… machen wir uns wieder auf die Strecke. Ein Stück Banane, Cola und Tee gemischt, das wird mir gut tun. Hans-Werner staunt, was so ein Läufermagen alles durcheinander verträgt. Lenz-Süd, an einem Tor lese ich „Blühend steigt der Lenz hernieder, alles liebt und paart sich wieder“. Habt ihr das mal gehört? Die Zeile stammt von einem Frühlingslied von Wilhelm Gottlieb Becker. Na ja, von Frühling ist heute nichts zu spüren, bei einem Grad plus oder zwei.
Treppentraining macht sich bezahlt, als wir auf ausrangierten Eisenbahnschwellen die Lenzer Höhe erklimmen. 30 Stufen, vielleicht auch 40, unterschiedlich hoch, auch hier muss ich schauen, nicht dass es den Fotograf auf die Fresse legt. Ein Otto Normalläufer hat es da leichter, denn der braucht ja kein Motiv suchen. Oben laufen wir weiter oberhalb des Sees, die Aussicht ist trotz des diesigen Wetters ganz gut. Nur es ist für die Kamera fast zu wenig Licht. Immer wieder schaltet sich der Blitz dazu.
Die Spitze des Läuferfeldes ist längst auf und davon und nach hinten rührt sich auch nichts mehr. Zu viert, Frank Dau, Hanno Recke, Petra Berkath und ich, laufen wir weiter entlang am Plauer See, der eine Fläche von 38 Quadratkilometer hat. Mit 14 Kilometer Länge und fünf Kilometer Breite ist er der siebtgrößte See in Deutschland, der von der Elde durchflossen wird. Im 12. Jahrhundert wurde das Gewässer nach der Siedlung Kutin oder Kutsin (am Westufer) benannt. Erst viel später bekam der See den heutigen Namen. 2011 verlieh Global Nature Fund den Titel „Lebendiger See des Jahres 2011“.
Zuerst sind es nur einzelne Schneeflocken, dann beginnt es vor dem Zylinderberg stärker an zu schneien. Das ist immer noch besser, als wenn Petrus auf uns niederbieselt. Der Beachpoint Nr. 1 ist verwaist, ich muss ohne das einheimische Bier aus Lübz weiter. Auf Höhe der Ortschaft Suckow, die ein wenig weg von der Uferlinie liegt, müssen wir um eine Bucht herum. „Die ist noch vereist,“ so Holger am Vortag, und „wer abkürzen mag, sollte eine Schwimmweste tragen, das Eis wird euch nicht tragen“. Also außen rum.
Nach weiteren 20 Minuten entlang des Sees auf urwüchsigen Wegen, immer wellig, unter Buchen und durch Schilfwiesen, erreichen wir Bad Stuer. Einige Villen zeigen Leben, die meisten sind wohl nur im Sommer bewohnt. Bis ins Jahr 1178 geht die Geschichte des heute 250 Einwohner zählenden Ortes zurück. Im 19. Jahrhundert wurden Kurgäste nach anerkannten Wasserheilmethoden nach Vincenz Prießnitz und Sebastian Kneipp behandelt, darunter auch Fritz Reuter, der seine Weinsauferei dadurch in den Griff bekommen wollte.
Wie laufen auf einer Straße, die sinnigerweise Seeufer heißt, bis zu einem Ferienhaus mit der Aufschrift „Schweigt mir von Rom“. Der Name stammt aus dem Jahr 1870, als diese Unterkunft noch eine einfache Herberge war. Gleich dahinter zweigt unser Weg in das Tal der Eisvögel ab. „Da müsst ihr einige Meter hoch und nach 500 Meter erreicht ihr die Verpflegung bei den Fischteichen“, so Holger am Vortag.
Hinter dem Ferienhaus sehen wir eine Lehmwand, in der die Eisvögel ihre Nester bauen. Während die alten Vögel standorttreu sind, müssen sich die Jungen neue Reviere mit offenen Gewässern suchen. Sehen kann ich keinen dieser bunten Vögel.
Auf dem Pendelstück zu den Fischteichen kommen uns nur zwei Läufer entgegen, mehr nicht. An der Verpflegungsstelle werden unsere Startnummern aufgeschrieben, dann bekommen wir eine heiße, hausgemachte Hühnersuppe. Mit Keksen versuche ich die Einlage, Lauch, Karotten und Nudeln, herauszufischen. Die Suppe ist heiß und köstlich.
