also tun bei den zwei führenden NordicWalkern, von denen der Zweite mit seinen Stöcken fast eine überbreite Fahrbahn braucht? Nun, ein paar Sekunden warte ich ab, mache mich dann bemerkbar, schließe die Augen, schieße links an beiden vorbei und bin unverletzt auf und davon.
Und dann führen uns die letzten Meter durch eine Wiese, eine kleine Grünanlage und schließlich auf die Sportanlage, wo ich unter dem Zieltransparent durchlaufe. Fast ein wenig erschreckt mich die Zieluhr, die mit eine 3.46 signalisiert. So schnell wollte ich heute eigentlich nicht!
Im Ziel wartet Roland Bömmel aus Mellrichstadt, der mir heute im Mittelteil der Strecke davongelaufen ist. Nach einer kurzen Erholungspause mit Fassbrause und Tee gehe ich meinem Auftrag zufolge wieder an die Strecke und sammle noch ein paar Bilder.
Die Jubiläums-Überraschung für die Teilnehmer ist ein eigens für den Rothaarsteig Marathon gestylter Löffel. Damit kann man künftig seine Marathonsuppe auslöffeln, die man sich mit der Meldung eingebrockt hat, haha. Nein, so eine Zugabe hatte ich in meinem Läuferleben auch noch nicht. Eine wirklich originelle Idee.
Die Finisherzahlen sind weiter steigend. Während die Walker stagnieren, steigt die Zahl der Marathonis und Halbmarathonis um knapp zehn Prozent im Vergleich zu 2012. Mein persönliches Fazit schaut ebenfalls wahnsinnig positiv aus. Meine Zeit habe ich rund eine Stunde verbessert, das ganze Ambiente stimmt. Doch halt: Vom Kuchenbufett geht das letzte Stückchen, ein Krapfen, an den Sportler, der vor mir in der Schlange steht. Ich werde nächstes Mal doch den Kuchenreservierungsservice nutzen müssen.
Bernd Tröster lädt heute schon für den 18.10.2014 recht herzlich ein, die Anmeldung ist schon frei geschaltet.
Marathon Männer 42,195 km
1. Christian Härtel SC Eintracht Hamm 2:47:07
2. Thomas Braukmann TSG Helberhausen 2:51:44
3. Frank Löschner TV Büschergrund 2:52:08
4. Jan van der Marel Loopgroep Aart Stichter 2:53:16
5. Thomas Ryba Hildfeld 2:53:25
6. Mathias Nahen TV Jahn Bad Driburg 2:53:49
Marathon Frauen 42,195 km
1. Isa Roth SSF Bonn Triathlon 3:34:34
2. Rita Nowottny-Hupka LT Wischlingen Dortmund 3:37:10
3. Nicola Wittich Trifinish Münster 3:39:58
4. Anke Lehmann Tus Drevenack 3:41:19
5. Silke Kaliner k1-media 3:42:13
6. Claudia Stader Team Campana 3:45:05
287 Marathonläufer im Ziel.