Zwar nicht in die Wüste, aber in die Provinz schickt mich an diesem Wochenende unser Chef. Er geht nach Färdd zu den Mittelfranken und mich entsendet er in die Fränkische Schweiz nach Oberfranken.
Wahrscheinlich dachte er an die Brauereiendichte in dem Regierungsbezirk, denn nirgends auf der Welt gibt es mehr „Wirtschaftswissenschaftler“ als hier. Gut, dass Klaus an mich und nicht an Joe dachte. Aber ich weiß, wer nächstes Jahr hier hin will.
Streitberg, das kennt der Teilnehmer am Fränkische Schweiz Marathon auch, denn da tanzen während des Marathons ein paar Sambatänzerinnen. Hier beginnt der Frankenweglauf, der uns Marathonis nach Obertrubach führen wird. Ja, und wem die Langstrecke mit rund 1000 eingebauten Höhenmetern zu heftig ist, der kann sich auf der Mitteldistanz über 24 Kilometer (Start in Behringersmühle) oder auf der Kurzstrecke über 15 Kilometer (Start in Pottenstein) austoben. Was für alle Teilnehmer gleich ist, sie laufen nach Obertrubach ins Ziel. Von dort werden die Teilnehmer zu ihren Startorten kostenlos zurückgebracht.
Als ich um 07.00 Uhr in Streitberg ankomme, schläft der ganze Ort noch. Nur ein paar Wenige in sportlichen Gewändern suchen einen nahen Parkplatz oder marschieren zum Startort im Muschelquellenweg. Mein Tipp: Parkt gleich in der Nähe vom Bahnhof, der etwa 500 Meter vom Startbereich entfernt ist.
Im Startbereich werden bereits die Nummern ausgegeben, das Gepäck wird gekennzeichnet und in einen Kombi gestapelt. Für jeden hat Herbert Peter, der Gesamtorganisator, ein freundliches Wort übrig. Wer noch durstig ist, kann gleich noch von den bereitstehenden Wasserflaschen einen kräftigen Schluck nehmen. Und das ist gut so, denn es wird heute sehr warm werden. 25 Grad haben die Wetterfrösche vorhergesagt. Da trifft es sich gut, dass wir schon um 08.00 Uhr losgelassen werden.
Die Nachmeldungen halten sich in Grenzen. Nichtsdestotrotz ist Herbert stolz, denn von Jahr zu Jahr verzeichnet der Frankenweglauf mehr Zuspruch. „Gegenüber 2012 haben wir wieder gut zehn Prozent mehr Teilnehmer und die 300 werden wir demnächst auch schaffen“, so seine Feststellung. Bevor Herbert mit seinem Briefing beginnt, zeigt er uns eine der Sehenswürdigkeiten der Fränkischen Schweiz. „Dreht euch um, da drüben steht die Ruine Neideck und hier, da müsst ihr den Kopf in den Nacken legen, grüßt die Burgruine Streitburg herunter.“
Wer auf eine schweißtreibende Burgbesichtigung verzichten will, der kann die evangelische Dreieinigkeitskirche besuchen oder einen Trip zur Binghöhle machen. Herbert empfiehlt einen Besuch der Historischen Pilgerstube. Wer sich da in Sachen Schnaps- und Likörherstellung weiterbilden möchte, der Inhaber ist ein Fachmann und das Probieren und Kosten dieser feinen Getränke aus Beeren, Früchten und Nüssen ist erlaubt. Nur sollte man dann nicht mehr ans Steuer.
Herbert weist noch auf die Besonderheiten der Streckenführung hin, auf steilere Stücke und auf Straßenüberquerungen: „Ihr habt keine Sonderrechte, haltet die Augen offen und achtet mir auf den Verkehr“. Ein besonderes Augenmerk sollten wir auf die Hinweisschilder des Frankenweges richten, denn auf diesem sind wir meist unterwegs. „Damit die 42,195 Kilometer zusammenkommen, haben wir noch zwei kleine Schleifen eingebaut.“ Und damit schon jeder die Markierung kennt, zeigt uns Herbert die Schilder des Frankenweges und seine eigenen Markierungen, die nur an wenigen, unübersichtlichen Stellen angebracht sind.
Fünf Minuten vor dem Start endet Herberts Einweisung. Die Teilnehmer schickt er dann zur Startlinie in 50 Meter Entfernung. Die letzten Sekunden zählen wir herunter und dann geht es ohne Startpistole, ohne Musik und ohne Zuschauer auf die Strecke. Doch, zwei Kühe schauen mehr oder weniger gelangweilt zu, was da vor sich geht.
Während die Spitze gleich (Voll-)Gas gibt, sehe ich nach zwei, drei Bildern vom Start die Schlussläufer. Ein wenig wellig verläuft unser Kurs, dann geht es sogleich in den Wald zu den Muschelquellen. Wem jetzt schon die Füße dampfen, eine Kneippanlage etwas unterhalb könnte helfen. Ein idyllischer Ort, denn unterhalb von einem mächtigen Felsüberhang bieten ein paar Bänke einen Rast- und Brotzeitplatz an. Nicht für uns, denn wir sind ja erst zwei Minuten unterwegs.
Der Frankenweg verengt sich zusehends, es geht nur noch in Kolonne voran, einer nach dem anderen. Dann schraubt sich der Trail nach oben, im Marsch, denn zum Laufen ist es deutlich zu steil. Der Schweiß fließt gleich in Strömen. Ein Baum hängt über den Weg, Kopf einziehen, drunter hindurch und weiter.
Am Ende der Steigung verlassen wir für ein paar Meter kurz den Wald und stehen in gleißenden Sonnenschein. Nach etwa fünf Kilometern ist Neudorf, ein kleiner Weiler, erreicht. Übrigens, Kilometerschilder gibt es nur sporadisch. Eine lückenlose Markierung aller Längeneinheiten hat eh keinen Sinn, denn es geht ja laufend hinauf und hinunter. Ein gleichmäßiges Laufen ist nicht möglich. Und das ist ja für uns Trailer das Schöne. Nur keine Gleichmäßigkeit und immer schön abwechslungsreich.
Auf den Wiesen haben viele Bauern das Gras gemäht: Die Heuernte steht an, es soll jetzt ein paar Tage trocken und warm werden. Ein längeres Gefälle bringt uns an den Ortsrand von Muggendorf. Der Ort wurde im 13. Jahrhundert erstmals in der Geschichte erwähnt. 1972 zur Gebietsreform wurde der Ort zusammen mit anderen Dörfern zum Markt Wiesenttal vereinigt. Neben der St.-Laurentuis-Kirche können einige umliegende Höhlen besichtigt werden.
Wir werden jetzt kurz mit Aqua versorgt. Einer der Helfer feixt wegen meiner Reportertätigkeit: „Jetzatla waas mei Alde, wo ich mich rumdreib!“ Ein Wort zur Verpflegung. Etwa alle fünf Kilometer gibt es etwas zu schnabulieren. Wasser immer, Iso, Bananen und Cola auf der zweiten Hälfte und manchmal Riegel und Gel. Das sollte genügen, denn richtige Trailrunner haben ja sowieso noch einen Wassertank oder Rucksack dabei.