Ein großes Schild weist auf die gute Luft hin, denn Plau am See ist ein seit 1998 staatlich anerkannter Luftkurort. Über 6000 Einwohner zählt Stadt heute. Im 16. Jahrhundert wurde der Ort zu einer Festung ausgebaut, doch schon rund 100 Jahre später wurden die ganze Befestigung geschleift. Interessant ist, wie heute Stadtpolitik gemacht wird. Denn Bürgermeister Norbert Reier von der PDS regiert mit Unterstützung der CDU. Das ist wohl einmalig in Deutschland.
Auf der Seestraße erreichen wir die Bundesstraße 103, kurz danach überlaufen wir auf einer Brücke die Elde. Gleich danach müssen wir auf einer Treppe wieder von der Hauptstrasse weg. Einige Kutter, wie die Seelust, sind winterfest vertäut. Links sehe ich einige Spaziergänger. Wir verlassen vor der Wasserschutzpolizei wieder die Uferlinie. Der Wind kommt nun eher von hinten und ist fast nicht mehr störend.
Kulturell ist in Plau einiges los. So gibt es in der Saison den Plauer Musiksommer, das Lanz-Bulldog-Treffen, eine Badewannenrallye und die Müritz Fischtage. Wir tangieren kurz den Bereich des Stadtteils Quetzin und laufen dann wieder an den See heran. Der Ferienpark Heldenholz und das MediClin Krankenhaus sind unsere weitere Stationen. Irgendwann muss doch der dritte Verpflegungspunkt kommen. Mein Magen bräuchte wieder Nachschub.
Das Landhotel Rosenhof scheint ein Wellnesstempel zu sein, wir müssen jedoch weiter auf unserer Reise um den Plauer See. An einem Pferch lassen sich die Ziegen mit einem Pfiff leicht anlocken. Da muss ich lachen. Gleich daneben ist der Friedhof mit einer Kapelle.
Wie ist denn Holger auf die Idee gekommen, so etwas zu veranstalten? Er, der aus Jena stammt, hatte im Urlaub den Plan, sich für einen Herbstmarathon und Ultralauf vorzubereiten. Da sich die Urlaubstage mit mehr als 30 Grad eher fürs Baden eignen und nicht fürs Laufen, kam der Entschluss, eine Umrundung auf die Nacht zu verlegen. Punkt 02.00 Uhr ist er gestartet, nur ein paar Gels im Rucksack. Wasser sollte an den Campingplätzen verfügbar sein. Eine Gefahr stellten dann umherlaufende Hunde dar, also lief Holger gleich im Schein der Stirnlampe. In Bad Stuer konnte er die vielen Facetten der Morgendämmerung mit dem Vogelgezwitscher in der Blauen Stunde erleben. Zurück am Startplatz, bog der Fisherman mit dem Rad um die Ecke und wunderte sich, dass sein Gast nicht in Anglermontur, sondern in verschwitzten und müffelnden Laufklamotten vor ihm stand. Nicht mehr so frisch und duftend, wie der junge Tag! So wurde die Idee zur Seeumrundung geboren.
Es geht auf einen asphaltierten Radweg. Petra sagt etwas von 40 Kilometer, als ich nach der zurückgelegten Distanz frage. Die V-Stelle mit dem avisierten Kuchen und Kaffee haben wir nicht gefunden. Es ist gut, dass ich mir eine kleine Dose Erdinger und zwei Gels mitgenommen habe. Rechts ist die Leistener Lanke zu sehen, ein Wasserarm zum Plauer See. Kurzzeitig kann ich auf Hanno auflaufen, dann zieht er langsam davon.
Rechts laufe ich parallel zur Bundesstraße 192 weiter. Später lese ich auf einem Wegweiser, dass es noch 5,5 Kilometer nach Alt-Schwerin sind. Das ist überschaubar, ein erfolgreiches Finish deutet sich an. Neben den Radweg ist ein mannshoher Drahtzaun, ein Zutritt zum Nordufer ist nicht erlaubt. Und später heißt es auf einem Schild „Landschaftsschutzgebiet“. „Hornochse“ lese ich auf einem weiteren Schild und auf den zweiten Blick „Moorochsen“. So ist es richtig.
