Immer wieder bleibe ich für ein Bild stehen, wo dann die Verfolger wieder näherkommen. Dann werde ich fast übermütig und lasse es nur so rollen. Westlich und südlich des Seehügels (953 Meter) verläuft unser Kurs weiterhin fallend, bis uns etwa 20, 30 zu bezwingende Höhenmeter die Geschwindigkeit nach unten drücken. Ja, da verläuft jetzt die Europäische Wasserscheide. Südlich läuft das Aqua Richtung Naab über die Donau ins Schwarze Meer. Nach Westen wird über Main und Rhein in die Nordsee entwässert.
Vorher habe ich kurz das Sechsämterland erwähnt. Nun, das Landkreisgebiet Wunsiedel gehörte vor 1800 zum Fürstentum Bayreuth. Und dieses war in die Ämter Hohenberg, Kichenlamitz, Selb, Thierstein, Weißenstadt und Wunsiedel aufgeteilt. Daher kommt die Bezeichnung Sechsämterland. Ja, das kenne ich, höre ich den einen oder anderen murmeln. Wahrscheinlicher ist, dass diese Zeitgenossen die Sechsämtertropfen kennen. Das ist ein Kräuterschnaps aus Heilpflanzen, Vogelbeeren und Wurzeln.
Nicht nur an der V-Stelle bei Kilometer 19, sondern auch an vielen anderen helfen viele Kinder mit dem Verteilen der Getränke. Hier werden wir gleich frühzeitig mit einem Megaphon hingewiesen, was der Speiseplan zu bieten hat. Kurz danach laufen wir unter einem Transparent des Bayerischen Staatsforstes hindurch und werden noch von einem Förster fotografiert. Es ist noch nicht lange her, da mussten Laufveranstalter für das Durchlaufen von Wäldern Benützungsgebühren abdrücken, obwohl die Wege nach den Veranstaltungen meist sauberer waren als vorher. Diese Zeit ist jedoch in den Staatswäldern vorbei. Lediglich in den Wäldern von Privaten und Adeligen muss weiterhin gelöhnt werden.
Kurz bevor wir aus dem Wald herauskommen, ist Halbzeit. Ein wenig über zwei Stunden bin ich unterwegs. Für das Unterbieten der vier Zeiteinheiten werde ich mich langmachen müssen. Die Halbmarathonis, die vor 1,5 Stunden losgelassen wurden, sind längst über alle Berge verschwunden. Nichts deutet mehr auf den Start hin, da ist schon alles aufgeräumt und verpackt.
Es geht leicht bergab nach Leupoldsdorf. Zwei Wanderer haben keinen Blick übrig für uns. Kurz nach dem Ortseingang stehen einige Erwachsene mit ihren Kindern und machen mit ihren Ratschen eine gute Stimmung. Das sind wahre Fans. Sehenswert in Leupoldsdorf ist das etwa 700 Jahre alte Hammerherrenschloss. Ein Teil wird davon als Schlossgasthaus benutzt. Das dazugehörende Torbogenhaus wird zurzeit saniert.
Auf einer ehemaligen Bahntrasse ohne Steigungen laufen wir nach Tröstau hinein. Zuvor geht es bei einer Fußgängerunterführung mit Treppen unter der Bundesstrasse 303 hindurch und wir gelangen in den Ortskern. 1314 wurde die heute 2500-Seelen-Gemeinde erstmals als „Drosen“ genannt. Das Ortsbild prägt der Doppelgipfel der Kösseine.
Dann nimmt der Lärm zu. Wie schon auf der Homepage der Veranstalter veröffentlicht, macht die Down Town Samba aus Hof eine prächtige Stimmung für uns und die rund 50 Zuschauer. Rechts finden wir noch eine V-Stelle, wo ich mir Cola reinschütte. Weiter. Die nächste Steigung zur Kösseine wartet.
Auf der folgenden Steigung Richtung Golfplatz und Schloss Fahrenbach warten in Summe knapp 200 Höhenmeter. Zuerst laufen wir entlang des Golfplatzes, wo sich bereits Golfer mit ihrem kleinen Ball und den noch kleineren Löchern beschäftigen. Mir geht es nun auf der Steigung gut. Mit Irxn-Schmoiz laufe ich zuerst auf der asphaltierten Straße, später auf dem befestigten Feld- und Waldweg weiter bergauf. Ich sehe Euere Stirn gerunzelt, was für einen urbayerischen Begriff da nun wieder gebraucht wird. „Schmoiz“ kann vielleicht ein Brotaufstrich sein. Aber hier ist Schmoiz nichts anderes als Kraft oder neudeutsch Power. Und Irxn hat nix mit Kraxn oder Krake zu tun, sondern das ist die Achsel. A Irxn-Schmoiz ist also die Kraft, die nicht nur aus den Achseln kommt, a bärig-boarische Power halt.
Viele Marathonis gehen, ich kann noch laufen. Kurz nach Kilometer 27 biegt unser Kurs rechts weg, so müssen wir nicht direkt die Kösseine hinauf, sondern umlaufen sie rechts herum. Die V-Stelle am Ende der Steigung ist taktisch gut postiert, so können wir danach ein höheres Tempo anschlagen.
Nach einem kurzen Wegstück sehe ich links im Wald den Spritzbrunnen. Wer will, kann sich da erfrischen. Wir haben nun die meisten Höhenmeter hinter uns gebracht. Aber mit wenigen Hügeln ist weiterhin zu rechnen, wir sind ja im Fichtelgebirge.
Zur Kösseine gehören Großer und Kleiner Haberstein, Burgsteinfelsen, Mühlstein, Püttners- und Jakobifels. Und an dessen Nordseite befindet sich das Felsenlabyrinth. Zwar sind die Temperaturen etwas gestiegen, aber hier im Wald im Schatten lassen sich die Kilometer gut einsammeln.
Bei Kilometer 33 kurz vor Kleinwendern sehen wir riesige Felsbrocken links des Weges. Wie mag es wohl im Felsenlabyrinth aussehen, frage ich mich. Bevor wir nach Kleinwendern hineinlaufen, können wir an der zehnten V-Stelle ausgiebig zugreifen.