Ganz weit vorne sehe ich noch Hanno und Petra und dann verschwinden beide nach rechts, wo ich dann in den Campingplatz „Alt-Schwerin“ abbiege. Am Wasser wird es nun richtig ekelhaft durch den Seitenwind, der richtige Wellen vor sich her treibt. Ich bin über jedes Buschwerk und über jede Behausung froh, die den Wind bricht. Vielleicht zwei Kilometer lang ist der Zelt- und Campingplatz, dann beginnt ein schmaler Wanderweg, der jetzt besser windgeschützt ist. Weit vorne sehe ich einzelne Häuser. Ist das schon die Fischerei und Räucherei unseres Fisherman Hans-Werner? Ich glaube es fast, doch dann wieder nicht mehr, denn das dominierende Haus ist grau, andersfarbig als die Wirtschaft.
Im Gedächtnis ist mir noch der Hinweis von Holger, die letzte finale Linkskurve zu kriegen, „sonst seid ihr auf dem Plauer Werder unterwegs mit sechs Kilometer Umweg“. Der Weg endet, ich muss mich entscheiden. Da hat mich Holger schon gesehen und ruft.
Und dann ist der Trail auch gleich vorbei. Holger zeigt mir den Weg um die Fischerei herum, denn die Ziellinie hat man kurzerhand an den Hintereingang verlegt. Geschafft.
Nur wenige Läufer sind jetzt da, einige haben sich zum Duschen verdrückt, andere haben sich in die Zimmer zurückgezogen. Ich trinke eine Halbe in aller Gemütlichkeit und mache mich dann auch frisch zur Siegerehrung und zum Fischessen am Abend.
Salat und gegrillter Fisch (Zander, Wels) werden immer wieder frisch und so lange nachgereicht, bis wir nicht mehr können. Als Verdauungsbeschleuniger kann man noch einen brennenden Fischgeist ordern.
Leider muss ich am nächsten Tag wieder zurück, doch die Abfahrt des Zuges habe ich gut gewählt. Mit einem opulenten Frühstück mit viel Wurst und geräucherten Fisch, fängt der Tag gut an. Roberto bringt mich dann zeitig nach Malchow, wo ich noch die Stadt ein wenig erkunde.
Hans-Werner und Holger haben die Organisation gut im Griff. Als Trailrunner geht man gut ausgerüstet und immer mit eigener Verpflegung auf die Strecke. Da ist es nicht weiter tragisch, wenn man eine V-Stelle nicht findet.
Der Trail ist abwechslungsreich und wellig (in Summe etwa 150 bis 200 positive Höhenmeter). Die vielen schöne Ausblicke am See entschädigen für das kalte Wetter, bei dem wir noch Glück hatten. Denn außer einer Stunde Schneefall und etwas Nieselregen störte nur der Wind.
Schade, dass nicht mehr Läufer gekommen sind. Dabeu kann ich die kleine, urige Veranstaltung jedem Trailläufer nur ans Herz legen. Danke an Hans-Werner und Holger für euren tollen Job. Da nicht so viele Teilnehmer in der Liste sehen, werden alle namentlich aufgeführt. Ach ja, einen Sommertermin gibt es auch schon, den 16. Juli 2016, der Start ist um 06.00 Uhr in der Früh.
1. Uwe Laenger, 1. FC Union Berlin, 3.59.03
2. Samir Schulz-Meinen, triabolos triathlon hamburg, 4.03.40
3. Jan Becher, Hohen Neuendorf, 4.19.44
4. Jörgen Zimmer, SV Blau-Weiß Petershagen/Eggersdorf, 4.21.34
5. Sebastian Hanisch, Magdeburg, 4.38.22
6. Christian Obst, TSV Trittau, 4.49.30
7. Roberto Wolfer, Rennsteiglaufverein, 5.12.22
8. Carsten Stephan, Wassersportfreunde der Stadt Plau, 5.15.28
9. Lars Braemer, TV Jahn Walsrode, 5.23.10
10. Thomas Schulz, 1. FC Union Berlin, 5.24.36
11. Petra Berkath, TV Jahn Walsrode, 5.26.04, (1. Frau)
12. Hanno Recke, Lehrter SV Triathlon, 5.26.06
13. Anton Lautner, marathon4you.de, 5.32.32
14. Annette Bethge, LC Ron Hill Berlin, 6.16.48, (2. Frau)
15. Dr. Martin Reinhardt, Jena, 6.17.18
16. Frank Schreiber, VfV Spandau, 6.29.58
17. Bodo Matthes, LC Ron Hill Berlin, 6.34.47
18. Frank Dau, Wismar, 6.38.21
19. Margit Schreiber, VfV Spandau, 6.42.10, (3. Frau).